und zeigt von dem bessern Geiste, der unter seiner Lei¬ tung die hamburgische studirende Jugend beseelte, daß David Mendel, bei solchem Aeußern und solcher Eigen¬ heit, wegen seines Wissens und Eifers wahrhaft geach¬ tet wurde, worin die angesehensten und grade nach außen stattlichsten Mitschüler das Beispiel gaben. Sein philosophischer Eifer verband sich leicht mit unsrem poe¬ tischen, beide waren in ihrer Unreife einander ähnlich genug. Er zog uns in seine Platonischen Kreise hin¬ ein, und wir gewannen wenigstens an Kenntniß und Uebung des Griechischen, so wenig ihm selbst an der Sprache als solcher etwas gelegen war; dafür brachten wir ihm manchen Funken und Strahl aus der neuern Litteratur zu. Für den griechischen Staat, für die griechischen Religionsvorstellungen, überhaupt für das griechische Leben, war er leidenschaftlich eingenommen, ebenso für die französische Freiheit und Gleichheit, von deren Erscheinungen er genug wußte, um sich als er¬ klärten Anhänger der Girondisten zu bekennen, als welche mit Geist und Tugend einen Freistaat gewollt, und für ihre Ideen größtentheils das Leben geopfert hätten. Dergleichen Besonderheit erregte Kopfschütteln, wie auch die ungemeine Liebe zum Platon, welche zwar nachge¬ sehen, aber doch als Schwärmerei mißbilligt wurde; sie dauerte jedoch beharrlich fort, und schloß nach und nach auch andre Philosophen, besonders die Pythagoräer,
und zeigt von dem beſſern Geiſte, der unter ſeiner Lei¬ tung die hamburgiſche ſtudirende Jugend beſeelte, daß David Mendel, bei ſolchem Aeußern und ſolcher Eigen¬ heit, wegen ſeines Wiſſens und Eifers wahrhaft geach¬ tet wurde, worin die angeſehenſten und grade nach außen ſtattlichſten Mitſchuͤler das Beiſpiel gaben. Sein philoſophiſcher Eifer verband ſich leicht mit unſrem poe¬ tiſchen, beide waren in ihrer Unreife einander aͤhnlich genug. Er zog uns in ſeine Platoniſchen Kreiſe hin¬ ein, und wir gewannen wenigſtens an Kenntniß und Uebung des Griechiſchen, ſo wenig ihm ſelbſt an der Sprache als ſolcher etwas gelegen war; dafuͤr brachten wir ihm manchen Funken und Strahl aus der neuern Litteratur zu. Fuͤr den griechiſchen Staat, fuͤr die griechiſchen Religionsvorſtellungen, uͤberhaupt fuͤr das griechiſche Leben, war er leidenſchaftlich eingenommen, ebenſo fuͤr die franzoͤſiſche Freiheit und Gleichheit, von deren Erſcheinungen er genug wußte, um ſich als er¬ klaͤrten Anhaͤnger der Girondiſten zu bekennen, als welche mit Geiſt und Tugend einen Freiſtaat gewollt, und fuͤr ihre Ideen groͤßtentheils das Leben geopfert haͤtten. Dergleichen Beſonderheit erregte Kopfſchuͤtteln, wie auch die ungemeine Liebe zum Platon, welche zwar nachge¬ ſehen, aber doch als Schwaͤrmerei mißbilligt wurde; ſie dauerte jedoch beharrlich fort, und ſchloß nach und nach auch andre Philoſophen, beſonders die Pythagoraͤer,
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und zeigt von dem beſſern Geiſte, der unter ſeiner Lei¬
tung die hamburgiſche ſtudirende Jugend beſeelte, daß
David Mendel, bei ſolchem Aeußern und ſolcher Eigen¬
heit, wegen ſeines Wiſſens und Eifers wahrhaft geach¬
tet wurde, worin die angeſehenſten und grade nach
außen ſtattlichſten Mitſchuͤler das Beiſpiel gaben. Sein
philoſophiſcher Eifer verband ſich leicht mit unſrem poe¬
tiſchen, beide waren in ihrer Unreife einander aͤhnlich
genug. Er zog uns in ſeine Platoniſchen Kreiſe hin¬
ein, und wir gewannen wenigſtens an Kenntniß und
Uebung des Griechiſchen, ſo wenig ihm ſelbſt an der
Sprache als ſolcher etwas gelegen war; dafuͤr brachten
wir ihm manchen Funken und Strahl aus der neuern
Litteratur zu. Fuͤr den griechiſchen Staat, fuͤr die
griechiſchen Religionsvorſtellungen, uͤberhaupt fuͤr das
griechiſche Leben, war er leidenſchaftlich eingenommen,
ebenſo fuͤr die franzoͤſiſche Freiheit und Gleichheit, von
deren Erſcheinungen er genug wußte, um ſich als er¬
klaͤrten Anhaͤnger der Girondiſten zu bekennen, als welche
mit Geiſt und Tugend einen Freiſtaat gewollt, und fuͤr
ihre Ideen groͤßtentheils das Leben geopfert haͤtten.
Dergleichen Beſonderheit erregte Kopfſchuͤtteln, wie auch
die ungemeine Liebe zum Platon, welche zwar nachge¬
ſehen, aber doch als Schwaͤrmerei mißbilligt wurde; ſie
dauerte jedoch beharrlich fort, und ſchloß nach und nach
auch andre Philoſophen, beſonders die Pythagoraͤer,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/98>, abgerufen am 23.11.2024.
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