der aufnehmen und weiterweben soll. Hierauf eröffnet sich der eigentliche Vortrag mit einem heiteren Blick auf die glücklichen Verhältnisse und Einflüsse, welche für den jungen Mann zuletzt dahin zusammengewirkt, nach manchen Kämpfen und Zweifeln, einen äußeren und inneren Frieden hervorzubringen. Solche Ruhe¬ punkte sind die Höhen, die Haftungs- und Kräftigungs¬ momente des Lebens, das aber seiner Natur nach in ihnen am wenigsten zu weilen vermag, und so sehen wir auch hier diesen Frieden, kaum angedeutet, sogleich wieder zu wachsender Bewegung übergehen. Schon das philosophische Nachdenken, welches sich den Büchern und der Lehre des Spinoza widmet, und hiebei Be¬ ruhigung und Klarheit findet, vermag in diesem Kreise der Spekulation nicht lange auszudauern, sondern eilt, den Ertrag und die Gestalten desselben dichterisch anzu¬ wenden. Was hier über Spinoza so schön als tief aus unmittelbarer Lebenserfahrung ausgesprochen ist, wird für jede künftige Betrachtung dieses gegen die Welt in immer von Zeit zu Zeit erneutes Mißverständniß untertauchenden Philosophen ein unverlöschbares, will¬ kommenes Licht bleiben, und darf einigermaßen dafür trösten, daß uns die Ausführung des so reizend als erhaben zu denkenden dichterischen Gebildes von einem Besuche des ewigen Juden bei Spinoza hat entgehen müssen. Die innige Verknüpfung, welche bei Goethe alles und jedes mit seinem produktiven Talente hat,
der aufnehmen und weiterweben ſoll. Hierauf eroͤffnet ſich der eigentliche Vortrag mit einem heiteren Blick auf die gluͤcklichen Verhaͤltniſſe und Einfluͤſſe, welche fuͤr den jungen Mann zuletzt dahin zuſammengewirkt, nach manchen Kaͤmpfen und Zweifeln, einen aͤußeren und inneren Frieden hervorzubringen. Solche Ruhe¬ punkte ſind die Hoͤhen, die Haftungs- und Kraͤftigungs¬ momente des Lebens, das aber ſeiner Natur nach in ihnen am wenigſten zu weilen vermag, und ſo ſehen wir auch hier dieſen Frieden, kaum angedeutet, ſogleich wieder zu wachſender Bewegung uͤbergehen. Schon das philoſophiſche Nachdenken, welches ſich den Buͤchern und der Lehre des Spinoza widmet, und hiebei Be¬ ruhigung und Klarheit findet, vermag in dieſem Kreiſe der Spekulation nicht lange auszudauern, ſondern eilt, den Ertrag und die Geſtalten deſſelben dichteriſch anzu¬ wenden. Was hier uͤber Spinoza ſo ſchoͤn als tief aus unmittelbarer Lebenserfahrung ausgeſprochen iſt, wird fuͤr jede kuͤnftige Betrachtung dieſes gegen die Welt in immer von Zeit zu Zeit erneutes Mißverſtaͤndniß untertauchenden Philoſophen ein unverloͤſchbares, will¬ kommenes Licht bleiben, und darf einigermaßen dafuͤr troͤſten, daß uns die Ausfuͤhrung des ſo reizend als erhaben zu denkenden dichteriſchen Gebildes von einem Beſuche des ewigen Juden bei Spinoza hat entgehen muͤſſen. Die innige Verknuͤpfung, welche bei Goethe alles und jedes mit ſeinem produktiven Talente hat,
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der aufnehmen und weiterweben ſoll. Hierauf eroͤffnet
ſich der eigentliche Vortrag mit einem heiteren Blick
auf die gluͤcklichen Verhaͤltniſſe und Einfluͤſſe, welche
fuͤr den jungen Mann zuletzt dahin zuſammengewirkt,
nach manchen Kaͤmpfen und Zweifeln, einen aͤußeren
und inneren Frieden hervorzubringen. Solche Ruhe¬
punkte ſind die Hoͤhen, die Haftungs- und Kraͤftigungs¬
momente des Lebens, das aber ſeiner Natur nach in
ihnen am wenigſten zu weilen vermag, und ſo ſehen
wir auch hier dieſen Frieden, kaum angedeutet, ſogleich
wieder zu wachſender Bewegung uͤbergehen. Schon
das philoſophiſche Nachdenken, welches ſich den Buͤchern
und der Lehre des Spinoza widmet, und hiebei Be¬
ruhigung und Klarheit findet, vermag in dieſem Kreiſe
der Spekulation nicht lange auszudauern, ſondern eilt,
den Ertrag und die Geſtalten deſſelben dichteriſch anzu¬
wenden. Was hier uͤber Spinoza ſo ſchoͤn als tief aus
unmittelbarer Lebenserfahrung ausgeſprochen iſt, wird
fuͤr jede kuͤnftige Betrachtung dieſes gegen die Welt
in immer von Zeit zu Zeit erneutes Mißverſtaͤndniß
untertauchenden Philoſophen ein unverloͤſchbares, will¬
kommenes Licht bleiben, und darf einigermaßen dafuͤr
troͤſten, daß uns die Ausfuͤhrung des ſo reizend als
erhaben zu denkenden dichteriſchen Gebildes von einem
Beſuche des ewigen Juden bei Spinoza hat entgehen
muͤſſen. Die innige Verknuͤpfung, welche bei Goethe
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/327>, abgerufen am 26.11.2024.
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