großer Geschäftskenntniß und strenger Rechtschaffenheit erworben, und wiewohl er seitdem in Preußen aus aller Staatsthätigkeit zurückgetreten war, um sich ganz seinen gelehrten Arbeiten zu widmen, so hatte er doch diese bei dem ersten Schimmer der bessern Hoffnungen wieder verlassen, in Berlin ein neues Tagblatt den preußischen Korrespondenten gegründet, und suchte kräf¬ tigst im vaterländischen Sinn einzuwirken. Mit Per¬ thes, Heß, mit Dehn in Altona, und vielen Andern, stand er in freundschaftlichen Beziehungen; es war die Rede davon, aus eignem Antrieb ihn zu berufen, da er denn, an der Spitze solchen Zutrauens, leicht die Bestätigung abseiten der Mächte würde empfangen ha¬ ben. Das Gerücht nannte bald auch andre preußische Staatsbeamte, denen die Verwaltung der Hansestädte abseiten Stein's zugedacht sein sollte, und mit Wohl¬ gefallen wurde der Name Stägemann vernommen; allein die Ernennung verzögerte sich, und fiel endlich auf keinen der Genannten, sondern auf den russischen Geheimen Rath von Alopeus, den ältern der beiden Brüder, einen Mann von starkem Karakter und von großem Ruf in der Diplomatik, der aber selbst be¬ kannte, sich in seiner neuen Bestimmung noch ziemlich fremd zu fühlen. Er war zum Kommissarius für die deutschen Länder nördlich der Elbe bestellt, traf aber in einer Zeit ein, wo Hamburg schon täglich in Gefahr schwebte, und er blieb daher in Mecklenburg, wo er
großer Geſchaͤftskenntniß und ſtrenger Rechtſchaffenheit erworben, und wiewohl er ſeitdem in Preußen aus aller Staatsthaͤtigkeit zuruͤckgetreten war, um ſich ganz ſeinen gelehrten Arbeiten zu widmen, ſo hatte er doch dieſe bei dem erſten Schimmer der beſſern Hoffnungen wieder verlaſſen, in Berlin ein neues Tagblatt den preußiſchen Korreſpondenten gegruͤndet, und ſuchte kraͤf¬ tigſt im vaterlaͤndiſchen Sinn einzuwirken. Mit Per¬ thes, Heß, mit Dehn in Altona, und vielen Andern, ſtand er in freundſchaftlichen Beziehungen; es war die Rede davon, aus eignem Antrieb ihn zu berufen, da er denn, an der Spitze ſolchen Zutrauens, leicht die Beſtaͤtigung abſeiten der Maͤchte wuͤrde empfangen ha¬ ben. Das Geruͤcht nannte bald auch andre preußiſche Staatsbeamte, denen die Verwaltung der Hanſeſtaͤdte abſeiten Stein's zugedacht ſein ſollte, und mit Wohl¬ gefallen wurde der Name Staͤgemann vernommen; allein die Ernennung verzoͤgerte ſich, und fiel endlich auf keinen der Genannten, ſondern auf den ruſſiſchen Geheimen Rath von Alopeus, den aͤltern der beiden Bruͤder, einen Mann von ſtarkem Karakter und von großem Ruf in der Diplomatik, der aber ſelbſt be¬ kannte, ſich in ſeiner neuen Beſtimmung noch ziemlich fremd zu fuͤhlen. Er war zum Kommiſſarius fuͤr die deutſchen Laͤnder noͤrdlich der Elbe beſtellt, traf aber in einer Zeit ein, wo Hamburg ſchon taͤglich in Gefahr ſchwebte, und er blieb daher in Mecklenburg, wo er
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großer Geſchaͤftskenntniß und ſtrenger Rechtſchaffenheit
erworben, und wiewohl er ſeitdem in Preußen aus
aller Staatsthaͤtigkeit zuruͤckgetreten war, um ſich ganz
ſeinen gelehrten Arbeiten zu widmen, ſo hatte er doch
dieſe bei dem erſten Schimmer der beſſern Hoffnungen
wieder verlaſſen, in Berlin ein neues Tagblatt den
preußiſchen Korreſpondenten gegruͤndet, und ſuchte kraͤf¬
tigſt im vaterlaͤndiſchen Sinn einzuwirken. Mit Per¬
thes, Heß, mit Dehn in Altona, und vielen Andern,
ſtand er in freundſchaftlichen Beziehungen; es war die
Rede davon, aus eignem Antrieb ihn zu berufen, da
er denn, an der Spitze ſolchen Zutrauens, leicht die
Beſtaͤtigung abſeiten der Maͤchte wuͤrde empfangen ha¬
ben. Das Geruͤcht nannte bald auch andre preußiſche
Staatsbeamte, denen die Verwaltung der Hanſeſtaͤdte
abſeiten Stein's zugedacht ſein ſollte, und mit Wohl¬
gefallen wurde der Name Staͤgemann vernommen;
allein die Ernennung verzoͤgerte ſich, und fiel endlich
auf keinen der Genannten, ſondern auf den ruſſiſchen
Geheimen Rath von Alopeus, den aͤltern der beiden
Bruͤder, einen Mann von ſtarkem Karakter und von
großem Ruf in der Diplomatik, der aber ſelbſt be¬
kannte, ſich in ſeiner neuen Beſtimmung noch ziemlich
fremd zu fuͤhlen. Er war zum Kommiſſarius fuͤr die
deutſchen Laͤnder noͤrdlich der Elbe beſtellt, traf aber
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/324>, abgerufen am 26.11.2024.
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