waren noch unverheirathet zu Hause. Ein jüngerer Bruder, in dänischen Kriegsdiensten angestellt, wurde von Kopenhagen erwartet. Jüngere und ältere Gesell¬ schaft bot die Stadt und Umgegend gar nicht sparsam dar: das Hofleben hatte sich allmählig in ein geselliges bequemes Landleben herabgestimmt, und die Annehm¬ lichkeit und Befriedigung aller Theilnehmenden dabei nur gewonnen. Selbst die Wirthschaftssorge trat als willkommene Thätigkeit in die Vergnügungen des Tages, und bildete freilich einen wunderlichen Gegensatz mit manchen noch beibehaltenen feierlichen Formen; die aus¬ geschmückten Trompeter, welche im Schloßhofe regel¬ mäßig zur Mittags- und Abendmahlzeit blasend ein¬ luden, riefen freilich manchmal die Hofdamen von der Besorgung der welschen Hühner, den Kanzleirath von der Einzählung der Baumfrüchte ab, doch wurde selbst dies nur ein Anlaß heitern Scherzes, und erhöhte das Bewußtsein, wie frei man sich in solch unentschiednen Zuständen aller beengenden Rücksichten entäußere. Der feste Grund innrer Würde und edler Gesinnung konnte in dieser trefflichen Familie niemals wanken, mochte sie in den stolzen Ansprüchen eines regierenden Hauses, oder in den bescheidenen einer Gutsherrschaft erscheinen!
Einige Jahre vor mir hatte Justus Gruner als junger Gelehrter in Steinfurt eingesprochen, und in seiner nachher gedruckten Reisebeschreibung sowohl das Leben als die Personen umständlich geschildert; ich fand
waren noch unverheirathet zu Hauſe. Ein juͤngerer Bruder, in daͤniſchen Kriegsdienſten angeſtellt, wurde von Kopenhagen erwartet. Juͤngere und aͤltere Geſell¬ ſchaft bot die Stadt und Umgegend gar nicht ſparſam dar: das Hofleben hatte ſich allmaͤhlig in ein geſelliges bequemes Landleben herabgeſtimmt, und die Annehm¬ lichkeit und Befriedigung aller Theilnehmenden dabei nur gewonnen. Selbſt die Wirthſchaftsſorge trat als willkommene Thaͤtigkeit in die Vergnuͤgungen des Tages, und bildete freilich einen wunderlichen Gegenſatz mit manchen noch beibehaltenen feierlichen Formen; die aus¬ geſchmuͤckten Trompeter, welche im Schloßhofe regel¬ maͤßig zur Mittags- und Abendmahlzeit blaſend ein¬ luden, riefen freilich manchmal die Hofdamen von der Beſorgung der welſchen Huͤhner, den Kanzleirath von der Einzaͤhlung der Baumfruͤchte ab, doch wurde ſelbſt dies nur ein Anlaß heitern Scherzes, und erhoͤhte das Bewußtſein, wie frei man ſich in ſolch unentſchiednen Zuſtaͤnden aller beengenden Ruͤckſichten entaͤußere. Der feſte Grund innrer Wuͤrde und edler Geſinnung konnte in dieſer trefflichen Familie niemals wanken, mochte ſie in den ſtolzen Anſpruͤchen eines regierenden Hauſes, oder in den beſcheidenen einer Gutsherrſchaft erſcheinen!
Einige Jahre vor mir hatte Juſtus Gruner als junger Gelehrter in Steinfurt eingeſprochen, und in ſeiner nachher gedruckten Reiſebeſchreibung ſowohl das Leben als die Perſonen umſtaͤndlich geſchildert; ich fand
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waren noch unverheirathet zu Hauſe. Ein juͤngerer
Bruder, in daͤniſchen Kriegsdienſten angeſtellt, wurde
von Kopenhagen erwartet. Juͤngere und aͤltere Geſell¬
ſchaft bot die Stadt und Umgegend gar nicht ſparſam
dar: das Hofleben hatte ſich allmaͤhlig in ein geſelliges
bequemes Landleben herabgeſtimmt, und die Annehm¬
lichkeit und Befriedigung aller Theilnehmenden dabei
nur gewonnen. Selbſt die Wirthſchaftsſorge trat als
willkommene Thaͤtigkeit in die Vergnuͤgungen des Tages,
und bildete freilich einen wunderlichen Gegenſatz mit
manchen noch beibehaltenen feierlichen Formen; die aus¬
geſchmuͤckten Trompeter, welche im Schloßhofe regel¬
maͤßig zur Mittags- und Abendmahlzeit blaſend ein¬
luden, riefen freilich manchmal die Hofdamen von der
Beſorgung der welſchen Huͤhner, den Kanzleirath von
der Einzaͤhlung der Baumfruͤchte ab, doch wurde ſelbſt
dies nur ein Anlaß heitern Scherzes, und erhoͤhte das
Bewußtſein, wie frei man ſich in ſolch unentſchiednen
Zuſtaͤnden aller beengenden Ruͤckſichten entaͤußere. Der
feſte Grund innrer Wuͤrde und edler Geſinnung konnte
in dieſer trefflichen Familie niemals wanken, mochte ſie
in den ſtolzen Anſpruͤchen eines regierenden Hauſes,
oder in den beſcheidenen einer Gutsherrſchaft erſcheinen!
Einige Jahre vor mir hatte Juſtus Gruner als
junger Gelehrter in Steinfurt eingeſprochen, und in
ſeiner nachher gedruckten Reiſebeſchreibung ſowohl das
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/147>, abgerufen am 22.11.2024.
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