wenigstens ähnliche Bestandtheile stets als Gleichniß be¬ reit haben. --
Das Gespräch wandte sich auf die öffentlichen An¬ gelegenheiten, auf den Zustand von Deutschland, auf die Machtherrschaft der Franzosen. Mir sind die poli¬ tischen müssigen Verhandlungen sehr zuwider, es kommt wenig dabei heraus, man tappt im Finstern, und alles ist meistentheils ganz anders, als man die Sachen ge¬ wöhnlich im ersten Augenblick wissen kann und behaup¬ ten will. Aber entzückend war es mir, Jean Paul bei solchem Anlasse die reinsten vaterländischen Gesinnungen aussprechen zu hören, und um dieser Felseninseln willen durchschwamm ich freudig das leere Gefluth unsichrer Nachrichten und schwankender Vermuthungen, das um jene her wogte. Was Jean Paul sagte, war tief, ver¬ ständig, herzlich, tapfer, deutsch bis in die kleinste Faser hinein; kurz tausendmal besser als seine "Friedens¬ predigt", über die wir uns in Berlin geärgert hatten. Ich konnte ihm vielerlei erzählen, von Napoleon, den er nur aus Bildnissen kannte, von Johannes von Müller, über dessen Katastrophe und Karakter er begierig Auf¬ schluß wünschte, von Fichte, dem er jetzt gezwungen seine höchste Bewunderung widmete, von dem Marquez de la Romana und seinen Spaniern, die ich in Ham¬ burg gesehen hatte. Jean Paul zweifelte keinen Augen¬ blick, daß die Deutschen einst gleich den Spaniern sich erheben, daß die Preußen ihre Schmach rächen und das
wenigſtens aͤhnliche Beſtandtheile ſtets als Gleichniß be¬ reit haben. —
Das Geſpraͤch wandte ſich auf die oͤffentlichen An¬ gelegenheiten, auf den Zuſtand von Deutſchland, auf die Machtherrſchaft der Franzoſen. Mir ſind die poli¬ tiſchen muͤſſigen Verhandlungen ſehr zuwider, es kommt wenig dabei heraus, man tappt im Finſtern, und alles iſt meiſtentheils ganz anders, als man die Sachen ge¬ woͤhnlich im erſten Augenblick wiſſen kann und behaup¬ ten will. Aber entzuͤckend war es mir, Jean Paul bei ſolchem Anlaſſe die reinſten vaterlaͤndiſchen Geſinnungen ausſprechen zu hoͤren, und um dieſer Felſeninſeln willen durchſchwamm ich freudig das leere Gefluth unſichrer Nachrichten und ſchwankender Vermuthungen, das um jene her wogte. Was Jean Paul ſagte, war tief, ver¬ ſtaͤndig, herzlich, tapfer, deutſch bis in die kleinſte Faſer hinein; kurz tauſendmal beſſer als ſeine „Friedens¬ predigt“, uͤber die wir uns in Berlin geaͤrgert hatten. Ich konnte ihm vielerlei erzaͤhlen, von Napoleon, den er nur aus Bildniſſen kannte, von Johannes von Muͤller, uͤber deſſen Kataſtrophe und Karakter er begierig Auf¬ ſchluß wuͤnſchte, von Fichte, dem er jetzt gezwungen ſeine hoͤchſte Bewunderung widmete, von dem Marquez de la Romana und ſeinen Spaniern, die ich in Ham¬ burg geſehen hatte. Jean Paul zweifelte keinen Augen¬ blick, daß die Deutſchen einſt gleich den Spaniern ſich erheben, daß die Preußen ihre Schmach raͤchen und das
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wenigſtens aͤhnliche Beſtandtheile ſtets als Gleichniß be¬
reit haben. —
Das Geſpraͤch wandte ſich auf die oͤffentlichen An¬
gelegenheiten, auf den Zuſtand von Deutſchland, auf
die Machtherrſchaft der Franzoſen. Mir ſind die poli¬
tiſchen muͤſſigen Verhandlungen ſehr zuwider, es kommt
wenig dabei heraus, man tappt im Finſtern, und alles
iſt meiſtentheils ganz anders, als man die Sachen ge¬
woͤhnlich im erſten Augenblick wiſſen kann und behaup¬
ten will. Aber entzuͤckend war es mir, Jean Paul bei
ſolchem Anlaſſe die reinſten vaterlaͤndiſchen Geſinnungen
ausſprechen zu hoͤren, und um dieſer Felſeninſeln willen
durchſchwamm ich freudig das leere Gefluth unſichrer
Nachrichten und ſchwankender Vermuthungen, das um
jene her wogte. Was Jean Paul ſagte, war tief, ver¬
ſtaͤndig, herzlich, tapfer, deutſch bis in die kleinſte Faſer
hinein; kurz tauſendmal beſſer als ſeine „Friedens¬
predigt“, uͤber die wir uns in Berlin geaͤrgert hatten.
Ich konnte ihm vielerlei erzaͤhlen, von Napoleon, den
er nur aus Bildniſſen kannte, von Johannes von Muͤller,
uͤber deſſen Kataſtrophe und Karakter er begierig Auf¬
ſchluß wuͤnſchte, von Fichte, dem er jetzt gezwungen
ſeine hoͤchſte Bewunderung widmete, von dem Marquez
de la Romana und ſeinen Spaniern, die ich in Ham¬
burg geſehen hatte. Jean Paul zweifelte keinen Augen¬
blick, daß die Deutſchen einſt gleich den Spaniern ſich
erheben, daß die Preußen ihre Schmach raͤchen und das
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/87>, abgerufen am 28.11.2024.
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