Zufolge gegenseitiger Uebereinkunft wurde die russi¬ sche Waffenstillstandslinie von dem Ausflusse der Trave vorwärts Ratzeburg, Mölln und Lauenburg an die Elbe gezogen, die französische lief vor Lübeck und Bergedorf hin, die zwischen beiden Linien eingeschlossene Strecke wurde für neutral erklärt, und sollte von beiden Thei¬ len unbesetzt bleiben. Die Neigung der Franzosen zur gewaltsamen Anmaßung und zur Uebertretung der Ver¬ träge, so oft nur, nicht einmal immer ihr Vortheil, sondern bloße Laune aus Gewohnheit sie dazu anreizte, blieb während aller wechselnden Zustände des Krieges immer dieselbe, und auch hier wurden sie nicht müde das neutrale Gebiet zu betreten und auszubeuten, und sich über Verletzungen von unsrer Seite zu beschweren, so wenig auch jemals Anlaß dazu war. Tettenborn beantwortete ihre Beschwerden mit verachtendem Schwei¬ gen, und ließ ihre thatsächlichen Eingriffe durch den seine Vorposten befehligenden General Denisoff kräftig zuruckweisen. Er selbst nahm sein Hauptquartier in Boitzenburg.
Während dieses langen und verlängerten Waffen¬ stillstandes entwickelten und gestalteten sich die Kräfte der Verbündeten in außerordentlichen Anstrengungen zu großem Umfang und innerer Stärke, denen selbst Napoleon mit seiner ungeheuern Thätigkeit in den schon völlig auf den Krieg berechneten Verwaltungsmitteln seines großen Reichs, wie die Folge gezeigt, nicht
Zufolge gegenſeitiger Uebereinkunft wurde die ruſſi¬ ſche Waffenſtillſtandslinie von dem Ausfluſſe der Trave vorwaͤrts Ratzeburg, Moͤlln und Lauenburg an die Elbe gezogen, die franzoͤſiſche lief vor Luͤbeck und Bergedorf hin, die zwiſchen beiden Linien eingeſchloſſene Strecke wurde fuͤr neutral erklaͤrt, und ſollte von beiden Thei¬ len unbeſetzt bleiben. Die Neigung der Franzoſen zur gewaltſamen Anmaßung und zur Uebertretung der Ver¬ traͤge, ſo oft nur, nicht einmal immer ihr Vortheil, ſondern bloße Laune aus Gewohnheit ſie dazu anreizte, blieb waͤhrend aller wechſelnden Zuſtaͤnde des Krieges immer dieſelbe, und auch hier wurden ſie nicht muͤde das neutrale Gebiet zu betreten und auszubeuten, und ſich uͤber Verletzungen von unſrer Seite zu beſchweren, ſo wenig auch jemals Anlaß dazu war. Tettenborn beantwortete ihre Beſchwerden mit verachtendem Schwei¬ gen, und ließ ihre thatſaͤchlichen Eingriffe durch den ſeine Vorpoſten befehligenden General Deniſoff kraͤftig zuruckweiſen. Er ſelbſt nahm ſein Hauptquartier in Boitzenburg.
Waͤhrend dieſes langen und verlaͤngerten Waffen¬ ſtillſtandes entwickelten und geſtalteten ſich die Kraͤfte der Verbuͤndeten in außerordentlichen Anſtrengungen zu großem Umfang und innerer Staͤrke, denen ſelbſt Napoleon mit ſeiner ungeheuern Thaͤtigkeit in den ſchon voͤllig auf den Krieg berechneten Verwaltungsmitteln ſeines großen Reichs, wie die Folge gezeigt, nicht
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Zufolge gegenſeitiger Uebereinkunft wurde die ruſſi¬
ſche Waffenſtillſtandslinie von dem Ausfluſſe der Trave
vorwaͤrts Ratzeburg, Moͤlln und Lauenburg an die Elbe
gezogen, die franzoͤſiſche lief vor Luͤbeck und Bergedorf
hin, die zwiſchen beiden Linien eingeſchloſſene Strecke
wurde fuͤr neutral erklaͤrt, und ſollte von beiden Thei¬
len unbeſetzt bleiben. Die Neigung der Franzoſen zur
gewaltſamen Anmaßung und zur Uebertretung der Ver¬
traͤge, ſo oft nur, nicht einmal immer ihr Vortheil,
ſondern bloße Laune aus Gewohnheit ſie dazu anreizte,
blieb waͤhrend aller wechſelnden Zuſtaͤnde des Krieges
immer dieſelbe, und auch hier wurden ſie nicht muͤde
das neutrale Gebiet zu betreten und auszubeuten, und
ſich uͤber Verletzungen von unſrer Seite zu beſchweren,
ſo wenig auch jemals Anlaß dazu war. Tettenborn
beantwortete ihre Beſchwerden mit verachtendem Schwei¬
gen, und ließ ihre thatſaͤchlichen Eingriffe durch den
ſeine Vorpoſten befehligenden General Deniſoff kraͤftig
zuruckweiſen. Er ſelbſt nahm ſein Hauptquartier in
Boitzenburg.
Waͤhrend dieſes langen und verlaͤngerten Waffen¬
ſtillſtandes entwickelten und geſtalteten ſich die Kraͤfte
der Verbuͤndeten in außerordentlichen Anſtrengungen
zu großem Umfang und innerer Staͤrke, denen ſelbſt
Napoleon mit ſeiner ungeheuern Thaͤtigkeit in den ſchon
voͤllig auf den Krieg berechneten Verwaltungsmitteln
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/404>, abgerufen am 28.11.2024.
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