Leser etwa die Meinung, daß es besser gewesen wäre, die Sachen lieber gar nicht, als so zu berühren.
Im Verfolge der Schrift muß der Verfasser denn doch mit gerechtem Sinne die vielen Segnungen, welche seit den letzten Regierungen über das russische Reich ausgegangen sind, huldigend anerkennen. Er thut es mit ausdrucksvollem Eifer, der aber doch gegen den andern Inhalt in einem unangenehmen Mißklange bleibt, so daß man zweierlei Richtungen zu sehen glaubt, die getrennt nebeneinander laufen, und sich nicht vereinigen wollen, weil der höhere Standpunkt fehlt, in welchem die Widersprüche sich lösen könnten.
Die Darstellung des russischen Reichs in seinen viel¬ gestalteten inneren und äußeren Beziehungen harrt eines Schriftstellers von stärkerem Beruf, eines Werkes von andrer Gestalt. Die wahre Würdigung des kolossalen Stoffes, der sich dorten aufthut, und der eben so kolos¬ salen Kulturbewegung, zu welcher ihn mehr und mehr die Zeit emporhebt, müßte, wir sind es überzeugt, grade jetzt für Europa von höchstem Interesse sein, und statt der so oft mit aller Uebertreibung vorgespiegelten Gefahr vielmehr die größten Erwartungen dorther verkün¬ den, welchen in der That die Erfüllung stets nur mäch¬ tiger entgegenkommt! Solche Massen und Kräfte, dem Strome der Bildung, des Völkerwohls, des Rechtes und der Ordnung unwiderruflich zugeführt, haben nur selten sich der Weltgeschichte in solch bündigem Werk¬
Leſer etwa die Meinung, daß es beſſer geweſen waͤre, die Sachen lieber gar nicht, als ſo zu beruͤhren.
Im Verfolge der Schrift muß der Verfaſſer denn doch mit gerechtem Sinne die vielen Segnungen, welche ſeit den letzten Regierungen uͤber das ruſſiſche Reich ausgegangen ſind, huldigend anerkennen. Er thut es mit ausdrucksvollem Eifer, der aber doch gegen den andern Inhalt in einem unangenehmen Mißklange bleibt, ſo daß man zweierlei Richtungen zu ſehen glaubt, die getrennt nebeneinander laufen, und ſich nicht vereinigen wollen, weil der hoͤhere Standpunkt fehlt, in welchem die Widerſpruͤche ſich loͤſen koͤnnten.
Die Darſtellung des ruſſiſchen Reichs in ſeinen viel¬ geſtalteten inneren und aͤußeren Beziehungen harrt eines Schriftſtellers von ſtaͤrkerem Beruf, eines Werkes von andrer Geſtalt. Die wahre Wuͤrdigung des koloſſalen Stoffes, der ſich dorten aufthut, und der eben ſo koloſ¬ ſalen Kulturbewegung, zu welcher ihn mehr und mehr die Zeit emporhebt, muͤßte, wir ſind es uͤberzeugt, grade jetzt fuͤr Europa von hoͤchſtem Intereſſe ſein, und ſtatt der ſo oft mit aller Uebertreibung vorgeſpiegelten Gefahr vielmehr die groͤßten Erwartungen dorther verkuͤn¬ den, welchen in der That die Erfuͤllung ſtets nur maͤch¬ tiger entgegenkommt! Solche Maſſen und Kraͤfte, dem Strome der Bildung, des Voͤlkerwohls, des Rechtes und der Ordnung unwiderruflich zugefuͤhrt, haben nur ſelten ſich der Weltgeſchichte in ſolch buͤndigem Werk¬
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Leſer etwa die Meinung, daß es beſſer geweſen waͤre,
die Sachen lieber gar nicht, als ſo zu beruͤhren.
Im Verfolge der Schrift muß der Verfaſſer denn
doch mit gerechtem Sinne die vielen Segnungen, welche
ſeit den letzten Regierungen uͤber das ruſſiſche Reich
ausgegangen ſind, huldigend anerkennen. Er thut es
mit ausdrucksvollem Eifer, der aber doch gegen den
andern Inhalt in einem unangenehmen Mißklange bleibt,
ſo daß man zweierlei Richtungen zu ſehen glaubt, die
getrennt nebeneinander laufen, und ſich nicht vereinigen
wollen, weil der hoͤhere Standpunkt fehlt, in welchem
die Widerſpruͤche ſich loͤſen koͤnnten.
Die Darſtellung des ruſſiſchen Reichs in ſeinen viel¬
geſtalteten inneren und aͤußeren Beziehungen harrt eines
Schriftſtellers von ſtaͤrkerem Beruf, eines Werkes von
andrer Geſtalt. Die wahre Wuͤrdigung des koloſſalen
Stoffes, der ſich dorten aufthut, und der eben ſo koloſ¬
ſalen Kulturbewegung, zu welcher ihn mehr und mehr
die Zeit emporhebt, muͤßte, wir ſind es uͤberzeugt,
grade jetzt fuͤr Europa von hoͤchſtem Intereſſe ſein, und
ſtatt der ſo oft mit aller Uebertreibung vorgeſpiegelten
Gefahr vielmehr die groͤßten Erwartungen dorther verkuͤn¬
den, welchen in der That die Erfuͤllung ſtets nur maͤch¬
tiger entgegenkommt! Solche Maſſen und Kraͤfte, dem
Strome der Bildung, des Voͤlkerwohls, des Rechtes
und der Ordnung unwiderruflich zugefuͤhrt, haben nur
ſelten ſich der Weltgeſchichte in ſolch buͤndigem Werk¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/391>, abgerufen am 24.11.2024.
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