Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

zu nennen, aber in seinen Händen sah man erstaunt
alle Früchte des Sieges, eingenommene Länder, be¬
zwungene Völker, bestärkte und neue Bundesgenossen.
Das russische Heer mußte besorglich gewahr werden,
welch neue Wechselfälle so fern von der Heimath ihm
zu bestehen waren; die preußischen Truppen konnten
die im Rücken liegenden Landesstrecken ermessen, welche
fast sicher der Schauplatz, aber nur ungewiß die Mit¬
tel des weiteren Krieges darboten. Die Schweden
harrten, an die Küsten der Ostsee zurückgezogen, auf
den Abschluß der zum Theil schwierigen Bedingungen,
unter denen sie dem Bunde gegen Napoleon beitraten;
ihre Hülfe schien überdies für jetzt durch den neuen
Feind aufgewogen, den grade sie am meisten uns in
den Dänen erweckt hatten. Oesterreich rüstete, aber sein
Beitritt zu dem Bunde war noch keineswegs erklärt,
und die schwebende Ungewißheit erregte Unruhe und
Sorgen. Der Feind, wieder im Besitz von Sachsen
und einem Theile Schlesiens, bot in aller seiner Macht
unterworfenen Ländern die gewaltigsten Anstrengungen
auf, und seine Heere wuchsen täglich an Zahl und Ver¬
trauen. Mißlich und gefahrvoll stand die zusammen¬
gesetzte Befehlsmacht der Verbündeten dem kriegerischen
Alleingebieten des furchtbarsten Schlachtengewinners ge¬
genüber, dem das Glück wieder zu lächeln schien. Eine
dumpfe Verzweiflung war über das nördliche Deutsch¬
land ausgebreitet; das Verhängniß schien die Anstren¬

III. 25

zu nennen, aber in ſeinen Haͤnden ſah man erſtaunt
alle Fruͤchte des Sieges, eingenommene Laͤnder, be¬
zwungene Voͤlker, beſtaͤrkte und neue Bundesgenoſſen.
Das ruſſiſche Heer mußte beſorglich gewahr werden,
welch neue Wechſelfaͤlle ſo fern von der Heimath ihm
zu beſtehen waren; die preußiſchen Truppen konnten
die im Ruͤcken liegenden Landesſtrecken ermeſſen, welche
faſt ſicher der Schauplatz, aber nur ungewiß die Mit¬
tel des weiteren Krieges darboten. Die Schweden
harrten, an die Kuͤſten der Oſtſee zuruͤckgezogen, auf
den Abſchluß der zum Theil ſchwierigen Bedingungen,
unter denen ſie dem Bunde gegen Napoleon beitraten;
ihre Huͤlfe ſchien uͤberdies fuͤr jetzt durch den neuen
Feind aufgewogen, den grade ſie am meiſten uns in
den Daͤnen erweckt hatten. Oeſterreich ruͤſtete, aber ſein
Beitritt zu dem Bunde war noch keineswegs erklaͤrt,
und die ſchwebende Ungewißheit erregte Unruhe und
Sorgen. Der Feind, wieder im Beſitz von Sachſen
und einem Theile Schleſiens, bot in aller ſeiner Macht
unterworfenen Laͤndern die gewaltigſten Anſtrengungen
auf, und ſeine Heere wuchſen taͤglich an Zahl und Ver¬
trauen. Mißlich und gefahrvoll ſtand die zuſammen¬
geſetzte Befehlsmacht der Verbuͤndeten dem kriegeriſchen
Alleingebieten des furchtbarſten Schlachtengewinners ge¬
genuͤber, dem das Gluͤck wieder zu laͤcheln ſchien. Eine
dumpfe Verzweiflung war uͤber das noͤrdliche Deutſch¬
land ausgebreitet; das Verhaͤngniß ſchien die Anſtren¬

III. 25
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0397" n="385"/>
zu nennen, aber in &#x017F;einen Ha&#x0364;nden &#x017F;ah man er&#x017F;taunt<lb/>
alle Fru&#x0364;chte des Sieges, eingenommene La&#x0364;nder, be¬<lb/>
zwungene Vo&#x0364;lker, be&#x017F;ta&#x0364;rkte und neue Bundesgeno&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Das ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Heer mußte be&#x017F;orglich gewahr werden,<lb/>
welch neue Wech&#x017F;elfa&#x0364;lle &#x017F;o fern von der Heimath ihm<lb/>
zu be&#x017F;tehen waren; die preußi&#x017F;chen Truppen konnten<lb/>
die im Ru&#x0364;cken liegenden Landes&#x017F;trecken erme&#x017F;&#x017F;en, welche<lb/>
fa&#x017F;t &#x017F;icher der Schauplatz, aber nur ungewiß die Mit¬<lb/>
tel des weiteren Krieges darboten. Die Schweden<lb/>
harrten, an die Ku&#x0364;&#x017F;ten der O&#x017F;t&#x017F;ee zuru&#x0364;ckgezogen, auf<lb/>
den Ab&#x017F;chluß der zum Theil &#x017F;chwierigen Bedingungen,<lb/>
unter denen &#x017F;ie dem Bunde gegen Napoleon beitraten;<lb/>
ihre Hu&#x0364;lfe &#x017F;chien u&#x0364;berdies fu&#x0364;r jetzt durch den neuen<lb/>
Feind aufgewogen, den grade &#x017F;ie am mei&#x017F;ten uns in<lb/>
den Da&#x0364;nen erweckt hatten. Oe&#x017F;terreich ru&#x0364;&#x017F;tete, aber &#x017F;ein<lb/>
Beitritt zu dem Bunde war noch keineswegs erkla&#x0364;rt,<lb/>
und die &#x017F;chwebende Ungewißheit erregte Unruhe und<lb/>
Sorgen. Der Feind, wieder im Be&#x017F;itz von Sach&#x017F;en<lb/>
und einem Theile Schle&#x017F;iens, bot in aller &#x017F;einer Macht<lb/>
unterworfenen La&#x0364;ndern die gewaltig&#x017F;ten An&#x017F;trengungen<lb/>
auf, und &#x017F;eine Heere wuch&#x017F;en ta&#x0364;glich an Zahl und Ver¬<lb/>
trauen. Mißlich und gefahrvoll &#x017F;tand die zu&#x017F;ammen¬<lb/>
ge&#x017F;etzte Befehlsmacht der Verbu&#x0364;ndeten dem kriegeri&#x017F;chen<lb/>
Alleingebieten des furchtbar&#x017F;ten Schlachtengewinners ge¬<lb/>
genu&#x0364;ber, dem das Glu&#x0364;ck wieder zu la&#x0364;cheln &#x017F;chien. Eine<lb/>
dumpfe Verzweiflung war u&#x0364;ber das no&#x0364;rdliche Deut&#x017F;ch¬<lb/>
land ausgebreitet; das Verha&#x0364;ngniß &#x017F;chien die An&#x017F;tren¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#b">25</hi><lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[385/0397] zu nennen, aber in ſeinen Haͤnden ſah man erſtaunt alle Fruͤchte des Sieges, eingenommene Laͤnder, be¬ zwungene Voͤlker, beſtaͤrkte und neue Bundesgenoſſen. Das ruſſiſche Heer mußte beſorglich gewahr werden, welch neue Wechſelfaͤlle ſo fern von der Heimath ihm zu beſtehen waren; die preußiſchen Truppen konnten die im Ruͤcken liegenden Landesſtrecken ermeſſen, welche faſt ſicher der Schauplatz, aber nur ungewiß die Mit¬ tel des weiteren Krieges darboten. Die Schweden harrten, an die Kuͤſten der Oſtſee zuruͤckgezogen, auf den Abſchluß der zum Theil ſchwierigen Bedingungen, unter denen ſie dem Bunde gegen Napoleon beitraten; ihre Huͤlfe ſchien uͤberdies fuͤr jetzt durch den neuen Feind aufgewogen, den grade ſie am meiſten uns in den Daͤnen erweckt hatten. Oeſterreich ruͤſtete, aber ſein Beitritt zu dem Bunde war noch keineswegs erklaͤrt, und die ſchwebende Ungewißheit erregte Unruhe und Sorgen. Der Feind, wieder im Beſitz von Sachſen und einem Theile Schleſiens, bot in aller ſeiner Macht unterworfenen Laͤndern die gewaltigſten Anſtrengungen auf, und ſeine Heere wuchſen taͤglich an Zahl und Ver¬ trauen. Mißlich und gefahrvoll ſtand die zuſammen¬ geſetzte Befehlsmacht der Verbuͤndeten dem kriegeriſchen Alleingebieten des furchtbarſten Schlachtengewinners ge¬ genuͤber, dem das Gluͤck wieder zu laͤcheln ſchien. Eine dumpfe Verzweiflung war uͤber das noͤrdliche Deutſch¬ land ausgebreitet; das Verhaͤngniß ſchien die Anſtren¬ III. 25

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/397
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/397>, abgerufen am 25.11.2024.