Verhältnisse, uns seine Erinnerungen aus der glücklichen Zeit, die er als die schönste und belebteste seiner eignen Jugend mit froher Innigkeit gern zurückrief, vielfältig und umständlich vorzutragen, und seine Erzählungen, die sich bis zu den kleinsten Zügen und Bemerkungen verliefen, wie er denn auch die mannigfachen Gedichte an Lilli mit dem Ton und Ausdruck ihrer frühsten Re¬ citation behalten hatte, bewirkten dem eifrigen und auf¬ merksamen Hörer durchaus denselben Eindruck, welchen er jetzt aus der von Goethe selbst gegebenen Darstel¬ lung empfängt, und durch die Einzelheiten, deren er sich aus jenen Erzählungen erinnert, werden ihm sowohl die besondersten Züge als auch das Ganze dieses neuen Bildes auf das vollständigste und zustimmendste bestätigt. So daß also auch bei diesem Theile von Goethe's Leben abermals das wichtige Wort Jacobi's gelten dürfte, der von den früheren in einem Briefe an Dohm sagt: "Ich muß den Erzählungen Goethe's das Zeugniß geben (ich erlebte ja so vieles mit!), daß sie oft wahrhafter sind, als die Wahrheit selbst."
Die durch Erwiederung glückliche Liebe hatte anfangs keine Hindernisse, in ihrem Fortgange nur solche, die zu überwinden oder doch zu bestehen waren, und nahm aus ihnen, durch Vermittlung einer beiderseitigen Haus¬ freundin, Dlle. Delf, deren selbstwilliger Eifer in vor¬ gesetztem Handeln trefflich bezeichnet wird, bald den Aufschwung zu der schönen Stufe, wo die Liebenden
Verhaͤltniſſe, uns ſeine Erinnerungen aus der gluͤcklichen Zeit, die er als die ſchoͤnſte und belebteſte ſeiner eignen Jugend mit froher Innigkeit gern zuruͤckrief, vielfaͤltig und umſtaͤndlich vorzutragen, und ſeine Erzaͤhlungen, die ſich bis zu den kleinſten Zuͤgen und Bemerkungen verliefen, wie er denn auch die mannigfachen Gedichte an Lilli mit dem Ton und Ausdruck ihrer fruͤhſten Re¬ citation behalten hatte, bewirkten dem eifrigen und auf¬ merkſamen Hoͤrer durchaus denſelben Eindruck, welchen er jetzt aus der von Goethe ſelbſt gegebenen Darſtel¬ lung empfaͤngt, und durch die Einzelheiten, deren er ſich aus jenen Erzaͤhlungen erinnert, werden ihm ſowohl die beſonderſten Zuͤge als auch das Ganze dieſes neuen Bildes auf das vollſtaͤndigſte und zuſtimmendſte beſtaͤtigt. So daß alſo auch bei dieſem Theile von Goethe's Leben abermals das wichtige Wort Jacobi's gelten duͤrfte, der von den fruͤheren in einem Briefe an Dohm ſagt: „Ich muß den Erzaͤhlungen Goethe's das Zeugniß geben (ich erlebte ja ſo vieles mit!), daß ſie oft wahrhafter ſind, als die Wahrheit ſelbſt.“
Die durch Erwiederung gluͤckliche Liebe hatte anfangs keine Hinderniſſe, in ihrem Fortgange nur ſolche, die zu uͤberwinden oder doch zu beſtehen waren, und nahm aus ihnen, durch Vermittlung einer beiderſeitigen Haus¬ freundin, Dlle. Delf, deren ſelbſtwilliger Eifer in vor¬ geſetztem Handeln trefflich bezeichnet wird, bald den Aufſchwung zu der ſchoͤnen Stufe, wo die Liebenden
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Verhaͤltniſſe, uns ſeine Erinnerungen aus der gluͤcklichen
Zeit, die er als die ſchoͤnſte und belebteſte ſeiner eignen
Jugend mit froher Innigkeit gern zuruͤckrief, vielfaͤltig
und umſtaͤndlich vorzutragen, und ſeine Erzaͤhlungen,
die ſich bis zu den kleinſten Zuͤgen und Bemerkungen
verliefen, wie er denn auch die mannigfachen Gedichte
an Lilli mit dem Ton und Ausdruck ihrer fruͤhſten Re¬
citation behalten hatte, bewirkten dem eifrigen und auf¬
merkſamen Hoͤrer durchaus denſelben Eindruck, welchen
er jetzt aus der von Goethe ſelbſt gegebenen Darſtel¬
lung empfaͤngt, und durch die Einzelheiten, deren er
ſich aus jenen Erzaͤhlungen erinnert, werden ihm ſowohl
die beſonderſten Zuͤge als auch das Ganze dieſes neuen
Bildes auf das vollſtaͤndigſte und zuſtimmendſte beſtaͤtigt.
So daß alſo auch bei dieſem Theile von Goethe's Leben
abermals das wichtige Wort Jacobi's gelten duͤrfte, der
von den fruͤheren in einem Briefe an Dohm ſagt: „Ich
muß den Erzaͤhlungen Goethe's das Zeugniß geben (ich
erlebte ja ſo vieles mit!), daß ſie oft wahrhafter ſind,
als die Wahrheit ſelbſt.“
Die durch Erwiederung gluͤckliche Liebe hatte anfangs
keine Hinderniſſe, in ihrem Fortgange nur ſolche, die
zu uͤberwinden oder doch zu beſtehen waren, und nahm
aus ihnen, durch Vermittlung einer beiderſeitigen Haus¬
freundin, Dlle. Delf, deren ſelbſtwilliger Eifer in vor¬
geſetztem Handeln trefflich bezeichnet wird, bald den
Aufſchwung zu der ſchoͤnen Stufe, wo die Liebenden
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/333>, abgerufen am 26.11.2024.
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