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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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allein im Garten wandelten, wir vereinigten uns auf
der Stelle zu gemeinsamer Ausführung, zu welcher
die Herausgabe eines Musenalmanachs so bequem als
anständig erschien. Wir theilten die Sache Neumann
mit, der voll Eifer beitrat. Als wir aber unsre Vor¬
räthe näher untersuchten, fanden wir das Meiste wegen
persönlicher Rücksichten kaum mittheilbar, und da wir
überhaupt nur das Beste liefern wollten, so fiel die
Auswahl so klein aus, daß wir uns nach andern Zu¬
schüssen umsehen mußten. Chamisso unternahm es auf
Werbung auszugehen, und einige Freunde anzusprechen,
von deren poetischen Liebhabereien er schon Kenntniß
hatte. Allein, noch ehe wir selbst gedruckt waren, sahen
wir uns gleich zuerst in Stolz und Macht des Richter¬
amts versetzt, und mußten die ersten Beiträge, die uns
angeboten wurden, des Druckes unwerth erklären. Besser
gelang es mit andern. Der damalige Referendarius beim
Kammergericht, jetzige Kriminaldirektor Hitzig, übergab
willkommene Uebersetzungen aus dem Spanischen, Engli¬
schen und Italiänischen nebst ein paar eignen Stücken
unter seinem Vornamen Eduard; Ludwig Robert, Bruder
von Rahel Levin, steuerte aus seinem Schatze reichlich bei;
und Franz Theremin, Kandidat des Predigtamtes von
der französischen Kolonie, beglückte uns mit einigen
Blättern. Durch eine unglückliche Nachgiebigkeit kam
auch ein Gedicht von dem sogenannten Naturdichter Gott¬
lieb Hiller hinein, das wir nachher hundertmal weg¬

allein im Garten wandelten, wir vereinigten uns auf
der Stelle zu gemeinſamer Ausfuͤhrung, zu welcher
die Herausgabe eines Muſenalmanachs ſo bequem als
anſtaͤndig erſchien. Wir theilten die Sache Neumann
mit, der voll Eifer beitrat. Als wir aber unſre Vor¬
raͤthe naͤher unterſuchten, fanden wir das Meiſte wegen
perſoͤnlicher Ruͤckſichten kaum mittheilbar, und da wir
uͤberhaupt nur das Beſte liefern wollten, ſo fiel die
Auswahl ſo klein aus, daß wir uns nach andern Zu¬
ſchuͤſſen umſehen mußten. Chamiſſo unternahm es auf
Werbung auszugehen, und einige Freunde anzuſprechen,
von deren poetiſchen Liebhabereien er ſchon Kenntniß
hatte. Allein, noch ehe wir ſelbſt gedruckt waren, ſahen
wir uns gleich zuerſt in Stolz und Macht des Richter¬
amts verſetzt, und mußten die erſten Beitraͤge, die uns
angeboten wurden, des Druckes unwerth erklaͤren. Beſſer
gelang es mit andern. Der damalige Referendarius beim
Kammergericht, jetzige Kriminaldirektor Hitzig, uͤbergab
willkommene Ueberſetzungen aus dem Spaniſchen, Engli¬
ſchen und Italiaͤniſchen nebſt ein paar eignen Stuͤcken
unter ſeinem Vornamen Eduard; Ludwig Robert, Bruder
von Rahel Levin, ſteuerte aus ſeinem Schatze reichlich bei;
und Franz Theremin, Kandidat des Predigtamtes von
der franzoͤſiſchen Kolonie, begluͤckte uns mit einigen
Blaͤttern. Durch eine ungluͤckliche Nachgiebigkeit kam
auch ein Gedicht von dem ſogenannten Naturdichter Gott¬
lieb Hiller hinein, das wir nachher hundertmal weg¬

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[50/0064] allein im Garten wandelten, wir vereinigten uns auf der Stelle zu gemeinſamer Ausfuͤhrung, zu welcher die Herausgabe eines Muſenalmanachs ſo bequem als anſtaͤndig erſchien. Wir theilten die Sache Neumann mit, der voll Eifer beitrat. Als wir aber unſre Vor¬ raͤthe naͤher unterſuchten, fanden wir das Meiſte wegen perſoͤnlicher Ruͤckſichten kaum mittheilbar, und da wir uͤberhaupt nur das Beſte liefern wollten, ſo fiel die Auswahl ſo klein aus, daß wir uns nach andern Zu¬ ſchuͤſſen umſehen mußten. Chamiſſo unternahm es auf Werbung auszugehen, und einige Freunde anzuſprechen, von deren poetiſchen Liebhabereien er ſchon Kenntniß hatte. Allein, noch ehe wir ſelbſt gedruckt waren, ſahen wir uns gleich zuerſt in Stolz und Macht des Richter¬ amts verſetzt, und mußten die erſten Beitraͤge, die uns angeboten wurden, des Druckes unwerth erklaͤren. Beſſer gelang es mit andern. Der damalige Referendarius beim Kammergericht, jetzige Kriminaldirektor Hitzig, uͤbergab willkommene Ueberſetzungen aus dem Spaniſchen, Engli¬ ſchen und Italiaͤniſchen nebſt ein paar eignen Stuͤcken unter ſeinem Vornamen Eduard; Ludwig Robert, Bruder von Rahel Levin, ſteuerte aus ſeinem Schatze reichlich bei; und Franz Theremin, Kandidat des Predigtamtes von der franzoͤſiſchen Kolonie, begluͤckte uns mit einigen Blaͤttern. Durch eine ungluͤckliche Nachgiebigkeit kam auch ein Gedicht von dem ſogenannten Naturdichter Gott¬ lieb Hiller hinein, das wir nachher hundertmal weg¬

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/64>, abgerufen am 23.11.2024.