und so menschenfreundlich, gutmüthig und zutraulich, daß er wohl nie jemanden aus freien Stücken gekränkt, und immer gleich verziehen hat, wo er der Gekränkte war. Früher sollte er in Ludwigsburg die Handlung lernen, dann kam er zur Universität, er folgte der Be¬ stimmung, die man ihm gab, empfand weder Vorliebe noch Abneigung; er meint, es sei so wenig Freude in der Welt, daß man nur eben etwas -- gleichviel was -- thun müsse, damit die Zeit verstreiche, und so das ganze Leben; den Vortheil hat er, daß, wie ihn nichts sonder¬ lich freut, ihn auch nichts eigentlich schmerzt, und so lebt er munter und harmlos fort. Die vier Jahre, die er nun hier studirt, hat er ohne Anstrengung doch mit großem Fleiße benutzt, außerordentlich viel gelernt, und auch schon Kranke mit Geschicklichkeit und Erfolg be¬ handelt. Sobald er Doktor geworden, reis't er nach Hamburg, und von da nach Kopenhagen oder Wien; auf ihn werden die großen Städte schon wirken! Zu seiner Dissertation hat er Bemerkungen über das Ge¬ hör gewählt, und deßhalb ganz neue Versuche mit Thieren angestellt. In seiner Stube lebt er mit Hun¬ den, Katzen, Hühnern, Gänsen, Eulen, Eichhörnchen, Kröten, Eidechsen, Mäusen, und man weiß was noch sonst für Gethier, ganz freundschaftlich zusammen, und hat nur seine Noth, Thür und Fenster zu verwahren, daß ihm die Gäste nicht entschlüpfen; ob seine Bücher oder Kleider in Gefahr sind, ob ihn ein Thier im
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und ſo menſchenfreundlich, gutmuͤthig und zutraulich, daß er wohl nie jemanden aus freien Stuͤcken gekraͤnkt, und immer gleich verziehen hat, wo er der Gekraͤnkte war. Fruͤher ſollte er in Ludwigsburg die Handlung lernen, dann kam er zur Univerſitaͤt, er folgte der Be¬ ſtimmung, die man ihm gab, empfand weder Vorliebe noch Abneigung; er meint, es ſei ſo wenig Freude in der Welt, daß man nur eben etwas — gleichviel was — thun muͤſſe, damit die Zeit verſtreiche, und ſo das ganze Leben; den Vortheil hat er, daß, wie ihn nichts ſonder¬ lich freut, ihn auch nichts eigentlich ſchmerzt, und ſo lebt er munter und harmlos fort. Die vier Jahre, die er nun hier ſtudirt, hat er ohne Anſtrengung doch mit großem Fleiße benutzt, außerordentlich viel gelernt, und auch ſchon Kranke mit Geſchicklichkeit und Erfolg be¬ handelt. Sobald er Doktor geworden, reiſ't er nach Hamburg, und von da nach Kopenhagen oder Wien; auf ihn werden die großen Staͤdte ſchon wirken! Zu ſeiner Diſſertation hat er Bemerkungen uͤber das Ge¬ hoͤr gewaͤhlt, und deßhalb ganz neue Verſuche mit Thieren angeſtellt. In ſeiner Stube lebt er mit Hun¬ den, Katzen, Huͤhnern, Gaͤnſen, Eulen, Eichhoͤrnchen, Kroͤten, Eidechſen, Maͤuſen, und man weiß was noch ſonſt fuͤr Gethier, ganz freundſchaftlich zuſammen, und hat nur ſeine Noth, Thuͤr und Fenſter zu verwahren, daß ihm die Gaͤſte nicht entſchluͤpfen; ob ſeine Buͤcher oder Kleider in Gefahr ſind, ob ihn ein Thier im
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und ſo menſchenfreundlich, gutmuͤthig und zutraulich,
daß er wohl nie jemanden aus freien Stuͤcken gekraͤnkt,
und immer gleich verziehen hat, wo er der Gekraͤnkte
war. Fruͤher ſollte er in Ludwigsburg die Handlung
lernen, dann kam er zur Univerſitaͤt, er folgte der Be¬
ſtimmung, die man ihm gab, empfand weder Vorliebe
noch Abneigung; er meint, es ſei ſo wenig Freude in
der Welt, daß man nur eben etwas — gleichviel was —
thun muͤſſe, damit die Zeit verſtreiche, und ſo das ganze
Leben; den Vortheil hat er, daß, wie ihn nichts ſonder¬
lich freut, ihn auch nichts eigentlich ſchmerzt, und ſo
lebt er munter und harmlos fort. Die vier Jahre, die
er nun hier ſtudirt, hat er ohne Anſtrengung doch mit
großem Fleiße benutzt, außerordentlich viel gelernt, und
auch ſchon Kranke mit Geſchicklichkeit und Erfolg be¬
handelt. Sobald er Doktor geworden, reiſ't er nach
Hamburg, und von da nach Kopenhagen oder Wien;
auf ihn werden die großen Staͤdte ſchon wirken! Zu
ſeiner Diſſertation hat er Bemerkungen uͤber das Ge¬
hoͤr gewaͤhlt, und deßhalb ganz neue Verſuche mit
Thieren angeſtellt. In ſeiner Stube lebt er mit Hun¬
den, Katzen, Huͤhnern, Gaͤnſen, Eulen, Eichhoͤrnchen,
Kroͤten, Eidechſen, Maͤuſen, und man weiß was noch
ſonſt fuͤr Gethier, ganz freundſchaftlich zuſammen, und
hat nur ſeine Noth, Thuͤr und Fenſter zu verwahren,
daß ihm die Gaͤſte nicht entſchluͤpfen; ob ſeine Buͤcher
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/111>, abgerufen am 04.12.2024.
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