österreichische Offiziere uns schützen mußte -- wir hatten klüglich nur Urlaub genommen, und gedachten den Ab¬ schied nach Umständen einzureichen, -- so ließen wir uns nicht abschrecken, sondern setzten unsre Reise fort, und gelangten auch ungehindert nach Berlin.
Die preußische Hauptstadt war von französischen Truppen besetzt, und wir meldeten uns herkömmlich bei dem Marschall Augereau und bei dem Komman¬ danten General Durutte, gleicherweise bei der preußi¬ schen Behörde. Ungeachtet des guten Anscheins, mit dem wir aufgenommen wurden, bemerkten wir bald, daß man uns beobochtete, welches wir uns indeß nicht besonders anfechten ließen. Nach einigen Wochen wollte Willisen seine Eltern bei Magdeburg besuchen, hatte aber kaum das westphälische Gebiet betreten, als er verhaftet und auf das Kastell nach Kassel abgeführt wurde. Nur dies erfuhr man über ihn, und weiter nichts. Durch diesen Vorfall wurde natürlich auch meine Lage gespannter und bedenklicher, ich durfte nicht wagen, den Umkreis der Stadt zu überschreiten. Von den Kämpfen und Mißgeschicken, die ich hier zu beste¬ hen hatte, den Hoffnungen und Aussichten, die sich abwechselnd erhellten und verdunkelten, werd' ich viel¬ leicht künftig eine Schilderung versuchen, die durch das Eigne einer solchen Uebergangszeit wohl anziehend wer¬ den könnte. Ich erwähne hier nur, daß ich an dem Hause des österreichischen Gesandten Grafen Stephan
oͤſterreichiſche Offiziere uns ſchuͤtzen mußte — wir hatten kluͤglich nur Urlaub genommen, und gedachten den Ab¬ ſchied nach Umſtaͤnden einzureichen, — ſo ließen wir uns nicht abſchrecken, ſondern ſetzten unſre Reiſe fort, und gelangten auch ungehindert nach Berlin.
Die preußiſche Hauptſtadt war von franzoͤſiſchen Truppen beſetzt, und wir meldeten uns herkoͤmmlich bei dem Marſchall Augereau und bei dem Komman¬ danten General Durutte, gleicherweiſe bei der preußi¬ ſchen Behoͤrde. Ungeachtet des guten Anſcheins, mit dem wir aufgenommen wurden, bemerkten wir bald, daß man uns beobochtete, welches wir uns indeß nicht beſonders anfechten ließen. Nach einigen Wochen wollte Williſen ſeine Eltern bei Magdeburg beſuchen, hatte aber kaum das weſtphaͤliſche Gebiet betreten, als er verhaftet und auf das Kaſtell nach Kaſſel abgefuͤhrt wurde. Nur dies erfuhr man uͤber ihn, und weiter nichts. Durch dieſen Vorfall wurde natuͤrlich auch meine Lage geſpannter und bedenklicher, ich durfte nicht wagen, den Umkreis der Stadt zu uͤberſchreiten. Von den Kaͤmpfen und Mißgeſchicken, die ich hier zu beſte¬ hen hatte, den Hoffnungen und Ausſichten, die ſich abwechſelnd erhellten und verdunkelten, werd' ich viel¬ leicht kuͤnftig eine Schilderung verſuchen, die durch das Eigne einer ſolchen Uebergangszeit wohl anziehend wer¬ den koͤnnte. Ich erwaͤhne hier nur, daß ich an dem Hauſe des oͤſterreichiſchen Geſandten Grafen Stephan
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oͤſterreichiſche Offiziere uns ſchuͤtzen mußte — wir hatten
kluͤglich nur Urlaub genommen, und gedachten den Ab¬
ſchied nach Umſtaͤnden einzureichen, — ſo ließen wir
uns nicht abſchrecken, ſondern ſetzten unſre Reiſe fort,
und gelangten auch ungehindert nach Berlin.
Die preußiſche Hauptſtadt war von franzoͤſiſchen
Truppen beſetzt, und wir meldeten uns herkoͤmmlich
bei dem Marſchall Augereau und bei dem Komman¬
danten General Durutte, gleicherweiſe bei der preußi¬
ſchen Behoͤrde. Ungeachtet des guten Anſcheins, mit
dem wir aufgenommen wurden, bemerkten wir bald,
daß man uns beobochtete, welches wir uns indeß nicht
beſonders anfechten ließen. Nach einigen Wochen wollte
Williſen ſeine Eltern bei Magdeburg beſuchen, hatte
aber kaum das weſtphaͤliſche Gebiet betreten, als er
verhaftet und auf das Kaſtell nach Kaſſel abgefuͤhrt
wurde. Nur dies erfuhr man uͤber ihn, und weiter
nichts. Durch dieſen Vorfall wurde natuͤrlich auch
meine Lage geſpannter und bedenklicher, ich durfte nicht
wagen, den Umkreis der Stadt zu uͤberſchreiten. Von
den Kaͤmpfen und Mißgeſchicken, die ich hier zu beſte¬
hen hatte, den Hoffnungen und Ausſichten, die ſich
abwechſelnd erhellten und verdunkelten, werd' ich viel¬
leicht kuͤnftig eine Schilderung verſuchen, die durch das
Eigne einer ſolchen Uebergangszeit wohl anziehend wer¬
den koͤnnte. Ich erwaͤhne hier nur, daß ich an dem
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/222>, abgerufen am 24.11.2024.
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