soll. Diese Aufgabe nun ist hier mit großer Meister¬ schaft behandelt, und zu dieser rechnen wir auch den Takt und das Maß, mit denen zu rechter Zeit abge¬ brochen wird. Aus ganz einfachen, ja gewöhnlichen Zügen entwickelt sich eine geistige Wendung, der eine schmerzstillende Süßigkeit entquillt, und die das Ge¬ spräch eröffnende, vielleicht von manchem Leser belächelte Frage: "Du hast gut geschlafen?" führt unvermerkt zu schauerlich ergreifenden Andeutungen, deren Bild man zerbrechen kann, ohne den Eindruck, den es gegeben hat, zu verlieren. Das zweite Gespräch: "die geist¬ liche Beredsamkeit," verhüllt seinen tiefernsten Gehalt in einem fast scherzhaften Gewande, das aber in der Verhandlung selbst mehr und mehr zerrissen wird, und abfällt, um wichtige Wahrheiten in klarer Gestalt er¬ schauen zu lassen. Der Verfasser bewegt sich in diesem Gespräche mit vollkommener Freiheit und Leichtigkeit, und wenn er größere Stoffe ausführlich in dieser Art durcharbeiten wollte, so wäre ihm ein Erfolg zu ver¬ sprechen, der unter uns Deutschen noch niemanden, bei unsern französischen Nachbarn vielleicht nur Einem, den wir aber hier nicht grade nennen mögen, zu Theil ge¬ worden ist. Lebhafte Laune ist auch in dem dritten Gespräch: "der Ritter von der traurigen Gestalt;" doch scheint uns dieses weniger gelungen, und der Grund¬ gedanke mit der humoristischen Begleitung in einigem Mißtone geblieben.
ſoll. Dieſe Aufgabe nun iſt hier mit großer Meiſter¬ ſchaft behandelt, und zu dieſer rechnen wir auch den Takt und das Maß, mit denen zu rechter Zeit abge¬ brochen wird. Aus ganz einfachen, ja gewoͤhnlichen Zuͤgen entwickelt ſich eine geiſtige Wendung, der eine ſchmerzſtillende Suͤßigkeit entquillt, und die das Ge¬ ſpraͤch eroͤffnende, vielleicht von manchem Leſer belaͤchelte Frage: „Du haſt gut geſchlafen?“ fuͤhrt unvermerkt zu ſchauerlich ergreifenden Andeutungen, deren Bild man zerbrechen kann, ohne den Eindruck, den es gegeben hat, zu verlieren. Das zweite Geſpraͤch: „die geiſt¬ liche Beredſamkeit,“ verhuͤllt ſeinen tiefernſten Gehalt in einem faſt ſcherzhaften Gewande, das aber in der Verhandlung ſelbſt mehr und mehr zerriſſen wird, und abfaͤllt, um wichtige Wahrheiten in klarer Geſtalt er¬ ſchauen zu laſſen. Der Verfaſſer bewegt ſich in dieſem Geſpraͤche mit vollkommener Freiheit und Leichtigkeit, und wenn er groͤßere Stoffe ausfuͤhrlich in dieſer Art durcharbeiten wollte, ſo waͤre ihm ein Erfolg zu ver¬ ſprechen, der unter uns Deutſchen noch niemanden, bei unſern franzoͤſiſchen Nachbarn vielleicht nur Einem, den wir aber hier nicht grade nennen moͤgen, zu Theil ge¬ worden iſt. Lebhafte Laune iſt auch in dem dritten Geſpraͤch: „der Ritter von der traurigen Geſtalt;“ doch ſcheint uns dieſes weniger gelungen, und der Grund¬ gedanke mit der humoriſtiſchen Begleitung in einigem Mißtone geblieben.
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ſoll. Dieſe Aufgabe nun iſt hier mit großer Meiſter¬
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Takt und das Maß, mit denen zu rechter Zeit abge¬
brochen wird. Aus ganz einfachen, ja gewoͤhnlichen
Zuͤgen entwickelt ſich eine geiſtige Wendung, der eine
ſchmerzſtillende Suͤßigkeit entquillt, und die das Ge¬
ſpraͤch eroͤffnende, vielleicht von manchem Leſer belaͤchelte
Frage: „Du haſt gut geſchlafen?“ fuͤhrt unvermerkt zu
ſchauerlich ergreifenden Andeutungen, deren Bild man
zerbrechen kann, ohne den Eindruck, den es gegeben
hat, zu verlieren. Das zweite Geſpraͤch: „die geiſt¬
liche Beredſamkeit,“ verhuͤllt ſeinen tiefernſten Gehalt
in einem faſt ſcherzhaften Gewande, das aber in der
Verhandlung ſelbſt mehr und mehr zerriſſen wird, und
abfaͤllt, um wichtige Wahrheiten in klarer Geſtalt er¬
ſchauen zu laſſen. Der Verfaſſer bewegt ſich in dieſem
Geſpraͤche mit vollkommener Freiheit und Leichtigkeit,
und wenn er groͤßere Stoffe ausfuͤhrlich in dieſer Art
durcharbeiten wollte, ſo waͤre ihm ein Erfolg zu ver¬
ſprechen, der unter uns Deutſchen noch niemanden, bei
unſern franzoͤſiſchen Nachbarn vielleicht nur Einem, den
wir aber hier nicht grade nennen moͤgen, zu Theil ge¬
worden iſt. Lebhafte Laune iſt auch in dem dritten
Geſpraͤch: „der Ritter von der traurigen Geſtalt;“
doch ſcheint uns dieſes weniger gelungen, und der Grund¬
gedanke mit der humoriſtiſchen Begleitung in einigem
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/434>, abgerufen am 25.11.2024.
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