Vaterland befreien würden; er hoffte, sein Sohn werde es erleben, und wollte es nicht läugnen, daß er ihn zum Soldaten erziehe. Meine Mittheilungen und An¬ sichten konnten sein Vertrauen nur bestärken; ich brachte ihm Zeugnisse in Menge, wie hohl und schwach die Macht Napoleons in sich selber sei, wie tief und stark die Gesinnung, die ihm entgegenstehe. In diese abge¬ legene Provinz waren viele Thatsachen noch gar nicht hingedrungen, eine Menge von Bezügen waren hier ganz neu. Jean Paul hörte mir begierig zu, und barg sein Entzücken nicht, als ich ihm mehrere Strophen der Ode von Stägemann gegen Napoleon hersagte, wobei er doch sorgsam warnte, dergleichen nur vorsichtig mit¬ zutheilen und nicht schriftlich bei mir zu führen, und allerdings mußte ich zugeben, daß man um weniger schon hier Freiheit und Leben verlieren könne. Aber bald vergaß er selbst seiner Warnung, und wollte eine Abschrift haben. Nun drückten wir uns erst recht als gleichgesinnte Freunde die Hände, und tauschten rück¬ haltlos unsre Meinungen aus. Die Spanier machten den freudigen Refrain zu allem, auf sie kamen wir immer zurück.
Die Erwähnung der Reden Fichte's brachte uns auf das Erziehungswesen, für den Verfasser der "Levana" natürlich ein sehr ergiebiger Gegenstand. Er billigte fast alles, was ich ihm als Ergebniß meiner Erfahrun¬ gen hierüber vortrug, und schloß endlich mit dem Satz,
Vaterland befreien wuͤrden; er hoffte, ſein Sohn werde es erleben, und wollte es nicht laͤugnen, daß er ihn zum Soldaten erziehe. Meine Mittheilungen und An¬ ſichten konnten ſein Vertrauen nur beſtaͤrken; ich brachte ihm Zeugniſſe in Menge, wie hohl und ſchwach die Macht Napoleons in ſich ſelber ſei, wie tief und ſtark die Geſinnung, die ihm entgegenſtehe. In dieſe abge¬ legene Provinz waren viele Thatſachen noch gar nicht hingedrungen, eine Menge von Bezuͤgen waren hier ganz neu. Jean Paul hoͤrte mir begierig zu, und barg ſein Entzuͤcken nicht, als ich ihm mehrere Strophen der Ode von Staͤgemann gegen Napoleon herſagte, wobei er doch ſorgſam warnte, dergleichen nur vorſichtig mit¬ zutheilen und nicht ſchriftlich bei mir zu fuͤhren, und allerdings mußte ich zugeben, daß man um weniger ſchon hier Freiheit und Leben verlieren koͤnne. Aber bald vergaß er ſelbſt ſeiner Warnung, und wollte eine Abſchrift haben. Nun druͤckten wir uns erſt recht als gleichgeſinnte Freunde die Haͤnde, und tauſchten ruͤck¬ haltlos unſre Meinungen aus. Die Spanier machten den freudigen Refrain zu allem, auf ſie kamen wir immer zuruͤck.
Die Erwaͤhnung der Reden Fichte's brachte uns auf das Erziehungsweſen, fuͤr den Verfaſſer der „Levana“ natuͤrlich ein ſehr ergiebiger Gegenſtand. Er billigte faſt alles, was ich ihm als Ergebniß meiner Erfahrun¬ gen hieruͤber vortrug, und ſchloß endlich mit dem Satz,
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Vaterland befreien wuͤrden; er hoffte, ſein Sohn werde
es erleben, und wollte es nicht laͤugnen, daß er ihn
zum Soldaten erziehe. Meine Mittheilungen und An¬
ſichten konnten ſein Vertrauen nur beſtaͤrken; ich brachte
ihm Zeugniſſe in Menge, wie hohl und ſchwach die
Macht Napoleons in ſich ſelber ſei, wie tief und ſtark
die Geſinnung, die ihm entgegenſtehe. In dieſe abge¬
legene Provinz waren viele Thatſachen noch gar nicht
hingedrungen, eine Menge von Bezuͤgen waren hier
ganz neu. Jean Paul hoͤrte mir begierig zu, und barg
ſein Entzuͤcken nicht, als ich ihm mehrere Strophen der
Ode von Staͤgemann gegen Napoleon herſagte, wobei
er doch ſorgſam warnte, dergleichen nur vorſichtig mit¬
zutheilen und nicht ſchriftlich bei mir zu fuͤhren, und
allerdings mußte ich zugeben, daß man um weniger
ſchon hier Freiheit und Leben verlieren koͤnne. Aber
bald vergaß er ſelbſt ſeiner Warnung, und wollte eine
Abſchrift haben. Nun druͤckten wir uns erſt recht als
gleichgeſinnte Freunde die Haͤnde, und tauſchten ruͤck¬
haltlos unſre Meinungen aus. Die Spanier machten
den freudigen Refrain zu allem, auf ſie kamen wir
immer zuruͤck.
Die Erwaͤhnung der Reden Fichte's brachte uns auf
das Erziehungsweſen, fuͤr den Verfaſſer der „Levana“
natuͤrlich ein ſehr ergiebiger Gegenſtand. Er billigte
faſt alles, was ich ihm als Ergebniß meiner Erfahrun¬
gen hieruͤber vortrug, und ſchloß endlich mit dem Satz,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/88>, abgerufen am 28.11.2024.
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