mung erhoben. -- Ich habe einem Balle des Casino beigewohnt; die Gesellschaft war zahlreich, alter Adel, Kaufleute, Offiziere von der französischen Besatzung. Unter den Frauen waren bildschöne Gesichter, die An¬ züge reich und geschmackvoll; man versicherte mit Be¬ stimmtheit, seit fünfzehn Jahren habe keine namhafte Frankfurterin sich mit einem Franzosen verheirathet. Der Gouverneur der Stadt, Graf Tascher, scheint ein gut¬ müthiger, muntrer Mensch, er befand sich anspruchslos in der Gesellschaft, und man bekümmerte sich wenig um ihn; aber andre Franzosen wollten sehr als Herren auftreten, und nahmen dem Gouverneur sogar übel, daß er sein Ansehn nicht strenger behauptete. Sehr angenehm war mir die Bekanntschaft des Herrn von Gontard, ehmaligen österreichischen Oberstlieutenants im Klenau'schen Chevauxlegersregiment, der mich nach vielen seiner alten Kammeraden fragte. Wie ein romantisches Land, von dem wüste Meere trennen, lebt in dem öster¬ reichischen Heere noch das sogenannte "Reich" in bestem Andenken, und wiederum steht den Reichern eben so das schöne kaiserliche Heer in der Erinnerung, welches in diesen Gegenden so lange Zeit mit wechselndem Glücke gekämpft. Wie viele Frankfurter sprachen mit Entzücken von jenen frühern Jahren! Nun ziehen täglich hier unter unsern Fenstern die französischen Truppen vorbei, und lärmen mit ihren Trommeln und ihrer Musik durch
mung erhoben. — Ich habe einem Balle des Caſino beigewohnt; die Geſellſchaft war zahlreich, alter Adel, Kaufleute, Offiziere von der franzoͤſiſchen Beſatzung. Unter den Frauen waren bildſchoͤne Geſichter, die An¬ zuͤge reich und geſchmackvoll; man verſicherte mit Be¬ ſtimmtheit, ſeit fuͤnfzehn Jahren habe keine namhafte Frankfurterin ſich mit einem Franzoſen verheirathet. Der Gouverneur der Stadt, Graf Taſcher, ſcheint ein gut¬ muͤthiger, muntrer Menſch, er befand ſich anſpruchslos in der Geſellſchaft, und man bekuͤmmerte ſich wenig um ihn; aber andre Franzoſen wollten ſehr als Herren auftreten, und nahmen dem Gouverneur ſogar uͤbel, daß er ſein Anſehn nicht ſtrenger behauptete. Sehr angenehm war mir die Bekanntſchaft des Herrn von Gontard, ehmaligen oͤſterreichiſchen Oberſtlieutenants im Klenau'ſchen Chevauxlegersregiment, der mich nach vielen ſeiner alten Kammeraden fragte. Wie ein romantiſches Land, von dem wuͤſte Meere trennen, lebt in dem oͤſter¬ reichiſchen Heere noch das ſogenannte „Reich“ in beſtem Andenken, und wiederum ſteht den Reichern eben ſo das ſchoͤne kaiſerliche Heer in der Erinnerung, welches in dieſen Gegenden ſo lange Zeit mit wechſelndem Gluͤcke gekaͤmpft. Wie viele Frankfurter ſprachen mit Entzuͤcken von jenen fruͤhern Jahren! Nun ziehen taͤglich hier unter unſern Fenſtern die franzoͤſiſchen Truppen vorbei, und laͤrmen mit ihren Trommeln und ihrer Muſik durch
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mung erhoben. — Ich habe einem Balle des Caſino
beigewohnt; die Geſellſchaft war zahlreich, alter Adel,
Kaufleute, Offiziere von der franzoͤſiſchen Beſatzung.
Unter den Frauen waren bildſchoͤne Geſichter, die An¬
zuͤge reich und geſchmackvoll; man verſicherte mit Be¬
ſtimmtheit, ſeit fuͤnfzehn Jahren habe keine namhafte
Frankfurterin ſich mit einem Franzoſen verheirathet. Der
Gouverneur der Stadt, Graf Taſcher, ſcheint ein gut¬
muͤthiger, muntrer Menſch, er befand ſich anſpruchslos
in der Geſellſchaft, und man bekuͤmmerte ſich wenig
um ihn; aber andre Franzoſen wollten ſehr als Herren
auftreten, und nahmen dem Gouverneur ſogar uͤbel,
daß er ſein Anſehn nicht ſtrenger behauptete. Sehr
angenehm war mir die Bekanntſchaft des Herrn von
Gontard, ehmaligen oͤſterreichiſchen Oberſtlieutenants im
Klenau'ſchen Chevauxlegersregiment, der mich nach vielen
ſeiner alten Kammeraden fragte. Wie ein romantiſches
Land, von dem wuͤſte Meere trennen, lebt in dem oͤſter¬
reichiſchen Heere noch das ſogenannte „Reich“ in beſtem
Andenken, und wiederum ſteht den Reichern eben ſo
das ſchoͤne kaiſerliche Heer in der Erinnerung, welches
in dieſen Gegenden ſo lange Zeit mit wechſelndem Gluͤcke
gekaͤmpft. Wie viele Frankfurter ſprachen mit Entzuͤcken
von jenen fruͤhern Jahren! Nun ziehen taͤglich hier
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/177>, abgerufen am 23.11.2024.
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