Tagesblättern genug zur Sprache, aber im Buchhandel konnte er, gleich dem vorigen, zu keinem Leben ge¬ langen. Seine Wirkung war dennoch in einem weiten Kreise nicht unbedeutend, und mehrte bei solchen Poe¬ tischgesinnten, welche dem neuern Wesen ihren Sinn oder ihr Herz eröffnet hatten, unser Ansehn und unsre Verhältnisse. --
Einige Bekanntschaften von höherer Anregung hatten inzwischen auch in meinem nächsten Bereiche sich auf¬ gethan, und es kamen die poetischen und überhaupt die litterarischen Interessen bei Gelegenheit des grünen Büchleins nur um so lebhafter zur Sprache. Am eifrigsten und hingegebensten zeigte sich Heinrich Julius, der nach einer in Berlin bei Feßler überstandenen Er¬ ziehung nun im väterlichen Hause bequem seine Kennt¬ nisse erweiterte, bis er zu seiner Zeit irgend einen Lebensentschluß fassen würde. Er studirte später in Heidelberg Medizin und hat sich in der Folge durch seine verdienstlichen Arbeiten zur Verbesserung der Straf¬ anstalten und Gefängnisse bekannt gemacht. --
Der bedeutendste Mann, welchen ich in dieser Zeit sah, war ohne Zweifel Doctor Veit, ein aus Breslau gebürtiger, in Hamburg ansässiger Arzt. Zwar verhielt er sich zu meinen medizinischen Vorstellungen noch pro¬ blematisch; allein er hatte strengwissenschaftlichen Grund und Geist, und sein tiefer, gebildeter Verstand führte ihn sicher und fest auch in Gebieten, die nicht gerade
Tagesblaͤttern genug zur Sprache, aber im Buchhandel konnte er, gleich dem vorigen, zu keinem Leben ge¬ langen. Seine Wirkung war dennoch in einem weiten Kreiſe nicht unbedeutend, und mehrte bei ſolchen Poe¬ tiſchgeſinnten, welche dem neuern Weſen ihren Sinn oder ihr Herz eroͤffnet hatten, unſer Anſehn und unſre Verhaͤltniſſe. —
Einige Bekanntſchaften von hoͤherer Anregung hatten inzwiſchen auch in meinem naͤchſten Bereiche ſich auf¬ gethan, und es kamen die poetiſchen und uͤberhaupt die litterariſchen Intereſſen bei Gelegenheit des gruͤnen Buͤchleins nur um ſo lebhafter zur Sprache. Am eifrigſten und hingegebenſten zeigte ſich Heinrich Julius, der nach einer in Berlin bei Feßler uͤberſtandenen Er¬ ziehung nun im vaͤterlichen Hauſe bequem ſeine Kennt¬ niſſe erweiterte, bis er zu ſeiner Zeit irgend einen Lebensentſchluß faſſen wuͤrde. Er ſtudirte ſpaͤter in Heidelberg Medizin und hat ſich in der Folge durch ſeine verdienſtlichen Arbeiten zur Verbeſſerung der Straf¬ anſtalten und Gefaͤngniſſe bekannt gemacht. —
Der bedeutendſte Mann, welchen ich in dieſer Zeit ſah, war ohne Zweifel Doctor Veit, ein aus Breslau gebuͤrtiger, in Hamburg anſaͤſſiger Arzt. Zwar verhielt er ſich zu meinen mediziniſchen Vorſtellungen noch pro¬ blematiſch; allein er hatte ſtrengwiſſenſchaftlichen Grund und Geiſt, und ſein tiefer, gebildeter Verſtand fuͤhrte ihn ſicher und feſt auch in Gebieten, die nicht gerade
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Tagesblaͤttern genug zur Sprache, aber im Buchhandel
konnte er, gleich dem vorigen, zu keinem Leben ge¬
langen. Seine Wirkung war dennoch in einem weiten
Kreiſe nicht unbedeutend, und mehrte bei ſolchen Poe¬
tiſchgeſinnten, welche dem neuern Weſen ihren Sinn
oder ihr Herz eroͤffnet hatten, unſer Anſehn und unſre
Verhaͤltniſſe. —
Einige Bekanntſchaften von hoͤherer Anregung hatten
inzwiſchen auch in meinem naͤchſten Bereiche ſich auf¬
gethan, und es kamen die poetiſchen und uͤberhaupt die
litterariſchen Intereſſen bei Gelegenheit des gruͤnen
Buͤchleins nur um ſo lebhafter zur Sprache. Am
eifrigſten und hingegebenſten zeigte ſich Heinrich Julius,
der nach einer in Berlin bei Feßler uͤberſtandenen Er¬
ziehung nun im vaͤterlichen Hauſe bequem ſeine Kennt¬
niſſe erweiterte, bis er zu ſeiner Zeit irgend einen
Lebensentſchluß faſſen wuͤrde. Er ſtudirte ſpaͤter in
Heidelberg Medizin und hat ſich in der Folge durch
ſeine verdienſtlichen Arbeiten zur Verbeſſerung der Straf¬
anſtalten und Gefaͤngniſſe bekannt gemacht. —
Der bedeutendſte Mann, welchen ich in dieſer Zeit
ſah, war ohne Zweifel Doctor Veit, ein aus Breslau
gebuͤrtiger, in Hamburg anſaͤſſiger Arzt. Zwar verhielt
er ſich zu meinen mediziniſchen Vorſtellungen noch pro¬
blematiſch; allein er hatte ſtrengwiſſenſchaftlichen Grund
und Geiſt, und ſein tiefer, gebildeter Verſtand fuͤhrte
ihn ſicher und feſt auch in Gebieten, die nicht gerade
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/84>, abgerufen am 23.11.2024.
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