"Wohl ist alles noch wie gestern, Blühend rings die schönen Gauen, Lieblich dort mir gegenüber Alle Hügel grün umlaubet, Tag und Nacht die klaren Bäche Schon vom Frühling aufgethauet, Von den Bergen in die Thäler Unverändert niederrauschen, Und die helle blaue Luft Spielt in sanftem warmen Hauche Mit den Blüthen, mit den Blättern, Mit dem Wasser, leise schaudernd; Vögel, alles Harms entledigt, Traulich ihre Nester bauen, Und dem sonnenhellen Himmel Fröhlichen Gesang vertrauen; -- Alles ist wie gestern heute, Freuden rings mit Freuden tauschen, Und der Zeiten Wandelungen Bergen sich in leisem Laufe: Ich allein bin ihm entrissen, Bin von dunkler Macht geraubet! Aus der schützenden Umarmung Hat mit wilden Schwunges Sausen Die Natur mich losgelassen, Mich verstoßen in ein graues Oedes, hingewelktes Alter Plötzlich aus der Jugend Auen. Kunigunde, nimmer soll ich In dein holdes Antlitz schauen! Nimmer von dem Vaterlande
„Wohl iſt alles noch wie geſtern, Bluͤhend rings die ſchoͤnen Gauen, Lieblich dort mir gegenuͤber Alle Huͤgel gruͤn umlaubet, Tag und Nacht die klaren Baͤche Schon vom Fruͤhling aufgethauet, Von den Bergen in die Thaͤler Unveraͤndert niederrauſchen, Und die helle blaue Luft Spielt in ſanftem warmen Hauche Mit den Bluͤthen, mit den Blaͤttern, Mit dem Waſſer, leiſe ſchaudernd; Voͤgel, alles Harms entledigt, Traulich ihre Neſter bauen, Und dem ſonnenhellen Himmel Froͤhlichen Geſang vertrauen; — Alles iſt wie geſtern heute, Freuden rings mit Freuden tauſchen, Und der Zeiten Wandelungen Bergen ſich in leiſem Laufe: Ich allein bin ihm entriſſen, Bin von dunkler Macht geraubet! Aus der ſchuͤtzenden Umarmung Hat mit wilden Schwunges Sauſen Die Natur mich losgelaſſen, Mich verſtoßen in ein graues Oedes, hingewelktes Alter Ploͤtzlich aus der Jugend Auen. Kunigunde, nimmer ſoll ich In dein holdes Antlitz ſchauen! Nimmer von dem Vaterlande
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„Wohl iſt alles noch wie geſtern,
Bluͤhend rings die ſchoͤnen Gauen,
Lieblich dort mir gegenuͤber
Alle Huͤgel gruͤn umlaubet,
Tag und Nacht die klaren Baͤche
Schon vom Fruͤhling aufgethauet,
Von den Bergen in die Thaͤler
Unveraͤndert niederrauſchen,
Und die helle blaue Luft
Spielt in ſanftem warmen Hauche
Mit den Bluͤthen, mit den Blaͤttern,
Mit dem Waſſer, leiſe ſchaudernd;
Voͤgel, alles Harms entledigt,
Traulich ihre Neſter bauen,
Und dem ſonnenhellen Himmel
Froͤhlichen Geſang vertrauen; —
Alles iſt wie geſtern heute,
Freuden rings mit Freuden tauſchen,
Und der Zeiten Wandelungen
Bergen ſich in leiſem Laufe:
Ich allein bin ihm entriſſen,
Bin von dunkler Macht geraubet!
Aus der ſchuͤtzenden Umarmung
Hat mit wilden Schwunges Sauſen
Die Natur mich losgelaſſen,
Mich verſtoßen in ein graues
Oedes, hingewelktes Alter
Ploͤtzlich aus der Jugend Auen.
Kunigunde, nimmer ſoll ich
In dein holdes Antlitz ſchauen!
Nimmer von dem Vaterlande
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/531>, abgerufen am 23.07.2024.
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