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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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jeder Tag, den man hier stehn bleibe und den Feind
unthätig festhalte, sei als ein Sieg zu betrachten, unter
solchen Umständen sehr wohl gelten, besonders da auch
die politische Aussicht, die schon zum Theil sich erfüllte,
durch Zeitgewinn die günstigsten Wandlungen versprach.
Daß vielfachere und raschere Thätigkeit dem Feinde
hätte verderblich werden, daß die Vorkehrungen hätten
ausgedehnter und eifriger sein können, läßt sich wohl
behaupten; indeß muß man bedenken, daß der Geist
der Kriegführung wesentlich von dem Körper abhängig
ist, mit dem er wirken soll, und daß dieser aus alten
Einrichtungen und Gewöhnungen durch den kräftigsten
Willen nicht plötzlich zu jeder neuen Brauchbarkeit
umgewandelt werden kann. Dies gilt von manchen
Vorschlägen, welche zu jener Zeit gemacht wurden, die
aber in's Werk zu setzen damals allzu schwierig dünkte.
Das Absehen des Erzherzogs Karl war mit Recht auf
eine Feldschlacht gerichtet, für welche die Truppen frei
verfügbar bleiben, und an keine Verschanzungen gebun¬
den sein sollten, als deren Zweckmäßigkeit für die künftig
möglichen Umstände doch nichts voraus zu berechnen
war, und deren Vorhandensein dann störend und nach¬
theilig werden konnte. Jenem wesentlichen Zwecke, das
Heer für eine Schlacht in Bereitschaft zu halten, mußte
die Hauptsorge des Feldherrn gewidmet bleiben und
ihm rastlos zu thun geben, alle übrigen Hülfsmittel
konnten erst nach jenem in Betracht kommen, so sehr

II. 13

jeder Tag, den man hier ſtehn bleibe und den Feind
unthaͤtig feſthalte, ſei als ein Sieg zu betrachten, unter
ſolchen Umſtaͤnden ſehr wohl gelten, beſonders da auch
die politiſche Ausſicht, die ſchon zum Theil ſich erfuͤllte,
durch Zeitgewinn die guͤnſtigſten Wandlungen verſprach.
Daß vielfachere und raſchere Thaͤtigkeit dem Feinde
haͤtte verderblich werden, daß die Vorkehrungen haͤtten
ausgedehnter und eifriger ſein koͤnnen, laͤßt ſich wohl
behaupten; indeß muß man bedenken, daß der Geiſt
der Kriegfuͤhrung weſentlich von dem Koͤrper abhaͤngig
iſt, mit dem er wirken ſoll, und daß dieſer aus alten
Einrichtungen und Gewoͤhnungen durch den kraͤftigſten
Willen nicht ploͤtzlich zu jeder neuen Brauchbarkeit
umgewandelt werden kann. Dies gilt von manchen
Vorſchlaͤgen, welche zu jener Zeit gemacht wurden, die
aber in’s Werk zu ſetzen damals allzu ſchwierig duͤnkte.
Das Abſehen des Erzherzogs Karl war mit Recht auf
eine Feldſchlacht gerichtet, fuͤr welche die Truppen frei
verfuͤgbar bleiben, und an keine Verſchanzungen gebun¬
den ſein ſollten, als deren Zweckmaͤßigkeit fuͤr die kuͤnftig
moͤglichen Umſtaͤnde doch nichts voraus zu berechnen
war, und deren Vorhandenſein dann ſtoͤrend und nach¬
theilig werden konnte. Jenem weſentlichen Zwecke, das
Heer fuͤr eine Schlacht in Bereitſchaft zu halten, mußte
die Hauptſorge des Feldherrn gewidmet bleiben und
ihm raſtlos zu thun geben, alle uͤbrigen Huͤlfsmittel
konnten erſt nach jenem in Betracht kommen, ſo ſehr

II. 13
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[193/0207] jeder Tag, den man hier ſtehn bleibe und den Feind unthaͤtig feſthalte, ſei als ein Sieg zu betrachten, unter ſolchen Umſtaͤnden ſehr wohl gelten, beſonders da auch die politiſche Ausſicht, die ſchon zum Theil ſich erfuͤllte, durch Zeitgewinn die guͤnſtigſten Wandlungen verſprach. Daß vielfachere und raſchere Thaͤtigkeit dem Feinde haͤtte verderblich werden, daß die Vorkehrungen haͤtten ausgedehnter und eifriger ſein koͤnnen, laͤßt ſich wohl behaupten; indeß muß man bedenken, daß der Geiſt der Kriegfuͤhrung weſentlich von dem Koͤrper abhaͤngig iſt, mit dem er wirken ſoll, und daß dieſer aus alten Einrichtungen und Gewoͤhnungen durch den kraͤftigſten Willen nicht ploͤtzlich zu jeder neuen Brauchbarkeit umgewandelt werden kann. Dies gilt von manchen Vorſchlaͤgen, welche zu jener Zeit gemacht wurden, die aber in’s Werk zu ſetzen damals allzu ſchwierig duͤnkte. Das Abſehen des Erzherzogs Karl war mit Recht auf eine Feldſchlacht gerichtet, fuͤr welche die Truppen frei verfuͤgbar bleiben, und an keine Verſchanzungen gebun¬ den ſein ſollten, als deren Zweckmaͤßigkeit fuͤr die kuͤnftig moͤglichen Umſtaͤnde doch nichts voraus zu berechnen war, und deren Vorhandenſein dann ſtoͤrend und nach¬ theilig werden konnte. Jenem weſentlichen Zwecke, das Heer fuͤr eine Schlacht in Bereitſchaft zu halten, mußte die Hauptſorge des Feldherrn gewidmet bleiben und ihm raſtlos zu thun geben, alle uͤbrigen Huͤlfsmittel konnten erſt nach jenem in Betracht kommen, ſo ſehr II. 13

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/207>, abgerufen am 27.11.2024.