trenne. Die letztern durften sich nicht allzu dreist her¬ vorwagen, oder liefen Gefahr, beleidigt und angefallen zu werden. Daß auch im untersten Volke bei dieser Feindseligkeit noch ein anderer Trieb walte, als rohe Widersetzlichkeit und Plünderungslust, mußten selbst die französischen Beamten zugestehn, und dies verdroß und beschämte sie am meisten, ein allgemeiner Haß machte sich Luft, dies war nicht zu verhehlen noch zu beschö¬ nigen. Keine Verletzung des Eigenthums, keine Mi߬ handlung, keine Ausschweifung hatte der Pöbel began¬ gen, die nicht lediglich gegen die Franzosenherrschaft gerichtet gewesen wäre, ja beim Plündern einiger Kas¬ sen hatten Leute von zerlumptem Ansehn die vollen Beutel jubelnd auf die Straße unter die Menge aus¬ geworfen, und das Geld wurde in den folgenden Tagen größtentheils wieder eingeliefert.
Im Vortheil bestehender Einrichtung und geordne¬ ter Wirksamkeit, wußten sich die Franzosen mit kluger Vorsicht doch noch im Besitze der Macht zu erhalten, und bald wieder die Oberhand zu nehmen. Sie zogen die angesehensten Bürger zu Rath, übertrugen diesen manche Maßregeln und Anstalten, und vertrauten theil¬ weise der Bürgerschaft sogar die Waffen wieder, die man ihr früher mit sorgsamer Strenge abgenommen hatte. Die Bürger fügten sich zwar ungern in solda¬ tische Ordnung, zumal sie wohl fühlten, daß ihre Be¬ waffnung weniger ihre eigne Sicherheit, als die der
trenne. Die letztern durften ſich nicht allzu dreiſt her¬ vorwagen, oder liefen Gefahr, beleidigt und angefallen zu werden. Daß auch im unterſten Volke bei dieſer Feindſeligkeit noch ein anderer Trieb walte, als rohe Widerſetzlichkeit und Pluͤnderungsluſt, mußten ſelbſt die franzoͤſiſchen Beamten zugeſtehn, und dies verdroß und beſchaͤmte ſie am meiſten, ein allgemeiner Haß machte ſich Luft, dies war nicht zu verhehlen noch zu beſchoͤ¬ nigen. Keine Verletzung des Eigenthums, keine Mi߬ handlung, keine Ausſchweifung hatte der Poͤbel began¬ gen, die nicht lediglich gegen die Franzoſenherrſchaft gerichtet geweſen waͤre, ja beim Pluͤndern einiger Kaſ¬ ſen hatten Leute von zerlumptem Anſehn die vollen Beutel jubelnd auf die Straße unter die Menge aus¬ geworfen, und das Geld wurde in den folgenden Tagen groͤßtentheils wieder eingeliefert.
Im Vortheil beſtehender Einrichtung und geordne¬ ter Wirkſamkeit, wußten ſich die Franzoſen mit kluger Vorſicht doch noch im Beſitze der Macht zu erhalten, und bald wieder die Oberhand zu nehmen. Sie zogen die angeſehenſten Buͤrger zu Rath, uͤbertrugen dieſen manche Maßregeln und Anſtalten, und vertrauten theil¬ weiſe der Buͤrgerſchaft ſogar die Waffen wieder, die man ihr fruͤher mit ſorgſamer Strenge abgenommen hatte. Die Buͤrger fuͤgten ſich zwar ungern in ſolda¬ tiſche Ordnung, zumal ſie wohl fuͤhlten, daß ihre Be¬ waffnung weniger ihre eigne Sicherheit, als die der
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trenne. Die letztern durften ſich nicht allzu dreiſt her¬
vorwagen, oder liefen Gefahr, beleidigt und angefallen
zu werden. Daß auch im unterſten Volke bei dieſer
Feindſeligkeit noch ein anderer Trieb walte, als rohe
Widerſetzlichkeit und Pluͤnderungsluſt, mußten ſelbſt die
franzoͤſiſchen Beamten zugeſtehn, und dies verdroß und
beſchaͤmte ſie am meiſten, ein allgemeiner Haß machte
ſich Luft, dies war nicht zu verhehlen noch zu beſchoͤ¬
nigen. Keine Verletzung des Eigenthums, keine Mi߬
handlung, keine Ausſchweifung hatte der Poͤbel began¬
gen, die nicht lediglich gegen die Franzoſenherrſchaft
gerichtet geweſen waͤre, ja beim Pluͤndern einiger Kaſ¬
ſen hatten Leute von zerlumptem Anſehn die vollen
Beutel jubelnd auf die Straße unter die Menge aus¬
geworfen, und das Geld wurde in den folgenden Tagen
groͤßtentheils wieder eingeliefert.
Im Vortheil beſtehender Einrichtung und geordne¬
ter Wirkſamkeit, wußten ſich die Franzoſen mit kluger
Vorſicht doch noch im Beſitze der Macht zu erhalten,
und bald wieder die Oberhand zu nehmen. Sie zogen
die angeſehenſten Buͤrger zu Rath, uͤbertrugen dieſen
manche Maßregeln und Anſtalten, und vertrauten theil¬
weiſe der Buͤrgerſchaft ſogar die Waffen wieder, die
man ihr fruͤher mit ſorgſamer Strenge abgenommen
hatte. Die Buͤrger fuͤgten ſich zwar ungern in ſolda¬
tiſche Ordnung, zumal ſie wohl fuͤhlten, daß ihre Be¬
waffnung weniger ihre eigne Sicherheit, als die der
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/266>, abgerufen am 24.11.2024.
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