mit Lebhaftigkeit über die Revolution, aber schimpfte nicht. Er war zu dem Nationalkonvent gelangt, und hier, wo sein Haß den Gipfel erreicht haben mußte, wo die Verurtheilung und Hinrichtung Ludwigs des Sechzehnten, die gehäuften Gräuel und Schrecknisse aller Art ihn empören mußten, sah er sich zu staunender Bewunderung hingerissen durch die ungeheure Kraft und beispiellose Macht, mit welcher der Wohlfahrtsaus¬ schuß das innere Frankreich beherrschte, und nach außen allen Feinden siegreich die Spitze bot. Diese gewalt¬ samen Maßregeln, diese furchtbare Strenge und fast übermenschliche Thätigkeit, imponirten ihm, diese waren seines Wesens und Geschmacks, solche hätte er selber jetzt zur Rettung Deutschlands gegen die Franzosen anwenden mögen. Wie kräftig diese Leute gewesen, was sie alles geleistet und durchgesetzt, hörte er nicht auf zu preisen, und hielt eine begeisterte Lobrede auf jenen Ausschuß, den er mir vorwarf nicht gehörig zu erkennen. Denn freilich konnt' ich auch diesmal ihm nicht beistimmen: manche Vorgänge der Revolution waren mir in günstigem Licht erschienen, ich hatte die erste Nationalversammlung bewundert, die talentvollen Girondisten beklagt, aber von frühster Zeit waren mir die Jakobiner und ihre Gräuel zum Abscheu, und die Größe eines Danton und Robespierre nur schauderhaft. Schon bei dem nächsten Besuche hatte auch Stein von seiner Bewunderung nur noch Abscheu, und im weitern
mit Lebhaftigkeit uͤber die Revolution, aber ſchimpfte nicht. Er war zu dem Nationalkonvent gelangt, und hier, wo ſein Haß den Gipfel erreicht haben mußte, wo die Verurtheilung und Hinrichtung Ludwigs des Sechzehnten, die gehaͤuften Graͤuel und Schreckniſſe aller Art ihn empoͤren mußten, ſah er ſich zu ſtaunender Bewunderung hingeriſſen durch die ungeheure Kraft und beiſpielloſe Macht, mit welcher der Wohlfahrtsaus¬ ſchuß das innere Frankreich beherrſchte, und nach außen allen Feinden ſiegreich die Spitze bot. Dieſe gewalt¬ ſamen Maßregeln, dieſe furchtbare Strenge und faſt uͤbermenſchliche Thaͤtigkeit, imponirten ihm, dieſe waren ſeines Weſens und Geſchmacks, ſolche haͤtte er ſelber jetzt zur Rettung Deutſchlands gegen die Franzoſen anwenden moͤgen. Wie kraͤftig dieſe Leute geweſen, was ſie alles geleiſtet und durchgeſetzt, hoͤrte er nicht auf zu preiſen, und hielt eine begeiſterte Lobrede auf jenen Ausſchuß, den er mir vorwarf nicht gehoͤrig zu erkennen. Denn freilich konnt' ich auch diesmal ihm nicht beiſtimmen: manche Vorgaͤnge der Revolution waren mir in guͤnſtigem Licht erſchienen, ich hatte die erſte Nationalverſammlung bewundert, die talentvollen Girondiſten beklagt, aber von fruͤhſter Zeit waren mir die Jakobiner und ihre Graͤuel zum Abſcheu, und die Groͤße eines Danton und Robespierre nur ſchauderhaft. Schon bei dem naͤchſten Beſuche hatte auch Stein von ſeiner Bewunderung nur noch Abſcheu, und im weitern
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mit Lebhaftigkeit uͤber die Revolution, aber ſchimpfte
nicht. Er war zu dem Nationalkonvent gelangt, und
hier, wo ſein Haß den Gipfel erreicht haben mußte,
wo die Verurtheilung und Hinrichtung Ludwigs des
Sechzehnten, die gehaͤuften Graͤuel und Schreckniſſe aller
Art ihn empoͤren mußten, ſah er ſich zu ſtaunender
Bewunderung hingeriſſen durch die ungeheure Kraft
und beiſpielloſe Macht, mit welcher der Wohlfahrtsaus¬
ſchuß das innere Frankreich beherrſchte, und nach außen
allen Feinden ſiegreich die Spitze bot. Dieſe gewalt¬
ſamen Maßregeln, dieſe furchtbare Strenge und faſt
uͤbermenſchliche Thaͤtigkeit, imponirten ihm, dieſe waren
ſeines Weſens und Geſchmacks, ſolche haͤtte er ſelber
jetzt zur Rettung Deutſchlands gegen die Franzoſen
anwenden moͤgen. Wie kraͤftig dieſe Leute geweſen,
was ſie alles geleiſtet und durchgeſetzt, hoͤrte er nicht
auf zu preiſen, und hielt eine begeiſterte Lobrede auf
jenen Ausſchuß, den er mir vorwarf nicht gehoͤrig zu
erkennen. Denn freilich konnt' ich auch diesmal ihm
nicht beiſtimmen: manche Vorgaͤnge der Revolution
waren mir in guͤnſtigem Licht erſchienen, ich hatte die
erſte Nationalverſammlung bewundert, die talentvollen
Girondiſten beklagt, aber von fruͤhſter Zeit waren mir
die Jakobiner und ihre Graͤuel zum Abſcheu, und die
Groͤße eines Danton und Robespierre nur ſchauderhaft.
Schon bei dem naͤchſten Beſuche hatte auch Stein von
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/195>, abgerufen am 24.11.2024.
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