solcher Zeit sich niederlassen? Und was kann man sonst thun? Ich genug! Ich finde nur zu viele Möglich¬ keiten, denen ich folgen kann. Zum Kriege kann jeder taugen, und ich also auch; die Gelegenheit wird nicht fehlen, denn Deutschland ist noch lange nicht völlig unterjocht, und noch lange nicht völlig frei; da muß noch oft zu den Waffen gegriffen werden, kann ich hieran nicht Theil nehmen, so bleibt mir ein entschiede¬ ner Anspruch ewig unbefriedigt. Aber auch geistige Thätigkeit reizt mich, litterarische, auf das gesellschaft¬ liche Leben wirksame; sollt' ich nicht als Schriftsteller leben können, und auch hier mitunter die gewünschte Kriegsbahn gegen den Feind eröffnet finden? Aber der Augenblick drängt; was soll ich wählen, was kann ich ergreifen? Ich kann nichts abwarten, ich habe nur Boden, so fern ich gewählt habe, und auch da zuerst nur unfruchtbaren! Ob die Früchte dann kommen, oder ausbleiben, das steht dahin. --
Ich war bei Cotta, dem ich meinen Empfehlungs- und Kreditbrief übergab. Ich glaubte meinen Augen nicht, als ich nach der Cotta'schen Buchhandlung fragte, und man mich in ein Lädchen wies, wo ich mich fast schämte einzutreten; so winzig, eng und schmucklos hab' ich neue Bücher noch nie wohnen sehen, alte wohl! Und noch dazu ist dies der Ort, wo die Schiller und Goethe recht eigentlich zu Hause sind, von wo sie aus¬ gehn. Der eine, emsig beschäftigte, aber dennoch gut¬
ſolcher Zeit ſich niederlaſſen? Und was kann man ſonſt thun? Ich genug! Ich finde nur zu viele Moͤglich¬ keiten, denen ich folgen kann. Zum Kriege kann jeder taugen, und ich alſo auch; die Gelegenheit wird nicht fehlen, denn Deutſchland iſt noch lange nicht voͤllig unterjocht, und noch lange nicht voͤllig frei; da muß noch oft zu den Waffen gegriffen werden, kann ich hieran nicht Theil nehmen, ſo bleibt mir ein entſchiede¬ ner Anſpruch ewig unbefriedigt. Aber auch geiſtige Thaͤtigkeit reizt mich, litterariſche, auf das geſellſchaft¬ liche Leben wirkſame; ſollt' ich nicht als Schriftſteller leben koͤnnen, und auch hier mitunter die gewuͤnſchte Kriegsbahn gegen den Feind eroͤffnet finden? Aber der Augenblick draͤngt; was ſoll ich waͤhlen, was kann ich ergreifen? Ich kann nichts abwarten, ich habe nur Boden, ſo fern ich gewaͤhlt habe, und auch da zuerſt nur unfruchtbaren! Ob die Fruͤchte dann kommen, oder ausbleiben, das ſteht dahin. —
Ich war bei Cotta, dem ich meinen Empfehlungs- und Kreditbrief uͤbergab. Ich glaubte meinen Augen nicht, als ich nach der Cotta'ſchen Buchhandlung fragte, und man mich in ein Laͤdchen wies, wo ich mich faſt ſchaͤmte einzutreten; ſo winzig, eng und ſchmucklos hab' ich neue Buͤcher noch nie wohnen ſehen, alte wohl! Und noch dazu iſt dies der Ort, wo die Schiller und Goethe recht eigentlich zu Hauſe ſind, von wo ſie aus¬ gehn. Der eine, emſig beſchaͤftigte, aber dennoch gut¬
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ſolcher Zeit ſich niederlaſſen? Und was kann man ſonſt
thun? Ich genug! Ich finde nur zu viele Moͤglich¬
keiten, denen ich folgen kann. Zum Kriege kann jeder
taugen, und ich alſo auch; die Gelegenheit wird nicht
fehlen, denn Deutſchland iſt noch lange nicht voͤllig
unterjocht, und noch lange nicht voͤllig frei; da muß
noch oft zu den Waffen gegriffen werden, kann ich
hieran nicht Theil nehmen, ſo bleibt mir ein entſchiede¬
ner Anſpruch ewig unbefriedigt. Aber auch geiſtige
Thaͤtigkeit reizt mich, litterariſche, auf das geſellſchaft¬
liche Leben wirkſame; ſollt' ich nicht als Schriftſteller
leben koͤnnen, und auch hier mitunter die gewuͤnſchte
Kriegsbahn gegen den Feind eroͤffnet finden? Aber der
Augenblick draͤngt; was ſoll ich waͤhlen, was kann ich
ergreifen? Ich kann nichts abwarten, ich habe nur
Boden, ſo fern ich gewaͤhlt habe, und auch da zuerſt
nur unfruchtbaren! Ob die Fruͤchte dann kommen,
oder ausbleiben, das ſteht dahin. —
Ich war bei Cotta, dem ich meinen Empfehlungs-
und Kreditbrief uͤbergab. Ich glaubte meinen Augen
nicht, als ich nach der Cotta'ſchen Buchhandlung fragte,
und man mich in ein Laͤdchen wies, wo ich mich faſt
ſchaͤmte einzutreten; ſo winzig, eng und ſchmucklos hab'
ich neue Buͤcher noch nie wohnen ſehen, alte wohl!
Und noch dazu iſt dies der Ort, wo die Schiller und
Goethe recht eigentlich zu Hauſe ſind, von wo ſie aus¬
gehn. Der eine, emſig beſchaͤftigte, aber dennoch gut¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/101>, abgerufen am 12.12.2024.
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