Aufsehen genug bewirkten wir, in unsrem nächsten Kreise das außerordentlichste; die Frauen besonders wa¬ ren gereizt und geschmeichelt, an dem Schmuck unsrer Dichtung, der jetzt erst gefaßt worden, so nahen Theil zu haben. Ein älterer Mann von Gewicht und Ansehn unter uns war fast empfindlich, und prüfte sich, ob er selber nicht auch zu dem Musenalmanach hätte bei¬ tragen können, er wollte sich das gar nicht verneinen, und gab zu verstehen, sein schlummerndes Talent hätte wohl gleiche Aufmerksamkeit, wie das der jüngeren ver¬ dient. Kiesewetter, den ich noch von Zeit zu Zeit sah, fand unter meinen Gedichten zwar die Ueberbleibsel dessen, was er an mir gerühmt und gefördert hatte, allein zugleich ein Sonett von Friedrich Schlegel, und überhaupt so viel Sonette, daß er mich geradezu für verloren gab. Bald kamen aber auch die öffentlichen Kritiken, einige Tagesblätter gaben uns ein mäßiges Lob, andre setzten uns tief hinab. Man wußte nicht recht, was man aus uns machen sollte; die Hauptfrage, ob wir der neuen oder der alten Schule angehörten? war nicht leicht zu entscheiden, da wir keine Fahne tru¬ gen, und sowohl für das eine wie für das andre sich Zeichen fanden. Einige Schlegelianer sahen das Alte für überwiegend an, und geißelten uns tüchtig, indem sie auch das, was zu dem Neuen strebte, für verfehlt erklärten. Am schlimmsten aber verfuhr Garlieb Mer¬ kel mit uns, der verrufene kleine Kritiker, der den
Aufſehen genug bewirkten wir, in unſrem naͤchſten Kreiſe das außerordentlichſte; die Frauen beſonders wa¬ ren gereizt und geſchmeichelt, an dem Schmuck unſrer Dichtung, der jetzt erſt gefaßt worden, ſo nahen Theil zu haben. Ein aͤlterer Mann von Gewicht und Anſehn unter uns war faſt empfindlich, und pruͤfte ſich, ob er ſelber nicht auch zu dem Muſenalmanach haͤtte bei¬ tragen koͤnnen, er wollte ſich das gar nicht verneinen, und gab zu verſtehen, ſein ſchlummerndes Talent haͤtte wohl gleiche Aufmerkſamkeit, wie das der juͤngeren ver¬ dient. Kieſewetter, den ich noch von Zeit zu Zeit ſah, fand unter meinen Gedichten zwar die Ueberbleibſel deſſen, was er an mir geruͤhmt und gefoͤrdert hatte, allein zugleich ein Sonett von Friedrich Schlegel, und uͤberhaupt ſo viel Sonette, daß er mich geradezu fuͤr verloren gab. Bald kamen aber auch die oͤffentlichen Kritiken, einige Tagesblaͤtter gaben uns ein maͤßiges Lob, andre ſetzten uns tief hinab. Man wußte nicht recht, was man aus uns machen ſollte; die Hauptfrage, ob wir der neuen oder der alten Schule angehoͤrten? war nicht leicht zu entſcheiden, da wir keine Fahne tru¬ gen, und ſowohl fuͤr das eine wie fuͤr das andre ſich Zeichen fanden. Einige Schlegelianer ſahen das Alte fuͤr uͤberwiegend an, und geißelten uns tuͤchtig, indem ſie auch das, was zu dem Neuen ſtrebte, fuͤr verfehlt erklaͤrten. Am ſchlimmſten aber verfuhr Garlieb Mer¬ kel mit uns, der verrufene kleine Kritiker, der den
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[53/0067]
Aufſehen genug bewirkten wir, in unſrem naͤchſten
Kreiſe das außerordentlichſte; die Frauen beſonders wa¬
ren gereizt und geſchmeichelt, an dem Schmuck unſrer
Dichtung, der jetzt erſt gefaßt worden, ſo nahen Theil
zu haben. Ein aͤlterer Mann von Gewicht und Anſehn
unter uns war faſt empfindlich, und pruͤfte ſich, ob
er ſelber nicht auch zu dem Muſenalmanach haͤtte bei¬
tragen koͤnnen, er wollte ſich das gar nicht verneinen,
und gab zu verſtehen, ſein ſchlummerndes Talent haͤtte
wohl gleiche Aufmerkſamkeit, wie das der juͤngeren ver¬
dient. Kieſewetter, den ich noch von Zeit zu Zeit ſah,
fand unter meinen Gedichten zwar die Ueberbleibſel
deſſen, was er an mir geruͤhmt und gefoͤrdert hatte,
allein zugleich ein Sonett von Friedrich Schlegel, und
uͤberhaupt ſo viel Sonette, daß er mich geradezu fuͤr
verloren gab. Bald kamen aber auch die oͤffentlichen
Kritiken, einige Tagesblaͤtter gaben uns ein maͤßiges
Lob, andre ſetzten uns tief hinab. Man wußte nicht
recht, was man aus uns machen ſollte; die Hauptfrage,
ob wir der neuen oder der alten Schule angehoͤrten?
war nicht leicht zu entſcheiden, da wir keine Fahne tru¬
gen, und ſowohl fuͤr das eine wie fuͤr das andre ſich
Zeichen fanden. Einige Schlegelianer ſahen das Alte
fuͤr uͤberwiegend an, und geißelten uns tuͤchtig, indem
ſie auch das, was zu dem Neuen ſtrebte, fuͤr verfehlt
erklaͤrten. Am ſchlimmſten aber verfuhr Garlieb Mer¬
kel mit uns, der verrufene kleine Kritiker, der den
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/67>, abgerufen am 23.11.2024.
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