diese gegen ihn vorbereitete und vertheidigte. Mit ein¬ brechender Nacht sahen wir in der vor uns liegenden Ebene die Alarmstangen brennen, und das ganze Lager gerieth in Bewegung. Der Kanonendonner verstummte zwar nach einiger Zeit, allein um 1 Uhr nachts erhiel¬ ten die auf der Anhöhe bei Wagram lagernden Regi¬ menter den Befehl, in der Stille anzutreten, und rückten schweigend etwa anderthalb Stunden gegen die Donau hinab; der erste, zweite und dritte Heertheil lagerten daselbst zwischen Breitenlee und Stadt-Enzers¬ dorf, der vierte Heertheil stellte sich bei Wittau, die Reiterei bei Rasdorf; jeden Augenblick erwarteten wir, daß der Feind angreifen würde; das Kanoniren erneuerte sich von Zeit zu Zeit; allein die Franzosen rückten nicht vor, sondern begnügten sich, ihre begonnene Brücken¬ schanze zu vollenden. Der Erzherzog begab sich zuerst nach Rasdorf, sodann nach Stadt-Enzersdorf, und bestieg den dortigen Thurm, um die Anstalten des Feindes zu überschauen, darauf nahm er sein Hauptquartier in Breitenlee. Indeß mußte bald klar werden, daß die Anstalten an dieser Stelle für einen ernstlichen Ueber¬ gang zu unbedeutend blieben; es war offenbar, daß der Feind hier nur die Aufmerksamkeit beschäftigen wolle, und daß er seinen wahren Uebergang entweder ober¬ halb bei Nußdorf, oder unterhalb in der Gegend von Ort vorhabe, wobei das österreichische Heer in seiner jetzigen Stellung sogleich die rechte oder linke Flanke
dieſe gegen ihn vorbereitete und vertheidigte. Mit ein¬ brechender Nacht ſahen wir in der vor uns liegenden Ebene die Alarmſtangen brennen, und das ganze Lager gerieth in Bewegung. Der Kanonendonner verſtummte zwar nach einiger Zeit, allein um 1 Uhr nachts erhiel¬ ten die auf der Anhoͤhe bei Wagram lagernden Regi¬ menter den Befehl, in der Stille anzutreten, und ruͤckten ſchweigend etwa anderthalb Stunden gegen die Donau hinab; der erſte, zweite und dritte Heertheil lagerten daſelbſt zwiſchen Breitenlee und Stadt-Enzers¬ dorf, der vierte Heertheil ſtellte ſich bei Wittau, die Reiterei bei Rasdorf; jeden Augenblick erwarteten wir, daß der Feind angreifen wuͤrde; das Kanoniren erneuerte ſich von Zeit zu Zeit; allein die Franzoſen ruͤckten nicht vor, ſondern begnuͤgten ſich, ihre begonnene Bruͤcken¬ ſchanze zu vollenden. Der Erzherzog begab ſich zuerſt nach Rasdorf, ſodann nach Stadt-Enzersdorf, und beſtieg den dortigen Thurm, um die Anſtalten des Feindes zu uͤberſchauen, darauf nahm er ſein Hauptquartier in Breitenlee. Indeß mußte bald klar werden, daß die Anſtalten an dieſer Stelle fuͤr einen ernſtlichen Ueber¬ gang zu unbedeutend blieben; es war offenbar, daß der Feind hier nur die Aufmerkſamkeit beſchaͤftigen wolle, und daß er ſeinen wahren Uebergang entweder ober¬ halb bei Nußdorf, oder unterhalb in der Gegend von Ort vorhabe, wobei das oͤſterreichiſche Heer in ſeiner jetzigen Stellung ſogleich die rechte oder linke Flanke
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0215"n="201"/>
dieſe gegen ihn vorbereitete und vertheidigte. Mit ein¬<lb/>
brechender Nacht ſahen wir in der vor uns liegenden<lb/>
Ebene die Alarmſtangen brennen, und das ganze Lager<lb/>
gerieth in Bewegung. Der Kanonendonner verſtummte<lb/>
zwar nach einiger Zeit, allein um <hirendition="#b">1</hi> Uhr nachts erhiel¬<lb/>
ten die auf der Anhoͤhe bei Wagram lagernden Regi¬<lb/>
menter den Befehl, in der Stille anzutreten, und<lb/>
ruͤckten ſchweigend etwa anderthalb Stunden gegen die<lb/>
Donau hinab; der erſte, zweite und dritte Heertheil<lb/>
lagerten daſelbſt zwiſchen Breitenlee und Stadt-Enzers¬<lb/>
dorf, der vierte Heertheil ſtellte ſich bei Wittau, die<lb/>
Reiterei bei Rasdorf; jeden Augenblick erwarteten wir,<lb/>
daß der Feind angreifen wuͤrde; das Kanoniren erneuerte<lb/>ſich von Zeit zu Zeit; allein die Franzoſen ruͤckten nicht<lb/>
vor, ſondern begnuͤgten ſich, ihre begonnene Bruͤcken¬<lb/>ſchanze zu vollenden. Der Erzherzog begab ſich zuerſt<lb/>
nach Rasdorf, ſodann nach Stadt-Enzersdorf, und beſtieg<lb/>
den dortigen Thurm, um die Anſtalten des Feindes zu<lb/>
uͤberſchauen, darauf nahm er ſein Hauptquartier in<lb/>
Breitenlee. Indeß mußte bald klar werden, daß die<lb/>
Anſtalten an dieſer Stelle fuͤr einen ernſtlichen Ueber¬<lb/>
gang zu unbedeutend blieben; es war offenbar, daß der<lb/>
Feind hier nur die Aufmerkſamkeit beſchaͤftigen wolle,<lb/>
und daß er ſeinen wahren Uebergang entweder ober¬<lb/>
halb bei Nußdorf, oder unterhalb in der Gegend von<lb/>
Ort vorhabe, wobei das oͤſterreichiſche Heer in ſeiner<lb/>
jetzigen Stellung ſogleich die rechte oder linke Flanke<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[201/0215]
dieſe gegen ihn vorbereitete und vertheidigte. Mit ein¬
brechender Nacht ſahen wir in der vor uns liegenden
Ebene die Alarmſtangen brennen, und das ganze Lager
gerieth in Bewegung. Der Kanonendonner verſtummte
zwar nach einiger Zeit, allein um 1 Uhr nachts erhiel¬
ten die auf der Anhoͤhe bei Wagram lagernden Regi¬
menter den Befehl, in der Stille anzutreten, und
ruͤckten ſchweigend etwa anderthalb Stunden gegen die
Donau hinab; der erſte, zweite und dritte Heertheil
lagerten daſelbſt zwiſchen Breitenlee und Stadt-Enzers¬
dorf, der vierte Heertheil ſtellte ſich bei Wittau, die
Reiterei bei Rasdorf; jeden Augenblick erwarteten wir,
daß der Feind angreifen wuͤrde; das Kanoniren erneuerte
ſich von Zeit zu Zeit; allein die Franzoſen ruͤckten nicht
vor, ſondern begnuͤgten ſich, ihre begonnene Bruͤcken¬
ſchanze zu vollenden. Der Erzherzog begab ſich zuerſt
nach Rasdorf, ſodann nach Stadt-Enzersdorf, und beſtieg
den dortigen Thurm, um die Anſtalten des Feindes zu
uͤberſchauen, darauf nahm er ſein Hauptquartier in
Breitenlee. Indeß mußte bald klar werden, daß die
Anſtalten an dieſer Stelle fuͤr einen ernſtlichen Ueber¬
gang zu unbedeutend blieben; es war offenbar, daß der
Feind hier nur die Aufmerkſamkeit beſchaͤftigen wolle,
und daß er ſeinen wahren Uebergang entweder ober¬
halb bei Nußdorf, oder unterhalb in der Gegend von
Ort vorhabe, wobei das oͤſterreichiſche Heer in ſeiner
jetzigen Stellung ſogleich die rechte oder linke Flanke
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/215>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.