lichsten fränzösischen Späher waren in seine Schlingen gerathen und spurlos verschwunden; seine List wie seine Verwegenheit brachten den Franzosen großen Schaden, aber diese erkannten ihn längst für ihren Feind, und als, in Folge des Anschlusses von Preußen an Frank¬ reich, französische Truppen auf Berlin marschirten, durfte er deren Eintreffen nicht abwarten, legte sein Amt nieder und entwich nach Böhmen. Er stand mit den russischen Behörden in thätigem Vernehmen, und hielt in ganz Deutschland seine gleichgesinnten Verbün¬ deten rege. Sein großer, klug angelegter und bei sei¬ nen Hülfsmitteln gar nicht unausführbarer Plan war, im Rücken der französischen Heere, sobald diese weit genug in Rußland vorgedrungen wären, überall ihre Kriegsvorräthe in Brand zu stecken, jede Nachfuhr zu hemmen, besonders aber die Pulverwagen auffliegen zu lassen. Daß er in Prag ungestört bleiben durfte, die gelungene Ueberkunft Stein's, und die günstige Stim¬ mung, die er übernll antraf, machten ihn aber allzu sicher, er prüfte nicht genug, wem er sein Vertrauen schenken dürfe, und besonders unvorsichtig war sein Briefwechsel. Das Beispiel Stein's hätte ihn warnen sollen, allein er ging in Leichtsinn nur weiter. Er hielt seine Briefe noch für ganz sicher und ihre Geheimschrift für unentdeckt, als schon längst fremde Augen sie durch¬ liefen, den Inhalt erforschten, und den ganzen Zusam¬ menhang einsahen. Vergeblich wurde er gewarnt, er
lichſten fraͤnzoͤſiſchen Spaͤher waren in ſeine Schlingen gerathen und ſpurlos verſchwunden; ſeine Liſt wie ſeine Verwegenheit brachten den Franzoſen großen Schaden, aber dieſe erkannten ihn laͤngſt fuͤr ihren Feind, und als, in Folge des Anſchluſſes von Preußen an Frank¬ reich, franzoͤſiſche Truppen auf Berlin marſchirten, durfte er deren Eintreffen nicht abwarten, legte ſein Amt nieder und entwich nach Boͤhmen. Er ſtand mit den ruſſiſchen Behoͤrden in thaͤtigem Vernehmen, und hielt in ganz Deutſchland ſeine gleichgeſinnten Verbuͤn¬ deten rege. Sein großer, klug angelegter und bei ſei¬ nen Huͤlfsmitteln gar nicht unausfuͤhrbarer Plan war, im Ruͤcken der franzoͤſiſchen Heere, ſobald dieſe weit genug in Rußland vorgedrungen waͤren, uͤberall ihre Kriegsvorraͤthe in Brand zu ſtecken, jede Nachfuhr zu hemmen, beſonders aber die Pulverwagen auffliegen zu laſſen. Daß er in Prag ungeſtoͤrt bleiben durfte, die gelungene Ueberkunft Stein's, und die guͤnſtige Stim¬ mung, die er uͤbernll antraf, machten ihn aber allzu ſicher, er pruͤfte nicht genug, wem er ſein Vertrauen ſchenken duͤrfe, und beſonders unvorſichtig war ſein Briefwechſel. Das Beiſpiel Stein's haͤtte ihn warnen ſollen, allein er ging in Leichtſinn nur weiter. Er hielt ſeine Briefe noch fuͤr ganz ſicher und ihre Geheimſchrift fuͤr unentdeckt, als ſchon laͤngſt fremde Augen ſie durch¬ liefen, den Inhalt erforſchten, und den ganzen Zuſam¬ menhang einſahen. Vergeblich wurde er gewarnt, er
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0216"n="204"/>
lichſten fraͤnzoͤſiſchen Spaͤher waren in ſeine Schlingen<lb/>
gerathen und ſpurlos verſchwunden; ſeine Liſt wie ſeine<lb/>
Verwegenheit brachten den Franzoſen großen Schaden,<lb/>
aber dieſe erkannten ihn laͤngſt fuͤr ihren Feind, und<lb/>
als, in Folge des Anſchluſſes von Preußen an Frank¬<lb/>
reich, franzoͤſiſche Truppen auf Berlin marſchirten,<lb/>
durfte er deren Eintreffen nicht abwarten, legte ſein<lb/>
Amt nieder und entwich nach Boͤhmen. Er ſtand mit<lb/>
den ruſſiſchen Behoͤrden in thaͤtigem Vernehmen, und<lb/>
hielt in ganz Deutſchland ſeine gleichgeſinnten Verbuͤn¬<lb/>
deten rege. Sein großer, klug angelegter und bei ſei¬<lb/>
nen Huͤlfsmitteln gar nicht unausfuͤhrbarer Plan war,<lb/>
im Ruͤcken der franzoͤſiſchen Heere, ſobald dieſe weit<lb/>
genug in Rußland vorgedrungen waͤren, uͤberall ihre<lb/>
Kriegsvorraͤthe in Brand zu ſtecken, jede Nachfuhr zu<lb/>
hemmen, beſonders aber die Pulverwagen auffliegen zu<lb/>
laſſen. Daß er in Prag ungeſtoͤrt bleiben durfte, die<lb/>
gelungene Ueberkunft Stein's, und die guͤnſtige Stim¬<lb/>
mung, die er uͤbernll antraf, machten ihn aber allzu<lb/>ſicher, er pruͤfte nicht genug, wem er ſein Vertrauen<lb/>ſchenken duͤrfe, und beſonders unvorſichtig war ſein<lb/>
Briefwechſel. Das Beiſpiel Stein's haͤtte ihn warnen<lb/>ſollen, allein er ging in Leichtſinn nur weiter. Er hielt<lb/>ſeine Briefe noch fuͤr ganz ſicher und ihre Geheimſchrift<lb/>
fuͤr unentdeckt, als ſchon laͤngſt fremde Augen ſie durch¬<lb/>
liefen, den Inhalt erforſchten, und den ganzen Zuſam¬<lb/>
menhang einſahen. Vergeblich wurde er gewarnt, er<lb/></p></div></body></text></TEI>
[204/0216]
lichſten fraͤnzoͤſiſchen Spaͤher waren in ſeine Schlingen
gerathen und ſpurlos verſchwunden; ſeine Liſt wie ſeine
Verwegenheit brachten den Franzoſen großen Schaden,
aber dieſe erkannten ihn laͤngſt fuͤr ihren Feind, und
als, in Folge des Anſchluſſes von Preußen an Frank¬
reich, franzoͤſiſche Truppen auf Berlin marſchirten,
durfte er deren Eintreffen nicht abwarten, legte ſein
Amt nieder und entwich nach Boͤhmen. Er ſtand mit
den ruſſiſchen Behoͤrden in thaͤtigem Vernehmen, und
hielt in ganz Deutſchland ſeine gleichgeſinnten Verbuͤn¬
deten rege. Sein großer, klug angelegter und bei ſei¬
nen Huͤlfsmitteln gar nicht unausfuͤhrbarer Plan war,
im Ruͤcken der franzoͤſiſchen Heere, ſobald dieſe weit
genug in Rußland vorgedrungen waͤren, uͤberall ihre
Kriegsvorraͤthe in Brand zu ſtecken, jede Nachfuhr zu
hemmen, beſonders aber die Pulverwagen auffliegen zu
laſſen. Daß er in Prag ungeſtoͤrt bleiben durfte, die
gelungene Ueberkunft Stein's, und die guͤnſtige Stim¬
mung, die er uͤbernll antraf, machten ihn aber allzu
ſicher, er pruͤfte nicht genug, wem er ſein Vertrauen
ſchenken duͤrfe, und beſonders unvorſichtig war ſein
Briefwechſel. Das Beiſpiel Stein's haͤtte ihn warnen
ſollen, allein er ging in Leichtſinn nur weiter. Er hielt
ſeine Briefe noch fuͤr ganz ſicher und ihre Geheimſchrift
fuͤr unentdeckt, als ſchon laͤngſt fremde Augen ſie durch¬
liefen, den Inhalt erforſchten, und den ganzen Zuſam¬
menhang einſahen. Vergeblich wurde er gewarnt, er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/216>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.