Dienste gewesenen Waffenfreunde, durfte er die gün¬ stigsten Verhältnisse erwarten, allein unglücklicherweise war derselbe kurz vorher in französische Gefangenschaft gerathen, aus der erst später die Kosaken ihn wieder befreiten, und der General Kutusoff, Neffe des Feld¬ marschalls, hatte den Befehl über jene Truppen über¬ nommen. Dieser General galt allgemein als ein star¬ ker Widersacher aller Fremden im russischen Dienst, aber sonst als ein rechtschaffner, wohldenkender Mann und als ein ausgezeichneter tapfrer Krieger. Seine Abnei¬ gung gegen die Fremden schien anfangs auch gegen Tettenborn zu walten, nach einiger Zeit aber, als meh¬ rere Gefechte vorgefallen waren, nahm er schon eine günstigere Gesinnung an, und wurde zuletzt, im Ver¬ folge des Feldzugs, der theilnehmendste und thätigste Anerkenner eines Verdienstes, das sich unter seinen Au¬ gen so trefflich bewahrte, und dem er Gerechtigkeit zu versagen nicht fähig war.
Nach dem Abzuge der Franzosen von Moskau rückte Tettenborn mit dem Vortrabe der Kutusoff'schen Trup¬ pen zuerst wieder daselbst ein, wo unter rauchenden Trümmern alle Gräuel der Verwüstung und Auflösung fortdauerten, denen nicht ohne Kampf Einhalt zu thun war. Unmittelbar darauf erhielt er die Befehlführung eines abgesonderten Truppentheils, und den allgemeinen Auftrag, dem Feind auf seinem Rückzuge allen mögli¬ chen Abbruch zu thun. Er that dies mit solchem Er¬
Dienſte geweſenen Waffenfreunde, durfte er die guͤn¬ ſtigſten Verhaͤltniſſe erwarten, allein ungluͤcklicherweiſe war derſelbe kurz vorher in franzoͤſiſche Gefangenſchaft gerathen, aus der erſt ſpaͤter die Koſaken ihn wieder befreiten, und der General Kutuſoff, Neffe des Feld¬ marſchalls, hatte den Befehl uͤber jene Truppen uͤber¬ nommen. Dieſer General galt allgemein als ein ſtar¬ ker Widerſacher aller Fremden im ruſſiſchen Dienſt, aber ſonſt als ein rechtſchaffner, wohldenkender Mann und als ein ausgezeichneter tapfrer Krieger. Seine Abnei¬ gung gegen die Fremden ſchien anfangs auch gegen Tettenborn zu walten, nach einiger Zeit aber, als meh¬ rere Gefechte vorgefallen waren, nahm er ſchon eine guͤnſtigere Geſinnung an, und wurde zuletzt, im Ver¬ folge des Feldzugs, der theilnehmendſte und thaͤtigſte Anerkenner eines Verdienſtes, das ſich unter ſeinen Au¬ gen ſo trefflich bewahrte, und dem er Gerechtigkeit zu verſagen nicht faͤhig war.
Nach dem Abzuge der Franzoſen von Moskau ruͤckte Tettenborn mit dem Vortrabe der Kutuſoff'ſchen Trup¬ pen zuerſt wieder daſelbſt ein, wo unter rauchenden Truͤmmern alle Graͤuel der Verwuͤſtung und Aufloͤſung fortdauerten, denen nicht ohne Kampf Einhalt zu thun war. Unmittelbar darauf erhielt er die Befehlfuͤhrung eines abgeſonderten Truppentheils, und den allgemeinen Auftrag, dem Feind auf ſeinem Ruͤckzuge allen moͤgli¬ chen Abbruch zu thun. Er that dies mit ſolchem Er¬
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Dienſte geweſenen Waffenfreunde, durfte er die guͤn¬
ſtigſten Verhaͤltniſſe erwarten, allein ungluͤcklicherweiſe
war derſelbe kurz vorher in franzoͤſiſche Gefangenſchaft
gerathen, aus der erſt ſpaͤter die Koſaken ihn wieder
befreiten, und der General Kutuſoff, Neffe des Feld¬
marſchalls, hatte den Befehl uͤber jene Truppen uͤber¬
nommen. Dieſer General galt allgemein als ein ſtar¬
ker Widerſacher aller Fremden im ruſſiſchen Dienſt, aber
ſonſt als ein rechtſchaffner, wohldenkender Mann und
als ein ausgezeichneter tapfrer Krieger. Seine Abnei¬
gung gegen die Fremden ſchien anfangs auch gegen
Tettenborn zu walten, nach einiger Zeit aber, als meh¬
rere Gefechte vorgefallen waren, nahm er ſchon eine
guͤnſtigere Geſinnung an, und wurde zuletzt, im Ver¬
folge des Feldzugs, der theilnehmendſte und thaͤtigſte
Anerkenner eines Verdienſtes, das ſich unter ſeinen Au¬
gen ſo trefflich bewahrte, und dem er Gerechtigkeit zu
verſagen nicht faͤhig war.
Nach dem Abzuge der Franzoſen von Moskau ruͤckte
Tettenborn mit dem Vortrabe der Kutuſoff'ſchen Trup¬
pen zuerſt wieder daſelbſt ein, wo unter rauchenden
Truͤmmern alle Graͤuel der Verwuͤſtung und Aufloͤſung
fortdauerten, denen nicht ohne Kampf Einhalt zu thun
war. Unmittelbar darauf erhielt er die Befehlfuͤhrung
eines abgeſonderten Truppentheils, und den allgemeinen
Auftrag, dem Feind auf ſeinem Ruͤckzuge allen moͤgli¬
chen Abbruch zu thun. Er that dies mit ſolchem Er¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/247>, abgerufen am 28.11.2024.
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