Am folgenden Tage, den 11. Mai, blieb alles ruhig. Es kam ein französischer Parlementair, der Oberstlieutenant Revest, vom Generalstabe des Gene¬ rals Vandamme, auf der Elbe am Eingange des Ha¬ fens an, und wurde von dort unter Begleitung zweier Offiziere nach dem Baumhause gebracht. Sein Ver¬ langen, den General Tettenborn zu sprechen, wurde ihm rund abgeschlagen, daher er sich bequemen mußte, ein Schreiben vom General Vandamme abzugeben, und seinen mündlichen Auftrag den beiden Offizieren zu sagen. Er begann mit der prahlerischen Erwähnung des Siegs, welchen Napoleon bei Lützen erfochten habe, und schloß mit der Aufforderung, daß die Russen Ham¬ burg, um diese wichtige Stadt nicht der Verwüstung auszusetzen, durch Vertrag übergeben sollten. Einige zurechtweisende Antworten brachten ihn bald außer Fas¬ sung, und er wußte nun in seinem Aerger bloß über die lange Zeit zu klagen, die er auf Antwort warten mußte, da man sein Schreiben nach dem Letzten Heller hatte schicken müssen, wo Tettenborn dasselbe erst bei seiner Wiederkehr von einer Besichtigung vorfand, und dann sogleich beantwortete. Gegen Abend fuhr der Parlementair ab, nicht ohne Schauder über den An¬ blick des zahllos am Hafen wimmelnden Volkes, das in seiner Wuth kaum zu zügeln war. Als es dunkel geworden, kam er unvermuthet zurück, unter Betheu¬ rungen, daß die Franzosen ihn jetzt nicht mehr erken¬
Am folgenden Tage, den 11. Mai, blieb alles ruhig. Es kam ein franzoͤſiſcher Parlementair, der Oberſtlieutenant Reveſt, vom Generalſtabe des Gene¬ rals Vandamme, auf der Elbe am Eingange des Ha¬ fens an, und wurde von dort unter Begleitung zweier Offiziere nach dem Baumhauſe gebracht. Sein Ver¬ langen, den General Tettenborn zu ſprechen, wurde ihm rund abgeſchlagen, daher er ſich bequemen mußte, ein Schreiben vom General Vandamme abzugeben, und ſeinen muͤndlichen Auftrag den beiden Offizieren zu ſagen. Er begann mit der prahleriſchen Erwaͤhnung des Siegs, welchen Napoleon bei Luͤtzen erfochten habe, und ſchloß mit der Aufforderung, daß die Ruſſen Ham¬ burg, um dieſe wichtige Stadt nicht der Verwuͤſtung auszuſetzen, durch Vertrag uͤbergeben ſollten. Einige zurechtweiſende Antworten brachten ihn bald außer Faſ¬ ſung, und er wußte nun in ſeinem Aerger bloß uͤber die lange Zeit zu klagen, die er auf Antwort warten mußte, da man ſein Schreiben nach dem Letzten Heller hatte ſchicken muͤſſen, wo Tettenborn daſſelbe erſt bei ſeiner Wiederkehr von einer Beſichtigung vorfand, und dann ſogleich beantwortete. Gegen Abend fuhr der Parlementair ab, nicht ohne Schauder uͤber den An¬ blick des zahllos am Hafen wimmelnden Volkes, das in ſeiner Wuth kaum zu zuͤgeln war. Als es dunkel geworden, kam er unvermuthet zuruͤck, unter Betheu¬ rungen, daß die Franzoſen ihn jetzt nicht mehr erken¬
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Am folgenden Tage, den 11. Mai, blieb alles
ruhig. Es kam ein franzoͤſiſcher Parlementair, der
Oberſtlieutenant Reveſt, vom Generalſtabe des Gene¬
rals Vandamme, auf der Elbe am Eingange des Ha¬
fens an, und wurde von dort unter Begleitung zweier
Offiziere nach dem Baumhauſe gebracht. Sein Ver¬
langen, den General Tettenborn zu ſprechen, wurde
ihm rund abgeſchlagen, daher er ſich bequemen mußte,
ein Schreiben vom General Vandamme abzugeben, und
ſeinen muͤndlichen Auftrag den beiden Offizieren zu
ſagen. Er begann mit der prahleriſchen Erwaͤhnung
des Siegs, welchen Napoleon bei Luͤtzen erfochten habe,
und ſchloß mit der Aufforderung, daß die Ruſſen Ham¬
burg, um dieſe wichtige Stadt nicht der Verwuͤſtung
auszuſetzen, durch Vertrag uͤbergeben ſollten. Einige
zurechtweiſende Antworten brachten ihn bald außer Faſ¬
ſung, und er wußte nun in ſeinem Aerger bloß uͤber
die lange Zeit zu klagen, die er auf Antwort warten
mußte, da man ſein Schreiben nach dem Letzten Heller
hatte ſchicken muͤſſen, wo Tettenborn daſſelbe erſt bei
ſeiner Wiederkehr von einer Beſichtigung vorfand, und
dann ſogleich beantwortete. Gegen Abend fuhr der
Parlementair ab, nicht ohne Schauder uͤber den An¬
blick des zahllos am Hafen wimmelnden Volkes, das
in ſeiner Wuth kaum zu zuͤgeln war. Als es dunkel
geworden, kam er unvermuthet zuruͤck, unter Betheu¬
rungen, daß die Franzoſen ihn jetzt nicht mehr erken¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/357>, abgerufen am 22.11.2024.
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