Verfolge der Revolutionsgeschichte fand ich ihn nur noch Einmal besonders aufgeweckt, als er zu den Unfällen des Direktoriums gekommen war, wo es ihm wohl¬ that, seinem Hasse auch einmal volle Verachtung bei¬ mischen zu können. Man wird mir zugeben, daß ich durch diese Gesprächsbegleitung des Stein'schen Stu¬ diums einen Kursus über die neuere Zeitgeschichte ge¬ macht, wie er nicht leicht wieder vorkommt!
Mehr, als mit meinen mündlichen Aeußerungen war Stein mit meinen schriftlichen Aufsätzen zufrieden, in denen ich einen Theil meiner Reisewahrnehmungen niedergelegt hatte. Er trieb mich unaufhörlich zum Schreiben an, zum Schreiben im deutschen Sinn, zum Schreiben gegen die Franzosen. Es könne nicht genug in dieser Art geleistet werden, und der Augenblick, meinte er, wo dergleichen gedruckt worden könne, werde schon kommen. Er freute sich, daß Graf Schlabren¬ dorf, von dem ich viel hatte erzählen müssen, durch sein Buch über Napoleon diesem den größten Schaden gethan, und die Augen der Welt enttäuscht habe, er freute sich der Blätter Arndt's, die zu ihm gelangt waren. Jede feindliche Aeußerung gegen das fran¬ zösische Kaiserthum that ihm durchaus Genüge. Ueber¬ haupt blieb das Vernehmen, so lange sein Aufenthalt in Prag dauerte, ziemlich ungestört. Späterhin wurde der Abstand in Meinungen nicht nur, sondern auch in Rang und Stellung allzu trennend. Seine Heftigkeit
Verfolge der Revolutionsgeſchichte fand ich ihn nur noch Einmal beſonders aufgeweckt, als er zu den Unfaͤllen des Direktoriums gekommen war, wo es ihm wohl¬ that, ſeinem Haſſe auch einmal volle Verachtung bei¬ miſchen zu koͤnnen. Man wird mir zugeben, daß ich durch dieſe Geſpraͤchsbegleitung des Stein'ſchen Stu¬ diums einen Kurſus uͤber die neuere Zeitgeſchichte ge¬ macht, wie er nicht leicht wieder vorkommt!
Mehr, als mit meinen muͤndlichen Aeußerungen war Stein mit meinen ſchriftlichen Aufſaͤtzen zufrieden, in denen ich einen Theil meiner Reiſewahrnehmungen niedergelegt hatte. Er trieb mich unaufhoͤrlich zum Schreiben an, zum Schreiben im deutſchen Sinn, zum Schreiben gegen die Franzoſen. Es koͤnne nicht genug in dieſer Art geleiſtet werden, und der Augenblick, meinte er, wo dergleichen gedruckt worden koͤnne, werde ſchon kommen. Er freute ſich, daß Graf Schlabren¬ dorf, von dem ich viel hatte erzaͤhlen muͤſſen, durch ſein Buch uͤber Napoleon dieſem den groͤßten Schaden gethan, und die Augen der Welt enttaͤuſcht habe, er freute ſich der Blaͤtter Arndt's, die zu ihm gelangt waren. Jede feindliche Aeußerung gegen das fran¬ zoͤſiſche Kaiſerthum that ihm durchaus Genuͤge. Ueber¬ haupt blieb das Vernehmen, ſo lange ſein Aufenthalt in Prag dauerte, ziemlich ungeſtoͤrt. Spaͤterhin wurde der Abſtand in Meinungen nicht nur, ſondern auch in Rang und Stellung allzu trennend. Seine Heftigkeit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0196"n="184"/>
Verfolge der Revolutionsgeſchichte fand ich ihn nur noch<lb/>
Einmal beſonders aufgeweckt, als er zu den Unfaͤllen<lb/>
des Direktoriums gekommen war, wo es ihm wohl¬<lb/>
that, ſeinem Haſſe auch einmal volle Verachtung bei¬<lb/>
miſchen zu koͤnnen. Man wird mir zugeben, daß ich<lb/>
durch dieſe Geſpraͤchsbegleitung des Stein'ſchen Stu¬<lb/>
diums einen Kurſus uͤber die neuere Zeitgeſchichte ge¬<lb/>
macht, wie er nicht leicht wieder vorkommt!</p><lb/><p>Mehr, als mit meinen muͤndlichen Aeußerungen<lb/>
war Stein mit meinen ſchriftlichen Aufſaͤtzen zufrieden,<lb/>
in denen ich einen Theil meiner Reiſewahrnehmungen<lb/>
niedergelegt hatte. Er trieb mich unaufhoͤrlich zum<lb/>
Schreiben an, zum Schreiben im deutſchen Sinn, zum<lb/>
Schreiben gegen die Franzoſen. Es koͤnne nicht genug<lb/>
in dieſer Art geleiſtet werden, und der Augenblick,<lb/>
meinte er, wo dergleichen gedruckt worden koͤnne, werde<lb/>ſchon kommen. Er freute ſich, daß Graf Schlabren¬<lb/>
dorf, von dem ich viel hatte erzaͤhlen muͤſſen, durch<lb/>ſein Buch uͤber Napoleon dieſem den groͤßten Schaden<lb/>
gethan, und die Augen der Welt enttaͤuſcht habe, er<lb/>
freute ſich der Blaͤtter Arndt's, die zu ihm gelangt<lb/>
waren. Jede feindliche Aeußerung gegen das fran¬<lb/>
zoͤſiſche Kaiſerthum that ihm durchaus Genuͤge. Ueber¬<lb/>
haupt blieb das Vernehmen, ſo lange ſein Aufenthalt<lb/>
in Prag dauerte, ziemlich ungeſtoͤrt. Spaͤterhin wurde<lb/>
der Abſtand in Meinungen nicht nur, ſondern auch in<lb/>
Rang und Stellung allzu trennend. Seine Heftigkeit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[184/0196]
Verfolge der Revolutionsgeſchichte fand ich ihn nur noch
Einmal beſonders aufgeweckt, als er zu den Unfaͤllen
des Direktoriums gekommen war, wo es ihm wohl¬
that, ſeinem Haſſe auch einmal volle Verachtung bei¬
miſchen zu koͤnnen. Man wird mir zugeben, daß ich
durch dieſe Geſpraͤchsbegleitung des Stein'ſchen Stu¬
diums einen Kurſus uͤber die neuere Zeitgeſchichte ge¬
macht, wie er nicht leicht wieder vorkommt!
Mehr, als mit meinen muͤndlichen Aeußerungen
war Stein mit meinen ſchriftlichen Aufſaͤtzen zufrieden,
in denen ich einen Theil meiner Reiſewahrnehmungen
niedergelegt hatte. Er trieb mich unaufhoͤrlich zum
Schreiben an, zum Schreiben im deutſchen Sinn, zum
Schreiben gegen die Franzoſen. Es koͤnne nicht genug
in dieſer Art geleiſtet werden, und der Augenblick,
meinte er, wo dergleichen gedruckt worden koͤnne, werde
ſchon kommen. Er freute ſich, daß Graf Schlabren¬
dorf, von dem ich viel hatte erzaͤhlen muͤſſen, durch
ſein Buch uͤber Napoleon dieſem den groͤßten Schaden
gethan, und die Augen der Welt enttaͤuſcht habe, er
freute ſich der Blaͤtter Arndt's, die zu ihm gelangt
waren. Jede feindliche Aeußerung gegen das fran¬
zoͤſiſche Kaiſerthum that ihm durchaus Genuͤge. Ueber¬
haupt blieb das Vernehmen, ſo lange ſein Aufenthalt
in Prag dauerte, ziemlich ungeſtoͤrt. Spaͤterhin wurde
der Abſtand in Meinungen nicht nur, ſondern auch in
Rang und Stellung allzu trennend. Seine Heftigkeit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/196>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.