Aufgabe glaubte man bisweilen darin zu vermissen, und statt derselben nur ein Gewebe dunkler Vorstellun¬ gen zu finden. Sie alle zu befolgen, war schon we¬ gen der Widersprüche unmöglich, sie auch nur theil¬ weise auszuführen immer mißlich. Diese dem Ober¬ befehlshaber häufig vorgeworfene Unbestimmtheit findet gleichwohl wieder eine Entschuldigung in seinen eignen höchst peinlichen Verhältnissen; sein persönliches Gewicht war zusammengesetzt aus dem der verschiednen Mächte, deren Bundesgenosse er war, und jeden Augenblick mußte er dieses bei denen selbst geltend machen, die es ihm verliehen; die Schweden sahen mißtrauisch auf die künftigen Vortheile, welche sie durch vorausgeleistete Dienste erst eintauschen sollten; die russischen und preu¬ ßischen Generale, welche unter dem Oberbefehl des Kronprinzen standen, zeigten offenbaren Widerwillen gegen dies Verhältniß, das bald in lauter Mißhellig¬ keiten bestand, und in gemischten Rücksichten die Macht eines gebietenden Feldherrn sehr beschränkte. Der Kron¬ prinz, um dieser Abneigung so wenig als möglich Wirk¬ samkeit zu lassen, mochte seine eigentlichen Absichten und Wünsche nicht im voraus immer preisgeben, son¬ dern glaubte sie gewisser auszuführen, wenn er erst im Augenblicke selbst, wo die Gelegenheit es forderte, sich mit fester Bestimmtheit ausspräche, bis dahin aber alles in dunkler Unsicherheit schweben ließe. Wir müs¬ sen zugestehen, daß er im Ganzen dieser Kriegführung
Aufgabe glaubte man bisweilen darin zu vermiſſen, und ſtatt derſelben nur ein Gewebe dunkler Vorſtellun¬ gen zu finden. Sie alle zu befolgen, war ſchon we¬ gen der Widerſpruͤche unmoͤglich, ſie auch nur theil¬ weiſe auszufuͤhren immer mißlich. Dieſe dem Ober¬ befehlshaber haͤufig vorgeworfene Unbeſtimmtheit findet gleichwohl wieder eine Entſchuldigung in ſeinen eignen hoͤchſt peinlichen Verhaͤltniſſen; ſein perſoͤnliches Gewicht war zuſammengeſetzt aus dem der verſchiednen Maͤchte, deren Bundesgenoſſe er war, und jeden Augenblick mußte er dieſes bei denen ſelbſt geltend machen, die es ihm verliehen; die Schweden ſahen mißtrauiſch auf die kuͤnftigen Vortheile, welche ſie durch vorausgeleiſtete Dienſte erſt eintauſchen ſollten; die ruſſiſchen und preu¬ ßiſchen Generale, welche unter dem Oberbefehl des Kronprinzen ſtanden, zeigten offenbaren Widerwillen gegen dies Verhaͤltniß, das bald in lauter Mißhellig¬ keiten beſtand, und in gemiſchten Ruͤckſichten die Macht eines gebietenden Feldherrn ſehr beſchraͤnkte. Der Kron¬ prinz, um dieſer Abneigung ſo wenig als moͤglich Wirk¬ ſamkeit zu laſſen, mochte ſeine eigentlichen Abſichten und Wuͤnſche nicht im voraus immer preisgeben, ſon¬ dern glaubte ſie gewiſſer auszufuͤhren, wenn er erſt im Augenblicke ſelbſt, wo die Gelegenheit es forderte, ſich mit feſter Beſtimmtheit ausſpraͤche, bis dahin aber alles in dunkler Unſicherheit ſchweben ließe. Wir muͤſ¬ ſen zugeſtehen, daß er im Ganzen dieſer Kriegfuͤhrung
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Aufgabe glaubte man bisweilen darin zu vermiſſen,
und ſtatt derſelben nur ein Gewebe dunkler Vorſtellun¬
gen zu finden. Sie alle zu befolgen, war ſchon we¬
gen der Widerſpruͤche unmoͤglich, ſie auch nur theil¬
weiſe auszufuͤhren immer mißlich. Dieſe dem Ober¬
befehlshaber haͤufig vorgeworfene Unbeſtimmtheit findet
gleichwohl wieder eine Entſchuldigung in ſeinen eignen
hoͤchſt peinlichen Verhaͤltniſſen; ſein perſoͤnliches Gewicht
war zuſammengeſetzt aus dem der verſchiednen Maͤchte,
deren Bundesgenoſſe er war, und jeden Augenblick
mußte er dieſes bei denen ſelbſt geltend machen, die
es ihm verliehen; die Schweden ſahen mißtrauiſch auf
die kuͤnftigen Vortheile, welche ſie durch vorausgeleiſtete
Dienſte erſt eintauſchen ſollten; die ruſſiſchen und preu¬
ßiſchen Generale, welche unter dem Oberbefehl des
Kronprinzen ſtanden, zeigten offenbaren Widerwillen
gegen dies Verhaͤltniß, das bald in lauter Mißhellig¬
keiten beſtand, und in gemiſchten Ruͤckſichten die Macht
eines gebietenden Feldherrn ſehr beſchraͤnkte. Der Kron¬
prinz, um dieſer Abneigung ſo wenig als moͤglich Wirk¬
ſamkeit zu laſſen, mochte ſeine eigentlichen Abſichten
und Wuͤnſche nicht im voraus immer preisgeben, ſon¬
dern glaubte ſie gewiſſer auszufuͤhren, wenn er erſt
im Augenblicke ſelbſt, wo die Gelegenheit es forderte,
ſich mit feſter Beſtimmtheit ausſpraͤche, bis dahin aber
alles in dunkler Unſicherheit ſchweben ließe. Wir muͤſ¬
ſen zugeſtehen, daß er im Ganzen dieſer Kriegfuͤhrung
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/443>, abgerufen am 23.11.2024.
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