Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

und Ausführung am leichtesten, und so fanden wir Beide
uns die ersten auf dem Wege, bei schönem Wetter um
die Mitte des April, aus studentischer Vorliebe und aus
Sparsamkeit diesmal zu Fuß, welches beides jedoch nur
von Halle bis Dessau und von Potsdam bis Berlin
vorhielt, denn zwischen Dessau und Potsdam übernahm
uns die traurige Oede und mühsame Beschwerlichkeit
der sandigen, damals noch ungebauten Landstraße zu
sehr, und wir bestiegen den Postwagen, der schon lange
neben uns fuhr, und jetzt unsrer Reise zwar wenig Be¬
schleunigung, aber doch einschläferndes Ausruhen ge¬
währte.

Wir sahen in Berlin der Reihe nach unsre Freunde
mit herzlichstem Willkommen. Leider entging uns nicht,
daß der Druck des Krieges in der ganzen Stadt hart
fühlbar war, überall zeigte sich Zerrüttung der Ver¬
hältnisse, Verringerung der Hülfsmittel, Einschränkung
der Lebensweise, dazu die unerschwinglichen Lasten der
Kriegsabgaben und der Einquartierung, und eine große
Muthlosigkeit in Betreff der Zukunft. Ein knappes und
spärliches Wesen, das von jeher an dem Berliner Leben
im Gegensatz üppigerer Hauptstädte bemerklich wurde,
zog sich noch mehr in's Enge und Bange, und stach
nur um so widriger gegen das Wohlleben ab, welches
die fremden Sieger auf Kosten des bezwungenen Landes
führten. Auch für uns selbst wurde dieser Zustand un¬
mittelbar empfindlich, denn so manche Hülfsquellen, auf

und Ausfuͤhrung am leichteſten, und ſo fanden wir Beide
uns die erſten auf dem Wege, bei ſchoͤnem Wetter um
die Mitte des April, aus ſtudentiſcher Vorliebe und aus
Sparſamkeit diesmal zu Fuß, welches beides jedoch nur
von Halle bis Deſſau und von Potsdam bis Berlin
vorhielt, denn zwiſchen Deſſau und Potsdam uͤbernahm
uns die traurige Oede und muͤhſame Beſchwerlichkeit
der ſandigen, damals noch ungebauten Landſtraße zu
ſehr, und wir beſtiegen den Poſtwagen, der ſchon lange
neben uns fuhr, und jetzt unſrer Reiſe zwar wenig Be¬
ſchleunigung, aber doch einſchlaͤferndes Ausruhen ge¬
waͤhrte.

Wir ſahen in Berlin der Reihe nach unſre Freunde
mit herzlichſtem Willkommen. Leider entging uns nicht,
daß der Druck des Krieges in der ganzen Stadt hart
fuͤhlbar war, uͤberall zeigte ſich Zerruͤttung der Ver¬
haͤltniſſe, Verringerung der Huͤlfsmittel, Einſchraͤnkung
der Lebensweiſe, dazu die unerſchwinglichen Laſten der
Kriegsabgaben und der Einquartierung, und eine große
Muthloſigkeit in Betreff der Zukunft. Ein knappes und
ſpaͤrliches Weſen, das von jeher an dem Berliner Leben
im Gegenſatz uͤppigerer Hauptſtaͤdte bemerklich wurde,
zog ſich noch mehr in's Enge und Bange, und ſtach
nur um ſo widriger gegen das Wohlleben ab, welches
die fremden Sieger auf Koſten des bezwungenen Landes
fuͤhrten. Auch fuͤr uns ſelbſt wurde dieſer Zuſtand un¬
mittelbar empfindlich, denn ſo manche Huͤlfsquellen, auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0014" n="2"/>
und Ausfu&#x0364;hrung am leichte&#x017F;ten, und &#x017F;o fanden wir Beide<lb/>
uns die er&#x017F;ten auf dem Wege, bei &#x017F;cho&#x0364;nem Wetter um<lb/>
die Mitte des April, aus &#x017F;tudenti&#x017F;cher Vorliebe und aus<lb/>
Spar&#x017F;amkeit diesmal zu Fuß, welches beides jedoch nur<lb/>
von Halle bis De&#x017F;&#x017F;au und von Potsdam bis Berlin<lb/>
vorhielt, denn zwi&#x017F;chen De&#x017F;&#x017F;au und Potsdam u&#x0364;bernahm<lb/>
uns die traurige Oede und mu&#x0364;h&#x017F;ame Be&#x017F;chwerlichkeit<lb/>
der &#x017F;andigen, damals noch ungebauten Land&#x017F;traße zu<lb/>
&#x017F;ehr, und wir be&#x017F;tiegen den Po&#x017F;twagen, der &#x017F;chon lange<lb/>
neben uns fuhr, und jetzt un&#x017F;rer Rei&#x017F;e zwar wenig Be¬<lb/>
&#x017F;chleunigung, aber doch ein&#x017F;chla&#x0364;ferndes Ausruhen ge¬<lb/>
wa&#x0364;hrte.</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;ahen in Berlin der Reihe nach un&#x017F;re Freunde<lb/>
mit herzlich&#x017F;tem Willkommen. Leider entging uns nicht,<lb/>
daß der Druck des Krieges in der ganzen Stadt hart<lb/>
fu&#x0364;hlbar war, u&#x0364;berall zeigte &#x017F;ich Zerru&#x0364;ttung der Ver¬<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, Verringerung der Hu&#x0364;lfsmittel, Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung<lb/>
der Lebenswei&#x017F;e, dazu die uner&#x017F;chwinglichen La&#x017F;ten der<lb/>
Kriegsabgaben und der Einquartierung, und eine große<lb/>
Muthlo&#x017F;igkeit in Betreff der Zukunft. Ein knappes und<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;rliches We&#x017F;en, das von jeher an dem Berliner Leben<lb/>
im Gegen&#x017F;atz u&#x0364;ppigerer Haupt&#x017F;ta&#x0364;dte bemerklich wurde,<lb/>
zog &#x017F;ich noch mehr in's Enge und Bange, und &#x017F;tach<lb/>
nur um &#x017F;o widriger gegen das Wohlleben ab, welches<lb/>
die fremden Sieger auf Ko&#x017F;ten des bezwungenen Landes<lb/>
fu&#x0364;hrten. Auch fu&#x0364;r uns &#x017F;elb&#x017F;t wurde die&#x017F;er Zu&#x017F;tand un¬<lb/>
mittelbar empfindlich, denn &#x017F;o manche Hu&#x0364;lfsquellen, auf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0014] und Ausfuͤhrung am leichteſten, und ſo fanden wir Beide uns die erſten auf dem Wege, bei ſchoͤnem Wetter um die Mitte des April, aus ſtudentiſcher Vorliebe und aus Sparſamkeit diesmal zu Fuß, welches beides jedoch nur von Halle bis Deſſau und von Potsdam bis Berlin vorhielt, denn zwiſchen Deſſau und Potsdam uͤbernahm uns die traurige Oede und muͤhſame Beſchwerlichkeit der ſandigen, damals noch ungebauten Landſtraße zu ſehr, und wir beſtiegen den Poſtwagen, der ſchon lange neben uns fuhr, und jetzt unſrer Reiſe zwar wenig Be¬ ſchleunigung, aber doch einſchlaͤferndes Ausruhen ge¬ waͤhrte. Wir ſahen in Berlin der Reihe nach unſre Freunde mit herzlichſtem Willkommen. Leider entging uns nicht, daß der Druck des Krieges in der ganzen Stadt hart fuͤhlbar war, uͤberall zeigte ſich Zerruͤttung der Ver¬ haͤltniſſe, Verringerung der Huͤlfsmittel, Einſchraͤnkung der Lebensweiſe, dazu die unerſchwinglichen Laſten der Kriegsabgaben und der Einquartierung, und eine große Muthloſigkeit in Betreff der Zukunft. Ein knappes und ſpaͤrliches Weſen, das von jeher an dem Berliner Leben im Gegenſatz uͤppigerer Hauptſtaͤdte bemerklich wurde, zog ſich noch mehr in's Enge und Bange, und ſtach nur um ſo widriger gegen das Wohlleben ab, welches die fremden Sieger auf Koſten des bezwungenen Landes fuͤhrten. Auch fuͤr uns ſelbſt wurde dieſer Zuſtand un¬ mittelbar empfindlich, denn ſo manche Huͤlfsquellen, auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/14
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/14>, abgerufen am 24.11.2024.