Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Harren und Streben.

Prag 1811. 1812.


Nach dem wechselvollen Leben, das ich so lange ge¬
führt, erschien der herkömmliche Besatzungsdienst und
überhaupt der ganze Aufenthalt in Prag sehr beschränkt
und einförmig. Die drückenden Zeitläufte machten sich
überall fühlbar, der sinkende Werth des Papiergeldes
verursachte auf allen Seiten Verlust und Unsicherheit,
der gesellige Zusammenhang war schwach, und außer
der schroffen Trennung der Stände wirkte hier auch der
Unterschied der Volksstämme sehr merklich. Doch stan¬
den die deutsch und die böhmisch redenden Eingebornen
noch nicht so sehr von einander ab, als von beiden wir
deutsche Ausländer, die wir an Sinn, Richtung und
Gewohnheiten hier entschieden fremd waren, und trotz
manches Bemühens nicht heimisch wurden. Besonders
traf dies die zahlreichen Offiziere, welche aus Nord¬
deutschland wegen des Krieges nach Oesterreich gekom¬
men waren, und jetzt im Heere noch fortdienten. Auf

Harren und Streben.

Prag 1811. 1812.


Nach dem wechſelvollen Leben, das ich ſo lange ge¬
fuͤhrt, erſchien der herkoͤmmliche Beſatzungsdienſt und
uͤberhaupt der ganze Aufenthalt in Prag ſehr beſchraͤnkt
und einfoͤrmig. Die druͤckenden Zeitlaͤufte machten ſich
uͤberall fuͤhlbar, der ſinkende Werth des Papiergeldes
verurſachte auf allen Seiten Verluſt und Unſicherheit,
der geſellige Zuſammenhang war ſchwach, und außer
der ſchroffen Trennung der Staͤnde wirkte hier auch der
Unterſchied der Volksſtaͤmme ſehr merklich. Doch ſtan¬
den die deutſch und die boͤhmiſch redenden Eingebornen
noch nicht ſo ſehr von einander ab, als von beiden wir
deutſche Auslaͤnder, die wir an Sinn, Richtung und
Gewohnheiten hier entſchieden fremd waren, und trotz
manches Bemuͤhens nicht heimiſch wurden. Beſonders
traf dies die zahlreichen Offiziere, welche aus Nord¬
deutſchland wegen des Krieges nach Oeſterreich gekom¬
men waren, und jetzt im Heere noch fortdienten. Auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0180" n="[168]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b #g">Harren und Streben.</hi><lb/>
        </head>
        <p rendition="#c"><hi rendition="#g">Prag</hi> 1811. 1812.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">N</hi>ach dem wech&#x017F;elvollen Leben, das ich &#x017F;o lange ge¬<lb/>
fu&#x0364;hrt, er&#x017F;chien der herko&#x0364;mmliche Be&#x017F;atzungsdien&#x017F;t und<lb/>
u&#x0364;berhaupt der ganze Aufenthalt in Prag &#x017F;ehr be&#x017F;chra&#x0364;nkt<lb/>
und einfo&#x0364;rmig. Die dru&#x0364;ckenden Zeitla&#x0364;ufte machten &#x017F;ich<lb/>
u&#x0364;berall fu&#x0364;hlbar, der &#x017F;inkende Werth des Papiergeldes<lb/>
verur&#x017F;achte auf allen Seiten Verlu&#x017F;t und Un&#x017F;icherheit,<lb/>
der ge&#x017F;ellige Zu&#x017F;ammenhang war &#x017F;chwach, und außer<lb/>
der &#x017F;chroffen Trennung der Sta&#x0364;nde wirkte hier auch der<lb/>
Unter&#x017F;chied der Volks&#x017F;ta&#x0364;mme &#x017F;ehr merklich. Doch &#x017F;tan¬<lb/>
den die deut&#x017F;ch und die bo&#x0364;hmi&#x017F;ch redenden Eingebornen<lb/>
noch nicht &#x017F;o &#x017F;ehr von einander ab, als von beiden wir<lb/>
deut&#x017F;che Ausla&#x0364;nder, die wir an Sinn, Richtung und<lb/>
Gewohnheiten hier ent&#x017F;chieden fremd waren, und trotz<lb/>
manches Bemu&#x0364;hens nicht heimi&#x017F;ch wurden. Be&#x017F;onders<lb/>
traf dies die zahlreichen Offiziere, welche aus Nord¬<lb/>
deut&#x017F;chland wegen des Krieges nach Oe&#x017F;terreich gekom¬<lb/>
men waren, und jetzt im Heere noch fortdienten. Auf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[168]/0180] Harren und Streben. Prag 1811. 1812. Nach dem wechſelvollen Leben, das ich ſo lange ge¬ fuͤhrt, erſchien der herkoͤmmliche Beſatzungsdienſt und uͤberhaupt der ganze Aufenthalt in Prag ſehr beſchraͤnkt und einfoͤrmig. Die druͤckenden Zeitlaͤufte machten ſich uͤberall fuͤhlbar, der ſinkende Werth des Papiergeldes verurſachte auf allen Seiten Verluſt und Unſicherheit, der geſellige Zuſammenhang war ſchwach, und außer der ſchroffen Trennung der Staͤnde wirkte hier auch der Unterſchied der Volksſtaͤmme ſehr merklich. Doch ſtan¬ den die deutſch und die boͤhmiſch redenden Eingebornen noch nicht ſo ſehr von einander ab, als von beiden wir deutſche Auslaͤnder, die wir an Sinn, Richtung und Gewohnheiten hier entſchieden fremd waren, und trotz manches Bemuͤhens nicht heimiſch wurden. Beſonders traf dies die zahlreichen Offiziere, welche aus Nord¬ deutſchland wegen des Krieges nach Oeſterreich gekom¬ men waren, und jetzt im Heere noch fortdienten. Auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/180
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. [168]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/180>, abgerufen am 22.12.2024.