den dort begonnenen hier noch ansehnlich gesteigert hat. Dieser Umstand allein verbürgt schon ein besonderes Verdienst, einen gediegenen Gehalt, eine gelungene Form seiner Gedichte. Und so verhält es sich in der That. Seine Fabeln vorzüglich sind es, die ihm unter den bessern deutschen Schriftstellern einen ehrenvollen Rang sichern, und noch jetzt leben viele derselben im Munde der Jugend fort, gleich denen von Gellert und Gleim, die man noch immer nicht, wie sehr auch in dieser Beziehung alles Mögliche schon versucht worden, durch Angemesseneres und Gebildeteres hat verdrängen können. Um nur bei Lichtwer stehen zu bleiben, wem von uns wären nicht "die seltsamen Menschen" und "der kleine Töffel" wohlbekannt und in angenehmer Erinnerung? Die hier dargebotene Sammlung der sämmtlichen Schrif¬ ten dieses wackern Dichters fehlte bisher unserer Litte¬ ratur, wir begrüßen sie als eine dankenswerthe Gabe. In einem kleinen Duodez-Bande, bequem in die Tasche zu stecken, hübsch und rein gedruckt, findet sich alles beisammen, was von Lichtwer noch vorhanden ist, vier Bücher Fabeln, ein Lehrgedicht: "das Recht der Ver¬ nunft" in fünf Büchern, und vermischte Gedichte. Un¬ ter den letztern sind einige ganz vorzügliche, und lassen bedauern, daß deren nicht mehrere aufzufinden gewesen. Der Autor war, wie man sieht, nicht sonderlich frucht¬ bar, er dichtete nicht Tag für Tag, noch für Honorar; nicht auf Bestellung, sondern in Stunden der Muße,
den dort begonnenen hier noch anſehnlich geſteigert hat. Dieſer Umſtand allein verbuͤrgt ſchon ein beſonderes Verdienſt, einen gediegenen Gehalt, eine gelungene Form ſeiner Gedichte. Und ſo verhaͤlt es ſich in der That. Seine Fabeln vorzuͤglich ſind es, die ihm unter den beſſern deutſchen Schriftſtellern einen ehrenvollen Rang ſichern, und noch jetzt leben viele derſelben im Munde der Jugend fort, gleich denen von Gellert und Gleim, die man noch immer nicht, wie ſehr auch in dieſer Beziehung alles Moͤgliche ſchon verſucht worden, durch Angemeſſeneres und Gebildeteres hat verdraͤngen koͤnnen. Um nur bei Lichtwer ſtehen zu bleiben, wem von uns waͤren nicht „die ſeltſamen Menſchen“ und „der kleine Toͤffel“ wohlbekannt und in angenehmer Erinnerung? Die hier dargebotene Sammlung der ſaͤmmtlichen Schrif¬ ten dieſes wackern Dichters fehlte bisher unſerer Litte¬ ratur, wir begruͤßen ſie als eine dankenswerthe Gabe. In einem kleinen Duodez-Bande, bequem in die Taſche zu ſtecken, huͤbſch und rein gedruckt, findet ſich alles beiſammen, was von Lichtwer noch vorhanden iſt, vier Buͤcher Fabeln, ein Lehrgedicht: „das Recht der Ver¬ nunft“ in fuͤnf Buͤchern, und vermiſchte Gedichte. Un¬ ter den letztern ſind einige ganz vorzuͤgliche, und laſſen bedauern, daß deren nicht mehrere aufzufinden geweſen. Der Autor war, wie man ſieht, nicht ſonderlich frucht¬ bar, er dichtete nicht Tag fuͤr Tag, noch fuͤr Honorar; nicht auf Beſtellung, ſondern in Stunden der Muße,
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den dort begonnenen hier noch anſehnlich geſteigert hat.
Dieſer Umſtand allein verbuͤrgt ſchon ein beſonderes
Verdienſt, einen gediegenen Gehalt, eine gelungene Form
ſeiner Gedichte. Und ſo verhaͤlt es ſich in der That.
Seine Fabeln vorzuͤglich ſind es, die ihm unter den
beſſern deutſchen Schriftſtellern einen ehrenvollen Rang
ſichern, und noch jetzt leben viele derſelben im Munde
der Jugend fort, gleich denen von Gellert und Gleim,
die man noch immer nicht, wie ſehr auch in dieſer
Beziehung alles Moͤgliche ſchon verſucht worden, durch
Angemeſſeneres und Gebildeteres hat verdraͤngen koͤnnen.
Um nur bei Lichtwer ſtehen zu bleiben, wem von uns
waͤren nicht „die ſeltſamen Menſchen“ und „der kleine
Toͤffel“ wohlbekannt und in angenehmer Erinnerung?
Die hier dargebotene Sammlung der ſaͤmmtlichen Schrif¬
ten dieſes wackern Dichters fehlte bisher unſerer Litte¬
ratur, wir begruͤßen ſie als eine dankenswerthe Gabe.
In einem kleinen Duodez-Bande, bequem in die Taſche
zu ſtecken, huͤbſch und rein gedruckt, findet ſich alles
beiſammen, was von Lichtwer noch vorhanden iſt, vier
Buͤcher Fabeln, ein Lehrgedicht: „das Recht der Ver¬
nunft“ in fuͤnf Buͤchern, und vermiſchte Gedichte. Un¬
ter den letztern ſind einige ganz vorzuͤgliche, und laſſen
bedauern, daß deren nicht mehrere aufzufinden geweſen.
Der Autor war, wie man ſieht, nicht ſonderlich frucht¬
bar, er dichtete nicht Tag fuͤr Tag, noch fuͤr Honorar;
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/384>, abgerufen am 24.11.2024.
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