den Freunden ämsig mitgetheilt und von allen hoch auf¬ genommen, hatte jedoch in Betreff unsrer Gedichte keinen hemmenden Einfluß, wir machten lyrische nach wie vor, je nachdem der Tag sie gab und erlaubte, und ver¬ schoben größere Plane auf künftige Zeit. --
Ich zog bei Neumann ein, und wir befanden uns zwar in einiger Enge, aber doch ganz gut. Ungehemm¬ ten Eifers warfen wir nun mit allen Kräften uns auf das Griechische, und nahmen jede Gelegenheit wahr, die sich unsrem Verlangen darbot. Wir ließen uns förmlich zu Mitgliedern des Gymnasiums aufnehmen, besuchten aber hauptsächlich die Lehrstunden des Johanneums. Zum erstenmal genoß ich frei und ungetrübt das hohe Glück, ohne Hemmung und Ablenkung die herrlichsten Geistes¬ wege zu durchschreiten, zu welchen heiße Neigung und tiefes Bedürfniß mich schon so lange Zeit hindrängten, wie keine Jugendleidenschaft es heftiger zu andern Ge¬ genständen gekonnt hätte. Die schönen Sommertage waren es jetzt mir dadurch erst recht, daß ich, dem Freunde gegenüber, im Genuß aller Lockungen des lich¬ ten und milden Wetters, aber durch noch höheren Reiz gefesselt, vom frühen Morgen bis zum späten Abend angestrengt über den Büchern sitzen konnte, und ich empfand in dem beharrlichen, nachdrücklichen Fleiß eine Befriedigung, ein Wohlsein und Gedeihen, wie sie nicht oft im so vielfach gestörten Leben erreicht werden. Die Wochen, welche uns auf diese Weise dahin flossen,
den Freunden aͤmſig mitgetheilt und von allen hoch auf¬ genommen, hatte jedoch in Betreff unſrer Gedichte keinen hemmenden Einfluß, wir machten lyriſche nach wie vor, je nachdem der Tag ſie gab und erlaubte, und ver¬ ſchoben groͤßere Plane auf kuͤnftige Zeit. —
Ich zog bei Neumann ein, und wir befanden uns zwar in einiger Enge, aber doch ganz gut. Ungehemm¬ ten Eifers warfen wir nun mit allen Kraͤften uns auf das Griechiſche, und nahmen jede Gelegenheit wahr, die ſich unſrem Verlangen darbot. Wir ließen uns foͤrmlich zu Mitgliedern des Gymnaſiums aufnehmen, beſuchten aber hauptſaͤchlich die Lehrſtunden des Johanneums. Zum erſtenmal genoß ich frei und ungetruͤbt das hohe Gluͤck, ohne Hemmung und Ablenkung die herrlichſten Geiſtes¬ wege zu durchſchreiten, zu welchen heiße Neigung und tiefes Beduͤrfniß mich ſchon ſo lange Zeit hindraͤngten, wie keine Jugendleidenſchaft es heftiger zu andern Ge¬ genſtaͤnden gekonnt haͤtte. Die ſchoͤnen Sommertage waren es jetzt mir dadurch erſt recht, daß ich, dem Freunde gegenuͤber, im Genuß aller Lockungen des lich¬ ten und milden Wetters, aber durch noch hoͤheren Reiz gefeſſelt, vom fruͤhen Morgen bis zum ſpaͤten Abend angeſtrengt uͤber den Buͤchern ſitzen konnte, und ich empfand in dem beharrlichen, nachdruͤcklichen Fleiß eine Befriedigung, ein Wohlſein und Gedeihen, wie ſie nicht oft im ſo vielfach geſtoͤrten Leben erreicht werden. Die Wochen, welche uns auf dieſe Weiſe dahin floſſen,
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den Freunden aͤmſig mitgetheilt und von allen hoch auf¬
genommen, hatte jedoch in Betreff unſrer Gedichte keinen
hemmenden Einfluß, wir machten lyriſche nach wie vor,
je nachdem der Tag ſie gab und erlaubte, und ver¬
ſchoben groͤßere Plane auf kuͤnftige Zeit. —
Ich zog bei Neumann ein, und wir befanden uns
zwar in einiger Enge, aber doch ganz gut. Ungehemm¬
ten Eifers warfen wir nun mit allen Kraͤften uns auf das
Griechiſche, und nahmen jede Gelegenheit wahr, die ſich
unſrem Verlangen darbot. Wir ließen uns foͤrmlich zu
Mitgliedern des Gymnaſiums aufnehmen, beſuchten aber
hauptſaͤchlich die Lehrſtunden des Johanneums. Zum
erſtenmal genoß ich frei und ungetruͤbt das hohe Gluͤck,
ohne Hemmung und Ablenkung die herrlichſten Geiſtes¬
wege zu durchſchreiten, zu welchen heiße Neigung und
tiefes Beduͤrfniß mich ſchon ſo lange Zeit hindraͤngten,
wie keine Jugendleidenſchaft es heftiger zu andern Ge¬
genſtaͤnden gekonnt haͤtte. Die ſchoͤnen Sommertage
waren es jetzt mir dadurch erſt recht, daß ich, dem
Freunde gegenuͤber, im Genuß aller Lockungen des lich¬
ten und milden Wetters, aber durch noch hoͤheren Reiz
gefeſſelt, vom fruͤhen Morgen bis zum ſpaͤten Abend
angeſtrengt uͤber den Buͤchern ſitzen konnte, und ich
empfand in dem beharrlichen, nachdruͤcklichen Fleiß eine
Befriedigung, ein Wohlſein und Gedeihen, wie ſie nicht
oft im ſo vielfach geſtoͤrten Leben erreicht werden. Die
Wochen, welche uns auf dieſe Weiſe dahin floſſen,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/94>, abgerufen am 23.11.2024.
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