Muths auf diese ausgezeichneten Beispiele blicken darf, denn doch zu warnen! Er vergesse nicht, daß das Drama, nach des Meisters Ausspruch, Karaktere und Theater will, den Konflikt der Nothwendigkeit und der Freiheit, die strenge Entwickelung äußerer Handlung aus inneren Bedingnissen, und er wird sich, von starkem Bewußtsein geleitet, fester und sicherer in seinen Anord¬ nungen auf dem erwählten Gebiete des Dramatischen, ja des Theatralischen -- welches nicht getrennt werden sollte von jenem -- behaupten. Den Lockungen der Scherzgebilde gebe er sich nicht allzu leicht hin! Die Gesinnung, welche die neuere altdeutsche und altnordi¬ sche Ritterthümelei verhöhnt, ist bei einem jungen Dich¬ ter gewiß ein gutes Zeichen; aber die Ausfälle gegen Fouque sind in dem altenglischen Trauerspiele nicht wohl angebracht, und in Betreff des Sigurd noch dazu höchst ungerecht. -- In Sprach- und Versbildung hat der Verfasser vielleicht nicht sowohl mehr zu lernen, als nur mehr zu wollen. Er wird in strengeren, ausgebilde¬ teren Tönen und Wendungen nur um so eigenthümli¬ cher sein. Maß und Ernst werden ihm, da es ihm an Naturkraft nicht fehlt, mehr zusagen, werden ihn mehr fördern, als Ungebundenheit und Eigenmacht; an Frei¬ heit und Laune wird es ihm deshalb nicht mangeln: je weniger sie abgesondert vorkommen, desto schöner kom¬ men sie dem Ganzen zu gut; auch in dieser Beziehung
Muths auf dieſe ausgezeichneten Beiſpiele blicken darf, denn doch zu warnen! Er vergeſſe nicht, daß das Drama, nach des Meiſters Ausſpruch, Karaktere und Theater will, den Konflikt der Nothwendigkeit und der Freiheit, die ſtrenge Entwickelung aͤußerer Handlung aus inneren Bedingniſſen, und er wird ſich, von ſtarkem Bewußtſein geleitet, feſter und ſicherer in ſeinen Anord¬ nungen auf dem erwaͤhlten Gebiete des Dramatiſchen, ja des Theatraliſchen — welches nicht getrennt werden ſollte von jenem — behaupten. Den Lockungen der Scherzgebilde gebe er ſich nicht allzu leicht hin! Die Geſinnung, welche die neuere altdeutſche und altnordi¬ ſche Ritterthuͤmelei verhoͤhnt, iſt bei einem jungen Dich¬ ter gewiß ein gutes Zeichen; aber die Ausfaͤlle gegen Fouqué ſind in dem altengliſchen Trauerſpiele nicht wohl angebracht, und in Betreff des Sigurd noch dazu hoͤchſt ungerecht. — In Sprach- und Versbildung hat der Verfaſſer vielleicht nicht ſowohl mehr zu lernen, als nur mehr zu wollen. Er wird in ſtrengeren, ausgebilde¬ teren Toͤnen und Wendungen nur um ſo eigenthuͤmli¬ cher ſein. Maß und Ernſt werden ihm, da es ihm an Naturkraft nicht fehlt, mehr zuſagen, werden ihn mehr foͤrdern, als Ungebundenheit und Eigenmacht; an Frei¬ heit und Laune wird es ihm deshalb nicht mangeln: je weniger ſie abgeſondert vorkommen, deſto ſchoͤner kom¬ men ſie dem Ganzen zu gut; auch in dieſer Beziehung
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Muths auf dieſe ausgezeichneten Beiſpiele blicken darf,
denn doch zu warnen! Er vergeſſe nicht, daß das
Drama, nach des Meiſters Ausſpruch, Karaktere und
Theater will, den Konflikt der Nothwendigkeit und der
Freiheit, die ſtrenge Entwickelung aͤußerer Handlung aus
inneren Bedingniſſen, und er wird ſich, von ſtarkem
Bewußtſein geleitet, feſter und ſicherer in ſeinen Anord¬
nungen auf dem erwaͤhlten Gebiete des Dramatiſchen,
ja des Theatraliſchen — welches nicht getrennt werden
ſollte von jenem — behaupten. Den Lockungen der
Scherzgebilde gebe er ſich nicht allzu leicht hin! Die
Geſinnung, welche die neuere altdeutſche und altnordi¬
ſche Ritterthuͤmelei verhoͤhnt, iſt bei einem jungen Dich¬
ter gewiß ein gutes Zeichen; aber die Ausfaͤlle gegen
Fouqué ſind in dem altengliſchen Trauerſpiele nicht wohl
angebracht, und in Betreff des Sigurd noch dazu hoͤchſt
ungerecht. — In Sprach- und Versbildung hat der
Verfaſſer vielleicht nicht ſowohl mehr zu lernen, als nur
mehr zu wollen. Er wird in ſtrengeren, ausgebilde¬
teren Toͤnen und Wendungen nur um ſo eigenthuͤmli¬
cher ſein. Maß und Ernſt werden ihm, da es ihm an
Naturkraft nicht fehlt, mehr zuſagen, werden ihn mehr
foͤrdern, als Ungebundenheit und Eigenmacht; an Frei¬
heit und Laune wird es ihm deshalb nicht mangeln: je
weniger ſie abgeſondert vorkommen, deſto ſchoͤner kom¬
men ſie dem Ganzen zu gut; auch in dieſer Beziehung
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/358>, abgerufen am 24.11.2024.
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