gebrochen, und keine Möglichkeit einer Aussöhnung sich habe vorbehalten wollen, die er unter jeder Bedin¬ gung zu verschmähen fand, während manche öffent¬ liche Blätter durch Rücksichten und Glimpf aller Art noch sorgfältig diese Möglichkeit zu erhalten bedacht waren.
Nicht unerwähnt vorbeigehen dürfen wir hier das Mädchen von Lüneburg, Johanna Stegen, welche am Tage des Treffens, in welchen der General von Dörn¬ berg den Sieg über den General Morand hier erfocht, mit hochherzigem Muthe den preußischen Jägern, die sich verschossen hatten, inmitten des Gefechts Patronen in ihrer Schürze zutrug. Als die Franzosen endlich wieder Meister von Lüneburg wurden, hatte sie sich verstecken müssen, und auch späterhin noch manche Be¬ drohung, manche Härte von Seiten der Fremden und sogar mancher Einheimischen erfahren müssen, bis sich die Erinnerung ihrer That nach und nach in der Stille des untergeordneten Lebens verlor. Tettenborn aber ließ sie aufsuchen und zu Tische einladen, als eine würdige Kriegsgenossin; ihr Betragen war hier eben so unbefangen sittsam, als es dort unbefangen muthig gewesen war. Um sie nicht neuer Rache des Feindes auszusetzen, wurde sie, die bald entschlossen war, alte Verhältnisse gegen neue zu vertauschen, mit für sie günstiger Aussicht nach Berlin befördert. Es ist ein Zeichen des Geistes, der unsern Krieg belebte, daß
gebrochen, und keine Moͤglichkeit einer Ausſoͤhnung ſich habe vorbehalten wollen, die er unter jeder Bedin¬ gung zu verſchmaͤhen fand, waͤhrend manche oͤffent¬ liche Blaͤtter durch Ruͤckſichten und Glimpf aller Art noch ſorgfaͤltig dieſe Moͤglichkeit zu erhalten bedacht waren.
Nicht unerwaͤhnt vorbeigehen duͤrfen wir hier das Maͤdchen von Luͤneburg, Johanna Stegen, welche am Tage des Treffens, in welchen der General von Doͤrn¬ berg den Sieg uͤber den General Morand hier erfocht, mit hochherzigem Muthe den preußiſchen Jaͤgern, die ſich verſchoſſen hatten, inmitten des Gefechts Patronen in ihrer Schuͤrze zutrug. Als die Franzoſen endlich wieder Meiſter von Luͤneburg wurden, hatte ſie ſich verſtecken muͤſſen, und auch ſpaͤterhin noch manche Be¬ drohung, manche Haͤrte von Seiten der Fremden und ſogar mancher Einheimiſchen erfahren muͤſſen, bis ſich die Erinnerung ihrer That nach und nach in der Stille des untergeordneten Lebens verlor. Tettenborn aber ließ ſie aufſuchen und zu Tiſche einladen, als eine wuͤrdige Kriegsgenoſſin; ihr Betragen war hier eben ſo unbefangen ſittſam, als es dort unbefangen muthig geweſen war. Um ſie nicht neuer Rache des Feindes auszuſetzen, wurde ſie, die bald entſchloſſen war, alte Verhaͤltniſſe gegen neue zu vertauſchen, mit fuͤr ſie guͤnſtiger Ausſicht nach Berlin befoͤrdert. Es iſt ein Zeichen des Geiſtes, der unſern Krieg belebte, daß
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0465"n="453"/>
gebrochen, und keine Moͤglichkeit einer Ausſoͤhnung ſich<lb/>
habe vorbehalten wollen, die er unter jeder Bedin¬<lb/>
gung zu verſchmaͤhen fand, waͤhrend manche oͤffent¬<lb/>
liche Blaͤtter durch Ruͤckſichten und Glimpf aller Art<lb/>
noch ſorgfaͤltig dieſe Moͤglichkeit zu erhalten bedacht<lb/>
waren.</p><lb/><p>Nicht unerwaͤhnt vorbeigehen duͤrfen wir hier das<lb/>
Maͤdchen von Luͤneburg, Johanna Stegen, welche am<lb/>
Tage des Treffens, in welchen der General von Doͤrn¬<lb/>
berg den Sieg uͤber den General Morand hier erfocht,<lb/>
mit hochherzigem Muthe den preußiſchen Jaͤgern, die<lb/>ſich verſchoſſen hatten, inmitten des Gefechts Patronen<lb/>
in ihrer Schuͤrze zutrug. Als die Franzoſen endlich<lb/>
wieder Meiſter von Luͤneburg wurden, hatte ſie ſich<lb/>
verſtecken muͤſſen, und auch ſpaͤterhin noch manche Be¬<lb/>
drohung, manche Haͤrte von Seiten der Fremden und<lb/>ſogar mancher Einheimiſchen erfahren muͤſſen, bis ſich<lb/>
die Erinnerung ihrer That nach und nach in der Stille<lb/>
des untergeordneten Lebens verlor. Tettenborn aber<lb/>
ließ ſie aufſuchen und zu Tiſche einladen, als eine<lb/>
wuͤrdige Kriegsgenoſſin; ihr Betragen war hier eben<lb/>ſo unbefangen ſittſam, als es dort unbefangen muthig<lb/>
geweſen war. Um ſie nicht neuer Rache des Feindes<lb/>
auszuſetzen, wurde ſie, die bald entſchloſſen war, alte<lb/>
Verhaͤltniſſe gegen neue zu vertauſchen, mit fuͤr ſie<lb/>
guͤnſtiger Ausſicht nach Berlin befoͤrdert. Es iſt ein<lb/>
Zeichen des Geiſtes, der unſern Krieg belebte, daß<lb/></p></div></body></text></TEI>
[453/0465]
gebrochen, und keine Moͤglichkeit einer Ausſoͤhnung ſich
habe vorbehalten wollen, die er unter jeder Bedin¬
gung zu verſchmaͤhen fand, waͤhrend manche oͤffent¬
liche Blaͤtter durch Ruͤckſichten und Glimpf aller Art
noch ſorgfaͤltig dieſe Moͤglichkeit zu erhalten bedacht
waren.
Nicht unerwaͤhnt vorbeigehen duͤrfen wir hier das
Maͤdchen von Luͤneburg, Johanna Stegen, welche am
Tage des Treffens, in welchen der General von Doͤrn¬
berg den Sieg uͤber den General Morand hier erfocht,
mit hochherzigem Muthe den preußiſchen Jaͤgern, die
ſich verſchoſſen hatten, inmitten des Gefechts Patronen
in ihrer Schuͤrze zutrug. Als die Franzoſen endlich
wieder Meiſter von Luͤneburg wurden, hatte ſie ſich
verſtecken muͤſſen, und auch ſpaͤterhin noch manche Be¬
drohung, manche Haͤrte von Seiten der Fremden und
ſogar mancher Einheimiſchen erfahren muͤſſen, bis ſich
die Erinnerung ihrer That nach und nach in der Stille
des untergeordneten Lebens verlor. Tettenborn aber
ließ ſie aufſuchen und zu Tiſche einladen, als eine
wuͤrdige Kriegsgenoſſin; ihr Betragen war hier eben
ſo unbefangen ſittſam, als es dort unbefangen muthig
geweſen war. Um ſie nicht neuer Rache des Feindes
auszuſetzen, wurde ſie, die bald entſchloſſen war, alte
Verhaͤltniſſe gegen neue zu vertauſchen, mit fuͤr ſie
guͤnſtiger Ausſicht nach Berlin befoͤrdert. Es iſt ein
Zeichen des Geiſtes, der unſern Krieg belebte, daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/465>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.