ließ; er ahndete so wenig, was bei uns vorging, daß er noch ängstlicher als vorher sich auf seine Stellung beschränkte. Eine kühne Bewegung von seiner Seite in diesem Augenblick, und ein rasches Vordringen durch die Priegnitz in die Mark Brandenburg, hätte, in Verbindung mit den andern Bewegungen der Franzosen von Wittenberg und Magdeburg her, für Berlin höchst gefährlich, ja bei Davoust's Truppenzahl für den Feld¬ zug auf dieser Seite entscheidend werden können, we¬ nigstens würden ihm Tettenborn und Wallmoden, wenn ihm auch nicht gelungen wäre sie zu schlagen, immer rückwärts haben weichen müssen, und der Kronprinz, von allen Seiten bedroht, ja für seinen Rückzug nach Stralsund besorgt, hätte mit seinen geringen Kräften schwerlich Stand halten können. Allein Tettenborn löste glücklich die Aufgabe, von deren Wichtigkeit er durchdrungen war, und diese bangen Tage gingen vor¬ über, ohne daß der Feind unsere Lage erfahren hätte. Keine Nachricht drang zu ihm, kein Kourier fand einen unbesetzten Weg, überall schwärmten Kosaken, deren Anzahl durch ihre stete Bewegung unberechenbar groß erschien; die Patrouillen des Feindes, welche sich in die nur wenig von dem Lager entfernten Dörfer wag¬ ten, wurden jedesmal angegriffen, verjagt, und ließen immer mehrere Gefangene zurück; so gewann es den Anschein, als wenn wir, weit entfernt, einen Angriff zu fürchten, vielmehr selber anzugreifen bereit wären.
ließ; er ahndete ſo wenig, was bei uns vorging, daß er noch aͤngſtlicher als vorher ſich auf ſeine Stellung beſchraͤnkte. Eine kuͤhne Bewegung von ſeiner Seite in dieſem Augenblick, und ein raſches Vordringen durch die Priegnitz in die Mark Brandenburg, haͤtte, in Verbindung mit den andern Bewegungen der Franzoſen von Wittenberg und Magdeburg her, fuͤr Berlin hoͤchſt gefaͤhrlich, ja bei Davouſt's Truppenzahl fuͤr den Feld¬ zug auf dieſer Seite entſcheidend werden koͤnnen, we¬ nigſtens wuͤrden ihm Tettenborn und Wallmoden, wenn ihm auch nicht gelungen waͤre ſie zu ſchlagen, immer ruͤckwaͤrts haben weichen muͤſſen, und der Kronprinz, von allen Seiten bedroht, ja fuͤr ſeinen Ruͤckzug nach Stralſund beſorgt, haͤtte mit ſeinen geringen Kraͤften ſchwerlich Stand halten koͤnnen. Allein Tettenborn loͤſte gluͤcklich die Aufgabe, von deren Wichtigkeit er durchdrungen war, und dieſe bangen Tage gingen vor¬ uͤber, ohne daß der Feind unſere Lage erfahren haͤtte. Keine Nachricht drang zu ihm, kein Kourier fand einen unbeſetzten Weg, uͤberall ſchwaͤrmten Koſaken, deren Anzahl durch ihre ſtete Bewegung unberechenbar groß erſchien; die Patrouillen des Feindes, welche ſich in die nur wenig von dem Lager entfernten Doͤrfer wag¬ ten, wurden jedesmal angegriffen, verjagt, und ließen immer mehrere Gefangene zuruͤck; ſo gewann es den Anſchein, als wenn wir, weit entfernt, einen Angriff zu fuͤrchten, vielmehr ſelber anzugreifen bereit waͤren.
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ließ; er ahndete ſo wenig, was bei uns vorging, daß
er noch aͤngſtlicher als vorher ſich auf ſeine Stellung
beſchraͤnkte. Eine kuͤhne Bewegung von ſeiner Seite
in dieſem Augenblick, und ein raſches Vordringen durch
die Priegnitz in die Mark Brandenburg, haͤtte, in
Verbindung mit den andern Bewegungen der Franzoſen
von Wittenberg und Magdeburg her, fuͤr Berlin hoͤchſt
gefaͤhrlich, ja bei Davouſt's Truppenzahl fuͤr den Feld¬
zug auf dieſer Seite entſcheidend werden koͤnnen, we¬
nigſtens wuͤrden ihm Tettenborn und Wallmoden, wenn
ihm auch nicht gelungen waͤre ſie zu ſchlagen, immer
ruͤckwaͤrts haben weichen muͤſſen, und der Kronprinz,
von allen Seiten bedroht, ja fuͤr ſeinen Ruͤckzug nach
Stralſund beſorgt, haͤtte mit ſeinen geringen Kraͤften
ſchwerlich Stand halten koͤnnen. Allein Tettenborn
loͤſte gluͤcklich die Aufgabe, von deren Wichtigkeit er
durchdrungen war, und dieſe bangen Tage gingen vor¬
uͤber, ohne daß der Feind unſere Lage erfahren haͤtte.
Keine Nachricht drang zu ihm, kein Kourier fand einen
unbeſetzten Weg, uͤberall ſchwaͤrmten Koſaken, deren
Anzahl durch ihre ſtete Bewegung unberechenbar groß
erſchien; die Patrouillen des Feindes, welche ſich in
die nur wenig von dem Lager entfernten Doͤrfer wag¬
ten, wurden jedesmal angegriffen, verjagt, und ließen
immer mehrere Gefangene zuruͤck; ſo gewann es den
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/426>, abgerufen am 24.11.2024.
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