Waren doch seine Züge, bei unläugbarer plastischen Schönheit, wie Marmor hart und streng, jedem Ver¬ trauen fremd, jeder Herzlichkeit unfähig!
Was er sprach, war immer, so oft ich ihn reden hörte, gering, sowohl dem Inhalt als dem Wortaus¬ drucke nach, ohne Geist, ohne Witz, ohne Kraft, ja bisweilen ganz gemein und lächerlich. Faber hat in seinen Notices sur l'interieur de la France ausführ¬ lich über die Fragen gesprochen, welche Napoleon bei vielen Gelegenheiten zu machen pflegte, und deren Scharfsinn und Kunde so oft mit Unrecht gepriesen worden, ich hatte damals das Buch noch nicht gelesen, fand aber später alles darin bestätigt, was ich selbst gesehen und gehört hatte. Sein Fragen glich nicht selten der Lektion eines Schulknaben, der, seiner Sache nicht ganz gewiß, beständig leise für sich hersagt, was er für den Augenblick des Gebrauchs sonst vergessen zu haben fürchtet. Dieses ist wörtlich wahr von einem Be¬ suche welchen Napoleon kurz vorher auf der großen Bibliothek gemacht hatte, da er schon auf der Treppe immerfort nach der klassischen Stelle im Josephus schrie wo dieser von Jesus spricht, und für diesmal kein andres Anliegen zu haben schien, als diese seine wahrscheinlich eben erst erlangte Kenntniß zu zeigen; es schien durch¬ aus, als habe er seine Frage auswendig gelernt. Einen ansehnlichen Mann aus dem nördlichen Deutschland fragte er, aus welchem Lande er sei, und als dieser die nah
Waren doch ſeine Zuͤge, bei unlaͤugbarer plaſtiſchen Schoͤnheit, wie Marmor hart und ſtreng, jedem Ver¬ trauen fremd, jeder Herzlichkeit unfaͤhig!
Was er ſprach, war immer, ſo oft ich ihn reden hoͤrte, gering, ſowohl dem Inhalt als dem Wortaus¬ drucke nach, ohne Geiſt, ohne Witz, ohne Kraft, ja bisweilen ganz gemein und laͤcherlich. Faber hat in ſeinen Notices sur l'intérieur de la France ausfuͤhr¬ lich uͤber die Fragen geſprochen, welche Napoleon bei vielen Gelegenheiten zu machen pflegte, und deren Scharfſinn und Kunde ſo oft mit Unrecht geprieſen worden, ich hatte damals das Buch noch nicht geleſen, fand aber ſpaͤter alles darin beſtaͤtigt, was ich ſelbſt geſehen und gehoͤrt hatte. Sein Fragen glich nicht ſelten der Lektion eines Schulknaben, der, ſeiner Sache nicht ganz gewiß, beſtaͤndig leiſe fuͤr ſich herſagt, was er fuͤr den Augenblick des Gebrauchs ſonſt vergeſſen zu haben fuͤrchtet. Dieſes iſt woͤrtlich wahr von einem Be¬ ſuche welchen Napoleon kurz vorher auf der großen Bibliothek gemacht hatte, da er ſchon auf der Treppe immerfort nach der klaſſiſchen Stelle im Joſephus ſchrie wo dieſer von Jeſus ſpricht, und fuͤr diesmal kein andres Anliegen zu haben ſchien, als dieſe ſeine wahrſcheinlich eben erſt erlangte Kenntniß zu zeigen; es ſchien durch¬ aus, als habe er ſeine Frage auswendig gelernt. Einen anſehnlichen Mann aus dem noͤrdlichen Deutſchland fragte er, aus welchem Lande er ſei, und als dieſer die nah
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Waren doch ſeine Zuͤge, bei unlaͤugbarer plaſtiſchen
Schoͤnheit, wie Marmor hart und ſtreng, jedem Ver¬
trauen fremd, jeder Herzlichkeit unfaͤhig!
Was er ſprach, war immer, ſo oft ich ihn reden
hoͤrte, gering, ſowohl dem Inhalt als dem Wortaus¬
drucke nach, ohne Geiſt, ohne Witz, ohne Kraft, ja
bisweilen ganz gemein und laͤcherlich. Faber hat in
ſeinen Notices sur l'intérieur de la France ausfuͤhr¬
lich uͤber die Fragen geſprochen, welche Napoleon bei
vielen Gelegenheiten zu machen pflegte, und deren
Scharfſinn und Kunde ſo oft mit Unrecht geprieſen
worden, ich hatte damals das Buch noch nicht geleſen,
fand aber ſpaͤter alles darin beſtaͤtigt, was ich ſelbſt
geſehen und gehoͤrt hatte. Sein Fragen glich nicht
ſelten der Lektion eines Schulknaben, der, ſeiner Sache
nicht ganz gewiß, beſtaͤndig leiſe fuͤr ſich herſagt, was
er fuͤr den Augenblick des Gebrauchs ſonſt vergeſſen zu
haben fuͤrchtet. Dieſes iſt woͤrtlich wahr von einem Be¬
ſuche welchen Napoleon kurz vorher auf der großen
Bibliothek gemacht hatte, da er ſchon auf der Treppe
immerfort nach der klaſſiſchen Stelle im Joſephus ſchrie
wo dieſer von Jeſus ſpricht, und fuͤr diesmal kein andres
Anliegen zu haben ſchien, als dieſe ſeine wahrſcheinlich
eben erſt erlangte Kenntniß zu zeigen; es ſchien durch¬
aus, als habe er ſeine Frage auswendig gelernt. Einen
anſehnlichen Mann aus dem noͤrdlichen Deutſchland fragte
er, aus welchem Lande er ſei, und als dieſer die nah
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/316>, abgerufen am 22.11.2024.
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