heit seines Gefühls für Lilli noch auf die Schreibart und den Ton seiner Erzählung gewirkt, und er den leidenschaftlichen Gehalt dieses Verhältnisses keineswegs ausgesprochen habe; was denn insbesondere auch von diesem wunderbaren Auseinandergehen gelten muß.
Die Empfindungen, welche den wiederkehrenden Kämpfen dieser nur allmähligen und im Augenblicke niemals unwiderruflichen Entsagung angehören, haben durch den Dichter zum Theil ihren lyrischen Ausdruck empfangen. Schmerz und Trauer sind in diesen Ge¬ dichten aber stets von dem Eindruck einer gegenwärtigen oder doch erreichbaren Anmuth und Lieblichkeit über¬ wogen, und auch bittrer Verdruß wandelt sich in wun¬ derliche Laune, so daß das Glück und die Heiterkeit dieses Verhältnisses auch in diesem Betreff hervorragend bleiben. Ueberhaupt aber zeigt sich in Goethe's Poesie eine kräftige Steigerung, und es ist karakteristisch, daß er, in deutscher Vorzeit nach Anhalt und Beispiel um¬ herblickend, nicht zu den Dichtern des Mittelalters zu¬ rückgeht, sondern bei dem derben und tüchtigen Hans Sachs stehen bleibt, wofür denn auch die gültigsten Erklärungsgründe gegeben werden. Die Wirkung dieses Meistersängers ist bei Goethe, dem er doch mehr Lieb¬ ling als Muster sein konnte, lebenslänglich merkbar ge¬ blieben, und ein wesentliches Element seines ächt-deut¬ schen Karakters. Wir können nur beklagen, daß grade von dieser Art so manches verloren ist, andres nur in
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heit ſeines Gefuͤhls fuͤr Lilli noch auf die Schreibart und den Ton ſeiner Erzaͤhlung gewirkt, und er den leidenſchaftlichen Gehalt dieſes Verhaͤltniſſes keineswegs ausgeſprochen habe; was denn insbeſondere auch von dieſem wunderbaren Auseinandergehen gelten muß.
Die Empfindungen, welche den wiederkehrenden Kaͤmpfen dieſer nur allmaͤhligen und im Augenblicke niemals unwiderruflichen Entſagung angehoͤren, haben durch den Dichter zum Theil ihren lyriſchen Ausdruck empfangen. Schmerz und Trauer ſind in dieſen Ge¬ dichten aber ſtets von dem Eindruck einer gegenwaͤrtigen oder doch erreichbaren Anmuth und Lieblichkeit uͤber¬ wogen, und auch bittrer Verdruß wandelt ſich in wun¬ derliche Laune, ſo daß das Gluͤck und die Heiterkeit dieſes Verhaͤltniſſes auch in dieſem Betreff hervorragend bleiben. Ueberhaupt aber zeigt ſich in Goethe's Poeſie eine kraͤftige Steigerung, und es iſt karakteriſtiſch, daß er, in deutſcher Vorzeit nach Anhalt und Beiſpiel um¬ herblickend, nicht zu den Dichtern des Mittelalters zu¬ ruͤckgeht, ſondern bei dem derben und tuͤchtigen Hans Sachs ſtehen bleibt, wofuͤr denn auch die guͤltigſten Erklaͤrungsgruͤnde gegeben werden. Die Wirkung dieſes Meiſterſaͤngers iſt bei Goethe, dem er doch mehr Lieb¬ ling als Muſter ſein konnte, lebenslaͤnglich merkbar ge¬ blieben, und ein weſentliches Element ſeines aͤcht-deut¬ ſchen Karakters. Wir koͤnnen nur beklagen, daß grade von dieſer Art ſo manches verloren iſt, andres nur in
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heit ſeines Gefuͤhls fuͤr Lilli noch auf die Schreibart
und den Ton ſeiner Erzaͤhlung gewirkt, und er den
leidenſchaftlichen Gehalt dieſes Verhaͤltniſſes keineswegs
ausgeſprochen habe; was denn insbeſondere auch von
dieſem wunderbaren Auseinandergehen gelten muß.
Die Empfindungen, welche den wiederkehrenden
Kaͤmpfen dieſer nur allmaͤhligen und im Augenblicke
niemals unwiderruflichen Entſagung angehoͤren, haben
durch den Dichter zum Theil ihren lyriſchen Ausdruck
empfangen. Schmerz und Trauer ſind in dieſen Ge¬
dichten aber ſtets von dem Eindruck einer gegenwaͤrtigen
oder doch erreichbaren Anmuth und Lieblichkeit uͤber¬
wogen, und auch bittrer Verdruß wandelt ſich in wun¬
derliche Laune, ſo daß das Gluͤck und die Heiterkeit
dieſes Verhaͤltniſſes auch in dieſem Betreff hervorragend
bleiben. Ueberhaupt aber zeigt ſich in Goethe's Poeſie
eine kraͤftige Steigerung, und es iſt karakteriſtiſch, daß
er, in deutſcher Vorzeit nach Anhalt und Beiſpiel um¬
herblickend, nicht zu den Dichtern des Mittelalters zu¬
ruͤckgeht, ſondern bei dem derben und tuͤchtigen Hans
Sachs ſtehen bleibt, wofuͤr denn auch die guͤltigſten
Erklaͤrungsgruͤnde gegeben werden. Die Wirkung dieſes
Meiſterſaͤngers iſt bei Goethe, dem er doch mehr Lieb¬
ling als Muſter ſein konnte, lebenslaͤnglich merkbar ge¬
blieben, und ein weſentliches Element ſeines aͤcht-deut¬
ſchen Karakters. Wir koͤnnen nur beklagen, daß grade
von dieſer Art ſo manches verloren iſt, andres nur in
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/337>, abgerufen am 25.11.2024.
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