zurückwendet. Wenn aber sonst die Lebensbeschreibungen der Gelehrten ihr hauptsächliches Interesse doch meist nach dem besonderen Fache hin behalten, dem diese grade angehören, ja sogar die Abfassung in den meisten Fällen dies ausdrücklich bezweckt, so stellt dagegen das vorlie¬ gende Buch in diesem Betreff ein andres Verhältniß auf. Auch hier findet ein nächster Antheil und Reiz unstreitig für die Arzneiwissenschaft und deren Ausübung Statt, da es das Leben eines Arztes ist, das erzählt wird; allein diese Seite hat hier, wie fruchtbar und glänzend sie auch sei, durchaus nicht das Uebergewicht, sondern dieses gehört entschieden der andern Seite an, der des allgemeinen und persönlichen Lebens, bei wel¬ chem die Bezüge der Wissenschaft, innerhalb deren jenes sich bewegt, nur noch als untergeordnete mitgehen.
Denn sofern mit Recht ein Unterschied anzunehmen ist, solcher Menschen, deren ganzes Dasein aus ursprüng¬ licher, rein und voll strömender, nie rastender Quelle zu fließen scheint, und solcher, denen nur ein abgelei¬ tetes, wechselnd stockendes oder nur trüb und karg fließendes, verliehen ward, so muß der herrliche Mann, dessen Andenken hier gefeiert wird, als eines der selten¬ sten und auserwähltesten Beispiele der erstern Art gelten, als unmittelbar hervordringend aus dem klarsten und vollsten Strome des Daseins, als ein fortwährender Lebensquell selber, der durch Gestein und Felder seine segenvolle Fluth ergießt, und Frische, Fruchtbarkeit und
II. 30
zuruͤckwendet. Wenn aber ſonſt die Lebensbeſchreibungen der Gelehrten ihr hauptſaͤchliches Intereſſe doch meiſt nach dem beſonderen Fache hin behalten, dem dieſe grade angehoͤren, ja ſogar die Abfaſſung in den meiſten Faͤllen dies ausdruͤcklich bezweckt, ſo ſtellt dagegen das vorlie¬ gende Buch in dieſem Betreff ein andres Verhaͤltniß auf. Auch hier findet ein naͤchſter Antheil und Reiz unſtreitig fuͤr die Arzneiwiſſenſchaft und deren Ausuͤbung Statt, da es das Leben eines Arztes iſt, das erzaͤhlt wird; allein dieſe Seite hat hier, wie fruchtbar und glaͤnzend ſie auch ſei, durchaus nicht das Uebergewicht, ſondern dieſes gehoͤrt entſchieden der andern Seite an, der des allgemeinen und perſoͤnlichen Lebens, bei wel¬ chem die Bezuͤge der Wiſſenſchaft, innerhalb deren jenes ſich bewegt, nur noch als untergeordnete mitgehen.
Denn ſofern mit Recht ein Unterſchied anzunehmen iſt, ſolcher Menſchen, deren ganzes Daſein aus urſpruͤng¬ licher, rein und voll ſtroͤmender, nie raſtender Quelle zu fließen ſcheint, und ſolcher, denen nur ein abgelei¬ tetes, wechſelnd ſtockendes oder nur truͤb und karg fließendes, verliehen ward, ſo muß der herrliche Mann, deſſen Andenken hier gefeiert wird, als eines der ſelten¬ ſten und auserwaͤhlteſten Beiſpiele der erſtern Art gelten, als unmittelbar hervordringend aus dem klarſten und vollſten Strome des Daſeins, als ein fortwaͤhrender Lebensquell ſelber, der durch Geſtein und Felder ſeine ſegenvolle Fluth ergießt, und Friſche, Fruchtbarkeit und
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zuruͤckwendet. Wenn aber ſonſt die Lebensbeſchreibungen
der Gelehrten ihr hauptſaͤchliches Intereſſe doch meiſt
nach dem beſonderen Fache hin behalten, dem dieſe grade
angehoͤren, ja ſogar die Abfaſſung in den meiſten Faͤllen
dies ausdruͤcklich bezweckt, ſo ſtellt dagegen das vorlie¬
gende Buch in dieſem Betreff ein andres Verhaͤltniß
auf. Auch hier findet ein naͤchſter Antheil und Reiz
unſtreitig fuͤr die Arzneiwiſſenſchaft und deren Ausuͤbung
Statt, da es das Leben eines Arztes iſt, das erzaͤhlt
wird; allein dieſe Seite hat hier, wie fruchtbar und
glaͤnzend ſie auch ſei, durchaus nicht das Uebergewicht,
ſondern dieſes gehoͤrt entſchieden der andern Seite an,
der des allgemeinen und perſoͤnlichen Lebens, bei wel¬
chem die Bezuͤge der Wiſſenſchaft, innerhalb deren jenes
ſich bewegt, nur noch als untergeordnete mitgehen.
Denn ſofern mit Recht ein Unterſchied anzunehmen
iſt, ſolcher Menſchen, deren ganzes Daſein aus urſpruͤng¬
licher, rein und voll ſtroͤmender, nie raſtender Quelle
zu fließen ſcheint, und ſolcher, denen nur ein abgelei¬
tetes, wechſelnd ſtockendes oder nur truͤb und karg
fließendes, verliehen ward, ſo muß der herrliche Mann,
deſſen Andenken hier gefeiert wird, als eines der ſelten¬
ſten und auserwaͤhlteſten Beiſpiele der erſtern Art gelten,
als unmittelbar hervordringend aus dem klarſten und
vollſten Strome des Daſeins, als ein fortwaͤhrender
Lebensquell ſelber, der durch Geſtein und Felder ſeine
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/479>, abgerufen am 25.11.2024.
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