liefert, ist für Kerner der eigentliche Buchhändler, mehr als der ordentliche, für Gelehrte und Gebildete sorgende Verleger, und der Name Fleischhauer macht ihm einen bessern Eindruck, als alle Cotta, Göschen und Perthes. Er liebt die Nachdrucker, wie man Zigeuner liebt, aus dem romantischen, gesetzlosen Hang im Menschen, wo¬ bei man doch nicht ansteht erforderlichen Falles gegen die Lieblinge es mit der ordentlichen Obrigkeit zu halten. Unser Mann erzählte, seit die Stadt Königlich gewor¬ den, habe sich sein Absatz ungemein beschränkt, auch dürfe mancher beliebte Artikel nicht wieder aufgelegt werden. Auf die Frage, ob bei neuem Abdruck der Volksbücher nie etwas verändert, sondern der alte Text treu wiedergegeben würde, versetzte der Mann, unsre Meinung mißverstehend, er würde gern manches ändern, aber es sei dazu keine Zeit übrig. "Gottlob! seufzte Kerner, haben Sie nur immer recht viel zu thun!" Diese warme Theilnahme für sein gewerbliches Gedeihen nahm der Mann mit gerührter Dankbarkeit auf. Ker¬ ner versprach ihm noch den hier nicht mehr vorfindlichen und überhaupt seltnen Ritter Pontus zum neuen Ab¬ druck, und ich empfahl ihm den in Berlin bei Littfaß herausgekommenen Werther. Er versprach beides zu drucken. Eigentlich hält er uns, die wir doch Tübinger Gelehrte vorstellen, für etwas närrisch, daß wir uns mit seinem Löschpapier befassen, und um seine Ausgaben kümmern. Daß auf unsrer Rechnung der Kaiser Okta¬
liefert, iſt fuͤr Kerner der eigentliche Buchhaͤndler, mehr als der ordentliche, fuͤr Gelehrte und Gebildete ſorgende Verleger, und der Name Fleiſchhauer macht ihm einen beſſern Eindruck, als alle Cotta, Goͤſchen und Perthes. Er liebt die Nachdrucker, wie man Zigeuner liebt, aus dem romantiſchen, geſetzloſen Hang im Menſchen, wo¬ bei man doch nicht anſteht erforderlichen Falles gegen die Lieblinge es mit der ordentlichen Obrigkeit zu halten. Unſer Mann erzaͤhlte, ſeit die Stadt Koͤniglich gewor¬ den, habe ſich ſein Abſatz ungemein beſchraͤnkt, auch duͤrfe mancher beliebte Artikel nicht wieder aufgelegt werden. Auf die Frage, ob bei neuem Abdruck der Volksbuͤcher nie etwas veraͤndert, ſondern der alte Text treu wiedergegeben wuͤrde, verſetzte der Mann, unſre Meinung mißverſtehend, er wuͤrde gern manches aͤndern, aber es ſei dazu keine Zeit uͤbrig. „Gottlob! ſeufzte Kerner, haben Sie nur immer recht viel zu thun!“ Dieſe warme Theilnahme fuͤr ſein gewerbliches Gedeihen nahm der Mann mit geruͤhrter Dankbarkeit auf. Ker¬ ner verſprach ihm noch den hier nicht mehr vorfindlichen und uͤberhaupt ſeltnen Ritter Pontus zum neuen Ab¬ druck, und ich empfahl ihm den in Berlin bei Littfaß herausgekommenen Werther. Er verſprach beides zu drucken. Eigentlich haͤlt er uns, die wir doch Tuͤbinger Gelehrte vorſtellen, fuͤr etwas naͤrriſch, daß wir uns mit ſeinem Loͤſchpapier befaſſen, und um ſeine Ausgaben kuͤmmern. Daß auf unſrer Rechnung der Kaiſer Okta¬
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[104/0116]
liefert, iſt fuͤr Kerner der eigentliche Buchhaͤndler, mehr
als der ordentliche, fuͤr Gelehrte und Gebildete ſorgende
Verleger, und der Name Fleiſchhauer macht ihm einen
beſſern Eindruck, als alle Cotta, Goͤſchen und Perthes.
Er liebt die Nachdrucker, wie man Zigeuner liebt, aus
dem romantiſchen, geſetzloſen Hang im Menſchen, wo¬
bei man doch nicht anſteht erforderlichen Falles gegen
die Lieblinge es mit der ordentlichen Obrigkeit zu halten.
Unſer Mann erzaͤhlte, ſeit die Stadt Koͤniglich gewor¬
den, habe ſich ſein Abſatz ungemein beſchraͤnkt, auch
duͤrfe mancher beliebte Artikel nicht wieder aufgelegt
werden. Auf die Frage, ob bei neuem Abdruck der
Volksbuͤcher nie etwas veraͤndert, ſondern der alte Text
treu wiedergegeben wuͤrde, verſetzte der Mann, unſre
Meinung mißverſtehend, er wuͤrde gern manches aͤndern,
aber es ſei dazu keine Zeit uͤbrig. „Gottlob! ſeufzte
Kerner, haben Sie nur immer recht viel zu thun!“
Dieſe warme Theilnahme fuͤr ſein gewerbliches Gedeihen
nahm der Mann mit geruͤhrter Dankbarkeit auf. Ker¬
ner verſprach ihm noch den hier nicht mehr vorfindlichen
und uͤberhaupt ſeltnen Ritter Pontus zum neuen Ab¬
druck, und ich empfahl ihm den in Berlin bei Littfaß
herausgekommenen Werther. Er verſprach beides zu
drucken. Eigentlich haͤlt er uns, die wir doch Tuͤbinger
Gelehrte vorſtellen, fuͤr etwas naͤrriſch, daß wir uns
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/116>, abgerufen am 12.12.2024.
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