gelegenheiten hatte ihn von den Geschäften entfernt, und er befand sich, wie Stein, zu stiller Betrachtung und Erwartung verurtheilt. Sie achteten und liebten einander beide, und wenn man sie zusammen sah, so verschieden an Gestalt und Art, aber beide so edel und tüchtig, so einfach und durchbildet, dann konnte man die würdigste Vorstellung von deutschem hohen Adel fassen, dem diese beiden Männer so ausgezeichnete Ver¬ treter waren.
Nur allzuschnell erlitt dieser belehrende und unter¬ haltende Umgang eine Unterbrechung. Schon früher eingeleitete Geschäfte veranlaßten, daß ich zu deren Betreibung nach Wien geschickt wurde. Ich hatte den Erzherzog Karl, die Generale Grafen von Radetzky, Fürsten Aloys von Liechtenstein, Grafen von Neipperg, und viele andre Personen hoher Stellung und Wirk¬ samkeit, anzugehen, und es geschah meist mit glückli¬ chem Erfolg. Dem Grafen von Metteruich fand ich mich auf's neue verpflichtet durch das ausgezeichnete Wohlwollen, das mir seit Paris bei ihm unverändert fortbestand. Ich war beglückt, meine Freunde Willisen und Meyern wiederzusehen, besuchte eifrig das Hum¬ boldt'sche Haus, versäumte das Arnstein'sche nicht, hatte öftere Gespräche mit Gentz, mit Friedrich Schlegel, und fand in der Wiener Gesellschaftsfluth, welche der
gelegenheiten hatte ihn von den Geſchaͤften entfernt, und er befand ſich, wie Stein, zu ſtiller Betrachtung und Erwartung verurtheilt. Sie achteten und liebten einander beide, und wenn man ſie zuſammen ſah, ſo verſchieden an Geſtalt und Art, aber beide ſo edel und tuͤchtig, ſo einfach und durchbildet, dann konnte man die wuͤrdigſte Vorſtellung von deutſchem hohen Adel faſſen, dem dieſe beiden Maͤnner ſo ausgezeichnete Ver¬ treter waren.
Nur allzuſchnell erlitt dieſer belehrende und unter¬ haltende Umgang eine Unterbrechung. Schon fruͤher eingeleitete Geſchaͤfte veranlaßten, daß ich zu deren Betreibung nach Wien geſchickt wurde. Ich hatte den Erzherzog Karl, die Generale Grafen von Radetzky, Fuͤrſten Aloys von Liechtenſtein, Grafen von Neipperg, und viele andre Perſonen hoher Stellung und Wirk¬ ſamkeit, anzugehen, und es geſchah meiſt mit gluͤckli¬ chem Erfolg. Dem Grafen von Metteruich fand ich mich auf's neue verpflichtet durch das ausgezeichnete Wohlwollen, das mir ſeit Paris bei ihm unveraͤndert fortbeſtand. Ich war begluͤckt, meine Freunde Williſen und Meyern wiederzuſehen, beſuchte eifrig das Hum¬ boldt'ſche Haus, verſaͤumte das Arnſtein'ſche nicht, hatte oͤftere Geſpraͤche mit Gentz, mit Friedrich Schlegel, und fand in der Wiener Geſellſchaftsfluth, welche der
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gelegenheiten hatte ihn von den Geſchaͤften entfernt,
und er befand ſich, wie Stein, zu ſtiller Betrachtung
und Erwartung verurtheilt. Sie achteten und liebten
einander beide, und wenn man ſie zuſammen ſah, ſo
verſchieden an Geſtalt und Art, aber beide ſo edel und
tuͤchtig, ſo einfach und durchbildet, dann konnte man
die wuͤrdigſte Vorſtellung von deutſchem hohen Adel
faſſen, dem dieſe beiden Maͤnner ſo ausgezeichnete Ver¬
treter waren.
Nur allzuſchnell erlitt dieſer belehrende und unter¬
haltende Umgang eine Unterbrechung. Schon fruͤher
eingeleitete Geſchaͤfte veranlaßten, daß ich zu deren
Betreibung nach Wien geſchickt wurde. Ich hatte den
Erzherzog Karl, die Generale Grafen von Radetzky,
Fuͤrſten Aloys von Liechtenſtein, Grafen von Neipperg,
und viele andre Perſonen hoher Stellung und Wirk¬
ſamkeit, anzugehen, und es geſchah meiſt mit gluͤckli¬
chem Erfolg. Dem Grafen von Metteruich fand ich
mich auf's neue verpflichtet durch das ausgezeichnete
Wohlwollen, das mir ſeit Paris bei ihm unveraͤndert
fortbeſtand. Ich war begluͤckt, meine Freunde Williſen
und Meyern wiederzuſehen, beſuchte eifrig das Hum¬
boldt'ſche Haus, verſaͤumte das Arnſtein'ſche nicht, hatte
oͤftere Geſpraͤche mit Gentz, mit Friedrich Schlegel,
und fand in der Wiener Geſellſchaftsfluth, welche der
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/198>, abgerufen am 24.11.2024.
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