überging, und die Blüthe dieser Stimmung mußte so¬ gar ein Gedicht an mich sein! Da ein Gedicht von Schleiermacher an mich jedenfalls etwas Phänomenhaftes ist, so muß ich diese Zeilen hier wohl mittheilen. Der Anlaß war folgender: Ich hatte scherzend erklärt, ich würde für die jungen Damen nichts mehr ausschneiden, wenn sie nicht meine Bildchen durch Gegengeschenke erwiederten, wozu sie durch allerlei kleine Handarbeiten leicht Rath finden könnten. Die Forderung galt für höchst anmassend, und sollte durch einen empfindlichen Streich gerügt werden, wobei Schleiermacher die Worte zu liefern übernahm. Sie geriethen ihm aber ganz über Erwartung angenehm und schmeichelhaft. Ich empfing nämlich an meinem nächsten Geburtstage von unbekannter Hand ein Kästchen, bei dessen Eröffnung mir zuerst ein Blatt Papier in's Auge fiel, zierlich beschrieben, Verse, die also lauteten:
An Varnhagen.
Zum 21. Februar 1808.
Dichter lassen gern sich schenken, Freun sich schöner Angedenken, Wollen ausgezeichnet sein; Drum empfange heut die Gaben, Welche wir bereitet haben, Freundlich so gedenkend dein.
Du verachtest nicht das Kleine, Liebst vielmehr das Zierlichfeine,
uͤberging, und die Bluͤthe dieſer Stimmung mußte ſo¬ gar ein Gedicht an mich ſein! Da ein Gedicht von Schleiermacher an mich jedenfalls etwas Phaͤnomenhaftes iſt, ſo muß ich dieſe Zeilen hier wohl mittheilen. Der Anlaß war folgender: Ich hatte ſcherzend erklaͤrt, ich wuͤrde fuͤr die jungen Damen nichts mehr ausſchneiden, wenn ſie nicht meine Bildchen durch Gegengeſchenke erwiederten, wozu ſie durch allerlei kleine Handarbeiten leicht Rath finden koͤnnten. Die Forderung galt fuͤr hoͤchſt anmaſſend, und ſollte durch einen empfindlichen Streich geruͤgt werden, wobei Schleiermacher die Worte zu liefern uͤbernahm. Sie geriethen ihm aber ganz uͤber Erwartung angenehm und ſchmeichelhaft. Ich empfing naͤmlich an meinem naͤchſten Geburtſtage von unbekannter Hand ein Kaͤſtchen, bei deſſen Eroͤffnung mir zuerſt ein Blatt Papier in's Auge fiel, zierlich beſchrieben, Verſe, die alſo lauteten:
An Varnhagen.
Zum 21. Februar 1808.
Dichter laſſen gern ſich ſchenken, Freun ſich ſchoͤner Angedenken, Wollen ausgezeichnet ſein; Drum empfange heut die Gaben, Welche wir bereitet haben, Freundlich ſo gedenkend dein.
Du verachteſt nicht das Kleine, Liebſt vielmehr das Zierlichfeine,
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uͤberging, und die Bluͤthe dieſer Stimmung mußte ſo¬
gar ein Gedicht an mich ſein! Da ein Gedicht von
Schleiermacher an mich jedenfalls etwas Phaͤnomenhaftes
iſt, ſo muß ich dieſe Zeilen hier wohl mittheilen. Der
Anlaß war folgender: Ich hatte ſcherzend erklaͤrt, ich
wuͤrde fuͤr die jungen Damen nichts mehr ausſchneiden,
wenn ſie nicht meine Bildchen durch Gegengeſchenke
erwiederten, wozu ſie durch allerlei kleine Handarbeiten
leicht Rath finden koͤnnten. Die Forderung galt fuͤr
hoͤchſt anmaſſend, und ſollte durch einen empfindlichen
Streich geruͤgt werden, wobei Schleiermacher die Worte
zu liefern uͤbernahm. Sie geriethen ihm aber ganz uͤber
Erwartung angenehm und ſchmeichelhaft. Ich empfing
naͤmlich an meinem naͤchſten Geburtſtage von unbekannter
Hand ein Kaͤſtchen, bei deſſen Eroͤffnung mir zuerſt ein
Blatt Papier in's Auge fiel, zierlich beſchrieben, Verſe,
die alſo lauteten:
An Varnhagen.
Zum 21. Februar 1808.
Dichter laſſen gern ſich ſchenken,
Freun ſich ſchoͤner Angedenken,
Wollen ausgezeichnet ſein;
Drum empfange heut die Gaben,
Welche wir bereitet haben,
Freundlich ſo gedenkend dein.
Du verachteſt nicht das Kleine,
Liebſt vielmehr das Zierlichfeine,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/73>, abgerufen am 26.11.2024.
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