tungen dieses höchst wichtigen, mit allen Angelegenheiten unsrer Geistesbildung tief verflochtenen und noch immer nicht ausgekämpften großen Kampfes auch geistig mehr einzugehen, und seine wahre Bedeutung zu enthüllen versucht hätte.
Die deutsche Litteratur hat vor den Xenien und auch nachher Kämpfe und Strafgerichte genug gehabt, per¬ sönliche und einzelne zu jeder Zeit überviel, in besondern Richtungen manche bedeutende, ganz allgemeine doch selten. Die Xenien, einen Ritterzug der letztern Art darstellend, werden lange Zeit noch unübertroffen blei¬ ben, sie bilden für alles Nachfolgende gleichsam ein homerisches Zeitalter, in welchem sich das Vorangegan¬ gene resumirt, und wohin das Spätere sich nothwendig zurückbezieht. Sie haben auch mit den homerischen Er¬ zeugnissen das nicht leicht wieder zu erneuende Verdienst gemein, mit einer naturkräftigen Ursprünglichkeit auch den vollen Reiz einer gebildeten Form zu vereinigen. Goethe und Schiller sind hier ritterliche Helden, neben der Strenge fein und anmuthig, sie schlagen das feind¬ liche Gesindel aus dem Felde, aber lassen es dann laufen, ohne es zu Schmach und Marter einzufangen, und nach dem Kriege noch erst einem hochnothpeinlichen Halsge¬ richt zu übergeben. In den spätern Zeiten haben wir leider die letztere Erscheinung vorwalten, und in der Litteratur wahre Hinrichtungen und Torquirungen an¬ sehen müssen, statt der Ritter die Scharfrichter in Thä¬
tungen dieſes hoͤchſt wichtigen, mit allen Angelegenheiten unſrer Geiſtesbildung tief verflochtenen und noch immer nicht ausgekaͤmpften großen Kampfes auch geiſtig mehr einzugehen, und ſeine wahre Bedeutung zu enthuͤllen verſucht haͤtte.
Die deutſche Litteratur hat vor den Xenien und auch nachher Kaͤmpfe und Strafgerichte genug gehabt, per¬ ſoͤnliche und einzelne zu jeder Zeit uͤberviel, in beſondern Richtungen manche bedeutende, ganz allgemeine doch ſelten. Die Xenien, einen Ritterzug der letztern Art darſtellend, werden lange Zeit noch unuͤbertroffen blei¬ ben, ſie bilden fuͤr alles Nachfolgende gleichſam ein homeriſches Zeitalter, in welchem ſich das Vorangegan¬ gene reſumirt, und wohin das Spaͤtere ſich nothwendig zuruͤckbezieht. Sie haben auch mit den homeriſchen Er¬ zeugniſſen das nicht leicht wieder zu erneuende Verdienſt gemein, mit einer naturkraͤftigen Urſpruͤnglichkeit auch den vollen Reiz einer gebildeten Form zu vereinigen. Goethe und Schiller ſind hier ritterliche Helden, neben der Strenge fein und anmuthig, ſie ſchlagen das feind¬ liche Geſindel aus dem Felde, aber laſſen es dann laufen, ohne es zu Schmach und Marter einzufangen, und nach dem Kriege noch erſt einem hochnothpeinlichen Halsge¬ richt zu uͤbergeben. In den ſpaͤtern Zeiten haben wir leider die letztere Erſcheinung vorwalten, und in der Litteratur wahre Hinrichtungen und Torquirungen an¬ ſehen muͤſſen, ſtatt der Ritter die Scharfrichter in Thaͤ¬
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tungen dieſes hoͤchſt wichtigen, mit allen Angelegenheiten
unſrer Geiſtesbildung tief verflochtenen und noch immer
nicht ausgekaͤmpften großen Kampfes auch geiſtig mehr
einzugehen, und ſeine wahre Bedeutung zu enthuͤllen
verſucht haͤtte.
Die deutſche Litteratur hat vor den Xenien und auch
nachher Kaͤmpfe und Strafgerichte genug gehabt, per¬
ſoͤnliche und einzelne zu jeder Zeit uͤberviel, in beſondern
Richtungen manche bedeutende, ganz allgemeine doch
ſelten. Die Xenien, einen Ritterzug der letztern Art
darſtellend, werden lange Zeit noch unuͤbertroffen blei¬
ben, ſie bilden fuͤr alles Nachfolgende gleichſam ein
homeriſches Zeitalter, in welchem ſich das Vorangegan¬
gene reſumirt, und wohin das Spaͤtere ſich nothwendig
zuruͤckbezieht. Sie haben auch mit den homeriſchen Er¬
zeugniſſen das nicht leicht wieder zu erneuende Verdienſt
gemein, mit einer naturkraͤftigen Urſpruͤnglichkeit auch
den vollen Reiz einer gebildeten Form zu vereinigen.
Goethe und Schiller ſind hier ritterliche Helden, neben
der Strenge fein und anmuthig, ſie ſchlagen das feind¬
liche Geſindel aus dem Felde, aber laſſen es dann laufen,
ohne es zu Schmach und Marter einzufangen, und nach
dem Kriege noch erſt einem hochnothpeinlichen Halsge¬
richt zu uͤbergeben. In den ſpaͤtern Zeiten haben wir
leider die letztere Erſcheinung vorwalten, und in der
Litteratur wahre Hinrichtungen und Torquirungen an¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/428>, abgerufen am 22.11.2024.
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