noch heute ausführen zu können, und wollte nicht um¬ sonst sein Uebergewicht hierher gewendet haben. Rasch ordnete er seine Truppen zum Sturm. Der Marschall Bernadotte erhielt Befehl, über Atterkla gegen Wagram vorzudringen, und durch Wegnahme dieses Ortes die Mitte der österreichischen Linie zu sprengen. Zwei gedrängte Sturmschaaren sollten zu gleicher Zeit rechts und links von Baumersdorf über den Rußbach dringen, die Höhen der österreichischen Stellung ersteigen und die dortigen Truppen aufrollen. Feindliches Fußvolk war mittlerweile schon dicht an unsre Stellung heran¬ gekommen; die Plänkler wurden vom Rußbach zurück¬ gerufen und traten in die Linie wieder ein, längs deren ganzer Ausdehnung sich nun ein furchtbares Gewehr¬ feuer entspann. Dieser ungeheure Lärm des immerfort erneuten Losknallens und noch weit mehr des unend¬ lichen Eisengeräusches bei Handhabung von mehr als zwanzigtausend Flinten in solcher Nähe und Enge, war eigentlich der einzige neue und wunderbare Eindruck, der mir in diesen ersten Kriegsauftritten, die ich erlebte, zu Theil wurde; alles andre war theils meiner voraus¬ gefaßten Vorstellung gemäß, theils sogar unter ihr; alles aber, auch der Donner des zahlreichsten Geschützes dünkte mich gering gegen das Sturmgetöse des soge¬ nannten Kleingewehrs, dieser Waffe, durch welche gewöhnlich auch unsre neueren Schlachten zumeist mör¬ derisch werden. Indem dieses Feuer eine Weile lebhaft
noch heute ausfuͤhren zu koͤnnen, und wollte nicht um¬ ſonſt ſein Uebergewicht hierher gewendet haben. Raſch ordnete er ſeine Truppen zum Sturm. Der Marſchall Bernadotte erhielt Befehl, uͤber Atterkla gegen Wagram vorzudringen, und durch Wegnahme dieſes Ortes die Mitte der oͤſterreichiſchen Linie zu ſprengen. Zwei gedraͤngte Sturmſchaaren ſollten zu gleicher Zeit rechts und links von Baumersdorf uͤber den Rußbach dringen, die Hoͤhen der oͤſterreichiſchen Stellung erſteigen und die dortigen Truppen aufrollen. Feindliches Fußvolk war mittlerweile ſchon dicht an unſre Stellung heran¬ gekommen; die Plaͤnkler wurden vom Rußbach zuruͤck¬ gerufen und traten in die Linie wieder ein, laͤngs deren ganzer Ausdehnung ſich nun ein furchtbares Gewehr¬ feuer entſpann. Dieſer ungeheure Laͤrm des immerfort erneuten Losknallens und noch weit mehr des unend¬ lichen Eiſengeraͤuſches bei Handhabung von mehr als zwanzigtauſend Flinten in ſolcher Naͤhe und Enge, war eigentlich der einzige neue und wunderbare Eindruck, der mir in dieſen erſten Kriegsauftritten, die ich erlebte, zu Theil wurde; alles andre war theils meiner voraus¬ gefaßten Vorſtellung gemaͤß, theils ſogar unter ihr; alles aber, auch der Donner des zahlreichſten Geſchuͤtzes duͤnkte mich gering gegen das Sturmgetoͤſe des ſoge¬ nannten Kleingewehrs, dieſer Waffe, durch welche gewoͤhnlich auch unſre neueren Schlachten zumeiſt moͤr¬ deriſch werden. Indem dieſes Feuer eine Weile lebhaft
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0229"n="215"/>
noch heute ausfuͤhren zu koͤnnen, und wollte nicht um¬<lb/>ſonſt ſein Uebergewicht hierher gewendet haben. Raſch<lb/>
ordnete er ſeine Truppen zum Sturm. Der Marſchall<lb/>
Bernadotte erhielt Befehl, uͤber Atterkla gegen Wagram<lb/>
vorzudringen, und durch Wegnahme dieſes Ortes die<lb/>
Mitte der oͤſterreichiſchen Linie zu ſprengen. Zwei<lb/>
gedraͤngte Sturmſchaaren ſollten zu gleicher Zeit rechts<lb/>
und links von Baumersdorf uͤber den Rußbach dringen,<lb/>
die Hoͤhen der oͤſterreichiſchen Stellung erſteigen und<lb/>
die dortigen Truppen aufrollen. Feindliches Fußvolk<lb/>
war mittlerweile ſchon dicht an unſre Stellung heran¬<lb/>
gekommen; die Plaͤnkler wurden vom Rußbach zuruͤck¬<lb/>
gerufen und traten in die Linie wieder ein, laͤngs deren<lb/>
ganzer Ausdehnung ſich nun ein furchtbares Gewehr¬<lb/>
feuer entſpann. Dieſer ungeheure Laͤrm des immerfort<lb/>
erneuten Losknallens und noch weit mehr des unend¬<lb/>
lichen Eiſengeraͤuſches bei Handhabung von mehr als<lb/>
zwanzigtauſend Flinten in ſolcher Naͤhe und Enge, war<lb/>
eigentlich der einzige neue und wunderbare Eindruck,<lb/>
der mir in dieſen erſten Kriegsauftritten, die ich erlebte,<lb/>
zu Theil wurde; alles andre war theils meiner voraus¬<lb/>
gefaßten Vorſtellung gemaͤß, theils ſogar unter ihr;<lb/>
alles aber, auch der Donner des zahlreichſten Geſchuͤtzes<lb/>
duͤnkte mich gering gegen das Sturmgetoͤſe des ſoge¬<lb/>
nannten Kleingewehrs, dieſer Waffe, durch welche<lb/>
gewoͤhnlich auch unſre neueren Schlachten zumeiſt moͤr¬<lb/>
deriſch werden. Indem dieſes Feuer eine Weile lebhaft<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[215/0229]
noch heute ausfuͤhren zu koͤnnen, und wollte nicht um¬
ſonſt ſein Uebergewicht hierher gewendet haben. Raſch
ordnete er ſeine Truppen zum Sturm. Der Marſchall
Bernadotte erhielt Befehl, uͤber Atterkla gegen Wagram
vorzudringen, und durch Wegnahme dieſes Ortes die
Mitte der oͤſterreichiſchen Linie zu ſprengen. Zwei
gedraͤngte Sturmſchaaren ſollten zu gleicher Zeit rechts
und links von Baumersdorf uͤber den Rußbach dringen,
die Hoͤhen der oͤſterreichiſchen Stellung erſteigen und
die dortigen Truppen aufrollen. Feindliches Fußvolk
war mittlerweile ſchon dicht an unſre Stellung heran¬
gekommen; die Plaͤnkler wurden vom Rußbach zuruͤck¬
gerufen und traten in die Linie wieder ein, laͤngs deren
ganzer Ausdehnung ſich nun ein furchtbares Gewehr¬
feuer entſpann. Dieſer ungeheure Laͤrm des immerfort
erneuten Losknallens und noch weit mehr des unend¬
lichen Eiſengeraͤuſches bei Handhabung von mehr als
zwanzigtauſend Flinten in ſolcher Naͤhe und Enge, war
eigentlich der einzige neue und wunderbare Eindruck,
der mir in dieſen erſten Kriegsauftritten, die ich erlebte,
zu Theil wurde; alles andre war theils meiner voraus¬
gefaßten Vorſtellung gemaͤß, theils ſogar unter ihr;
alles aber, auch der Donner des zahlreichſten Geſchuͤtzes
duͤnkte mich gering gegen das Sturmgetoͤſe des ſoge¬
nannten Kleingewehrs, dieſer Waffe, durch welche
gewoͤhnlich auch unſre neueren Schlachten zumeiſt moͤr¬
deriſch werden. Indem dieſes Feuer eine Weile lebhaft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/229>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.