nes Lebens gehören sollten, das mußte sich eben erwei¬ sen, und wie sehr ich das erstere wünschen und hoffen mochte, so blieb doch das letztere auch noch ein gutes Loos. Auch wandten wir Freunde den Sinn von dem Publikum völlig ab, und suchten Gewinn und Lust ein¬ zig im Innern unsres eignen Treibens, welches in sich selbst erhoben wurde, und auch von außen Zuwachs erfuhr.
Chamisso machte mich zuvörderst mit den Poeten des Almanachs, die mir persönlich noch fremd waren, be¬ kannt. Ich sah Hitzig, Robert, und endlich auch The¬ remin, der mir sogleich als ein höherer Geist erschien, und mich besonders durch seine schöne, wohlklingende und edle Sprache einnahm. Was für Ideen wir aus¬ tauschten, mit welchen Kenntnissen wir einander gegen¬ seitig aushalfen, in was für Ansichten und Urtheilen wir uns abwechselnd einigten und schieden, welche Ent¬ deckungen uns aufgingen, das ließe sich für solche, die nicht Aehnliches erlebt haben, kaum darstellen. Weil jeder den Tag über seine Geschäfte hatte, so verlegten wir unsre Zusammenkunft auf den späten Abend bis tief in die Nacht. Diese poetischen Thee's des grünen Bu¬ ches, wie wir sie nannten, weil dasselbe die Grundlage und die Hauptbeziehung unsres Zusammenkommens blieb, nahmen ihren Anfang sehr einfach bei Hitzig, der vielen Raum hatte, und durch liebenswürdigen Sinn und geselligen Geist den anziehendsten Vereinigungspunkt
nes Lebens gehoͤren ſollten, das mußte ſich eben erwei¬ ſen, und wie ſehr ich das erſtere wuͤnſchen und hoffen mochte, ſo blieb doch das letztere auch noch ein gutes Loos. Auch wandten wir Freunde den Sinn von dem Publikum voͤllig ab, und ſuchten Gewinn und Luſt ein¬ zig im Innern unſres eignen Treibens, welches in ſich ſelbſt erhoben wurde, und auch von außen Zuwachs erfuhr.
Chamiſſo machte mich zuvoͤrderſt mit den Poeten des Almanachs, die mir perſoͤnlich noch fremd waren, be¬ kannt. Ich ſah Hitzig, Robert, und endlich auch The¬ remin, der mir ſogleich als ein hoͤherer Geiſt erſchien, und mich beſonders durch ſeine ſchoͤne, wohlklingende und edle Sprache einnahm. Was fuͤr Ideen wir aus¬ tauſchten, mit welchen Kenntniſſen wir einander gegen¬ ſeitig aushalfen, in was fuͤr Anſichten und Urtheilen wir uns abwechſelnd einigten und ſchieden, welche Ent¬ deckungen uns aufgingen, das ließe ſich fuͤr ſolche, die nicht Aehnliches erlebt haben, kaum darſtellen. Weil jeder den Tag uͤber ſeine Geſchaͤfte hatte, ſo verlegten wir unſre Zuſammenkunft auf den ſpaͤten Abend bis tief in die Nacht. Dieſe poetiſchen Thee's des gruͤnen Bu¬ ches, wie wir ſie nannten, weil daſſelbe die Grundlage und die Hauptbeziehung unſres Zuſammenkommens blieb, nahmen ihren Anfang ſehr einfach bei Hitzig, der vielen Raum hatte, und durch liebenswuͤrdigen Sinn und geſelligen Geiſt den anziehendſten Vereinigungspunkt
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nes Lebens gehoͤren ſollten, das mußte ſich eben erwei¬
ſen, und wie ſehr ich das erſtere wuͤnſchen und hoffen
mochte, ſo blieb doch das letztere auch noch ein gutes
Loos. Auch wandten wir Freunde den Sinn von dem
Publikum voͤllig ab, und ſuchten Gewinn und Luſt ein¬
zig im Innern unſres eignen Treibens, welches in ſich
ſelbſt erhoben wurde, und auch von außen Zuwachs
erfuhr.
Chamiſſo machte mich zuvoͤrderſt mit den Poeten des
Almanachs, die mir perſoͤnlich noch fremd waren, be¬
kannt. Ich ſah Hitzig, Robert, und endlich auch The¬
remin, der mir ſogleich als ein hoͤherer Geiſt erſchien,
und mich beſonders durch ſeine ſchoͤne, wohlklingende
und edle Sprache einnahm. Was fuͤr Ideen wir aus¬
tauſchten, mit welchen Kenntniſſen wir einander gegen¬
ſeitig aushalfen, in was fuͤr Anſichten und Urtheilen
wir uns abwechſelnd einigten und ſchieden, welche Ent¬
deckungen uns aufgingen, das ließe ſich fuͤr ſolche, die
nicht Aehnliches erlebt haben, kaum darſtellen. Weil
jeder den Tag uͤber ſeine Geſchaͤfte hatte, ſo verlegten
wir unſre Zuſammenkunft auf den ſpaͤten Abend bis tief
in die Nacht. Dieſe poetiſchen Thee's des gruͤnen Bu¬
ches, wie wir ſie nannten, weil daſſelbe die Grundlage
und die Hauptbeziehung unſres Zuſammenkommens
blieb, nahmen ihren Anfang ſehr einfach bei Hitzig, der
vielen Raum hatte, und durch liebenswuͤrdigen Sinn
und geſelligen Geiſt den anziehendſten Vereinigungspunkt
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/69>, abgerufen am 27.11.2024.
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