aber öffentliches Auftreten, entschlossenes Anfangen und Fortreißen der Genossen wird durch tausend Umstände des bürgerlichen und geselligen Lebens gehindert, so daß es dann immer an dem Ersten fehlt, ohne welchen die zahlreichen Zweiten und Dritten sich in ungenutzter Anlage verlieren. Der Mangel an sittlichem Halt in den Begriffen und die Abwesenheit fester Grundzüge in den Gemüthern des Volks hindern jede durchgrei¬ fende Maßregel Einzelner, die nicht von Gewalt, ja von Schrecken begleitet ist.
Eine Hoffnung jedoch, diesem Uebel in der Folge abgeholfen zu sehen, zeigte sich auch für Hamburg in der gemeinsamen Verwaltungsbehörde, welche der Kai¬ ser von Rußland und der König von Preußen für das nördliche Deutschland einsetzten, und der Leitung des Ministers Freiherrn vom Stein übertrugen. Die Lage der Dinge forderte laut einen solchen Mann, in dessen starker Seele der Eifer für die vaterländische Sache zu heftiger Leidenschaft geworden war. Sein untadlicher Wandel und die Reinheit seiner Gesinnung gaben ihm das Recht furchtloser Strenge und Wahrheit gegen jederman. Als seine Gehülfen nannte man die treff¬ lichsten Männer. In Hamburg hegten mehrere ange¬ sehene Einwohner den Wunsch, es möchte der preu¬ ßische Geheime Staatsrath Niebuhr als Beauftragter der Mächte dort erscheinen; in seiner frühern Stellung als Bankdirektor zu Kopenhagen hatte er den Ruf
aber oͤffentliches Auftreten, entſchloſſenes Anfangen und Fortreißen der Genoſſen wird durch tauſend Umſtaͤnde des buͤrgerlichen und geſelligen Lebens gehindert, ſo daß es dann immer an dem Erſten fehlt, ohne welchen die zahlreichen Zweiten und Dritten ſich in ungenutzter Anlage verlieren. Der Mangel an ſittlichem Halt in den Begriffen und die Abweſenheit feſter Grundzuͤge in den Gemuͤthern des Volks hindern jede durchgrei¬ fende Maßregel Einzelner, die nicht von Gewalt, ja von Schrecken begleitet iſt.
Eine Hoffnung jedoch, dieſem Uebel in der Folge abgeholfen zu ſehen, zeigte ſich auch fuͤr Hamburg in der gemeinſamen Verwaltungsbehoͤrde, welche der Kai¬ ſer von Rußland und der Koͤnig von Preußen fuͤr das noͤrdliche Deutſchland einſetzten, und der Leitung des Miniſters Freiherrn vom Stein uͤbertrugen. Die Lage der Dinge forderte laut einen ſolchen Mann, in deſſen ſtarker Seele der Eifer fuͤr die vaterlaͤndiſche Sache zu heftiger Leidenſchaft geworden war. Sein untadlicher Wandel und die Reinheit ſeiner Geſinnung gaben ihm das Recht furchtloſer Strenge und Wahrheit gegen jederman. Als ſeine Gehuͤlfen nannte man die treff¬ lichſten Maͤnner. In Hamburg hegten mehrere ange¬ ſehene Einwohner den Wunſch, es moͤchte der preu¬ ßiſche Geheime Staatsrath Niebuhr als Beauftragter der Maͤchte dort erſcheinen; in ſeiner fruͤhern Stellung als Bankdirektor zu Kopenhagen hatte er den Ruf
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aber oͤffentliches Auftreten, entſchloſſenes Anfangen und
Fortreißen der Genoſſen wird durch tauſend Umſtaͤnde
des buͤrgerlichen und geſelligen Lebens gehindert, ſo
daß es dann immer an dem Erſten fehlt, ohne welchen
die zahlreichen Zweiten und Dritten ſich in ungenutzter
Anlage verlieren. Der Mangel an ſittlichem Halt in
den Begriffen und die Abweſenheit feſter Grundzuͤge
in den Gemuͤthern des Volks hindern jede durchgrei¬
fende Maßregel Einzelner, die nicht von Gewalt, ja
von Schrecken begleitet iſt.
Eine Hoffnung jedoch, dieſem Uebel in der Folge
abgeholfen zu ſehen, zeigte ſich auch fuͤr Hamburg in
der gemeinſamen Verwaltungsbehoͤrde, welche der Kai¬
ſer von Rußland und der Koͤnig von Preußen fuͤr das
noͤrdliche Deutſchland einſetzten, und der Leitung des
Miniſters Freiherrn vom Stein uͤbertrugen. Die Lage
der Dinge forderte laut einen ſolchen Mann, in deſſen
ſtarker Seele der Eifer fuͤr die vaterlaͤndiſche Sache zu
heftiger Leidenſchaft geworden war. Sein untadlicher
Wandel und die Reinheit ſeiner Geſinnung gaben ihm
das Recht furchtloſer Strenge und Wahrheit gegen
jederman. Als ſeine Gehuͤlfen nannte man die treff¬
lichſten Maͤnner. In Hamburg hegten mehrere ange¬
ſehene Einwohner den Wunſch, es moͤchte der preu¬
ßiſche Geheime Staatsrath Niebuhr als Beauftragter
der Maͤchte dort erſcheinen; in ſeiner fruͤhern Stellung
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/323>, abgerufen am 26.11.2024.
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