an Holland gelegene Gegend genannt hatte, rief Na¬ poleon im Weggehn halb trotzig und halb freudig: "Ah! je sais bien, c'est du Nord, c'est de la Hollande!"
Nicht so glücklich traf er es mit Lacepede in der Natu¬ raliensammlung, dort sah er die Giraffe für einen Vogel an, und pries das langhalsige Thier als solchen sogar seiner Gemahlin, welche mit Lacepede über den Irrthum des Kaisers ganz ängstlich wurde, so daß dieser, dadurch aufmerksam gemacht, in seiner Rede unwillig abbrach, und außerordentlich mißvergnügt davonging. Der klein¬ liche Eifer, mit dem Napoleon auch in dem Kreise der geselligen Mittheilung, der ihm ganz fremd ist, bewun¬ dert zu sein strebt, war sehr oft gradezu lächerlich, es mißlang ihm hier alles in dem Grade, als ihm in andern Dingen, zu unsem Unglück, alles gelang. Er liebte zwar eigentlich nur, den Menschen etwas Beleidigendes oder wenigstens Unangenehmes zu sagen, allein auch dann, wenn er etwas anderes sagen wollte, brachte er es höchstens zum Unbedeutenden, und da traf es sich wohl einmal, daß er einer ganzen Reihe von Damen, wie ich in Saint-Cloud selber mit anhörte, zwanzig¬ mal nur immer dasselbe Wort wiederholte: "Il fait chaud."
Wahr ist es, man führt sehr kräftige Machtworte von ihm an, und seine Befehle sind meistens streng und kurz; allein selbst darin ist mehr die Macht bedeutend,
an Holland gelegene Gegend genannt hatte, rief Na¬ poleon im Weggehn halb trotzig und halb freudig: „Ah! je sais bien, c'est du Nord, c'est de la Hollande!“
Nicht ſo gluͤcklich traf er es mit Lacepede in der Natu¬ ralienſammlung, dort ſah er die Giraffe fuͤr einen Vogel an, und pries das langhalſige Thier als ſolchen ſogar ſeiner Gemahlin, welche mit Lacepede uͤber den Irrthum des Kaiſers ganz aͤngſtlich wurde, ſo daß dieſer, dadurch aufmerkſam gemacht, in ſeiner Rede unwillig abbrach, und außerordentlich mißvergnuͤgt davonging. Der klein¬ liche Eifer, mit dem Napoleon auch in dem Kreiſe der geſelligen Mittheilung, der ihm ganz fremd iſt, bewun¬ dert zu ſein ſtrebt, war ſehr oft gradezu laͤcherlich, es mißlang ihm hier alles in dem Grade, als ihm in andern Dingen, zu unſem Ungluͤck, alles gelang. Er liebte zwar eigentlich nur, den Menſchen etwas Beleidigendes oder wenigſtens Unangenehmes zu ſagen, allein auch dann, wenn er etwas anderes ſagen wollte, brachte er es hoͤchſtens zum Unbedeutenden, und da traf es ſich wohl einmal, daß er einer ganzen Reihe von Damen, wie ich in Saint-Cloud ſelber mit anhoͤrte, zwanzig¬ mal nur immer daſſelbe Wort wiederholte: „Il fait chaud.“
Wahr iſt es, man fuͤhrt ſehr kraͤftige Machtworte von ihm an, und ſeine Befehle ſind meiſtens ſtreng und kurz; allein ſelbſt darin iſt mehr die Macht bedeutend,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0317"n="303"/>
an Holland gelegene Gegend genannt hatte, rief Na¬<lb/>
poleon im Weggehn halb trotzig und halb freudig: „<hirendition="#aq">Ah!<lb/>
je sais bien</hi>, <hirendition="#aq">c'est du Nord, c'est de la Hollande!</hi>“</p><lb/><p>Nicht ſo gluͤcklich traf er es mit Lacepede in der Natu¬<lb/>
ralienſammlung, dort ſah er die Giraffe fuͤr einen Vogel<lb/>
an, und pries das langhalſige Thier als ſolchen ſogar<lb/>ſeiner Gemahlin, welche mit Lacepede uͤber den Irrthum<lb/>
des Kaiſers ganz aͤngſtlich wurde, ſo daß dieſer, dadurch<lb/>
aufmerkſam gemacht, in ſeiner Rede unwillig abbrach,<lb/>
und außerordentlich mißvergnuͤgt davonging. Der klein¬<lb/>
liche Eifer, mit dem Napoleon auch in dem Kreiſe der<lb/>
geſelligen Mittheilung, der ihm ganz fremd iſt, bewun¬<lb/>
dert zu ſein ſtrebt, war ſehr oft gradezu laͤcherlich, es<lb/>
mißlang ihm hier alles in dem Grade, als ihm in andern<lb/>
Dingen, zu unſem Ungluͤck, alles gelang. Er liebte<lb/>
zwar eigentlich nur, den Menſchen etwas Beleidigendes<lb/>
oder wenigſtens Unangenehmes zu ſagen, allein auch<lb/>
dann, wenn er etwas anderes ſagen <hirendition="#g">wollte</hi>, brachte<lb/>
er es hoͤchſtens zum Unbedeutenden, und da traf es<lb/>ſich wohl einmal, daß er einer ganzen Reihe von Damen,<lb/>
wie ich in Saint-Cloud ſelber mit anhoͤrte, zwanzig¬<lb/>
mal nur immer daſſelbe Wort wiederholte: „<hirendition="#aq">Il fait<lb/>
chaud</hi>.“</p><lb/><p>Wahr iſt es, man fuͤhrt ſehr kraͤftige Machtworte<lb/>
von ihm an, und ſeine Befehle ſind meiſtens ſtreng und<lb/>
kurz; allein ſelbſt darin iſt mehr die Macht bedeutend,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[303/0317]
an Holland gelegene Gegend genannt hatte, rief Na¬
poleon im Weggehn halb trotzig und halb freudig: „Ah!
je sais bien, c'est du Nord, c'est de la Hollande!“
Nicht ſo gluͤcklich traf er es mit Lacepede in der Natu¬
ralienſammlung, dort ſah er die Giraffe fuͤr einen Vogel
an, und pries das langhalſige Thier als ſolchen ſogar
ſeiner Gemahlin, welche mit Lacepede uͤber den Irrthum
des Kaiſers ganz aͤngſtlich wurde, ſo daß dieſer, dadurch
aufmerkſam gemacht, in ſeiner Rede unwillig abbrach,
und außerordentlich mißvergnuͤgt davonging. Der klein¬
liche Eifer, mit dem Napoleon auch in dem Kreiſe der
geſelligen Mittheilung, der ihm ganz fremd iſt, bewun¬
dert zu ſein ſtrebt, war ſehr oft gradezu laͤcherlich, es
mißlang ihm hier alles in dem Grade, als ihm in andern
Dingen, zu unſem Ungluͤck, alles gelang. Er liebte
zwar eigentlich nur, den Menſchen etwas Beleidigendes
oder wenigſtens Unangenehmes zu ſagen, allein auch
dann, wenn er etwas anderes ſagen wollte, brachte
er es hoͤchſtens zum Unbedeutenden, und da traf es
ſich wohl einmal, daß er einer ganzen Reihe von Damen,
wie ich in Saint-Cloud ſelber mit anhoͤrte, zwanzig¬
mal nur immer daſſelbe Wort wiederholte: „Il fait
chaud.“
Wahr iſt es, man fuͤhrt ſehr kraͤftige Machtworte
von ihm an, und ſeine Befehle ſind meiſtens ſtreng und
kurz; allein ſelbſt darin iſt mehr die Macht bedeutend,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/317>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.