Abend mich nicht abhalten, die Stunde Weges zu Wagen oder zu Fuß eilig zu durchmessen, um den meist drangvollen Tag in der labendsten Erholung zu beschließen. Die größere Einsamkeit, in welcher ich die Freundin hier sah, gab unserm Gespräch und ganzen Zusammensein einen freieren Gang und reicheren Ertrag; der heimliche Schattenplatz vor der Thüre des kleinen Hauses in der abgelegenen Schloßstraße, die kühlen Spaziergänge in den duftenden Gartenwegen, durch die breiten bäumereichen Straßen des damals überaus stillen Ortes, längs des Ufers der Spree und über die Brücke, diese Reize der Oertlichkeit, oft noch erhöht durch die Pracht des Mond- und Sonnenhimmels, sind mir in der Erinnerung unauflöslich verwebt mit den erhebendsten Geistesflügen und den zartesten Schwin¬ gungen des erregten Gemüths, welches denn doch zugleich leidenschaftlichen Spannungen und geselligem Widerstreite genugsam eröffnet blieb, und daher von sentimentaler Verweichlichung gar nicht bedroht war.
Theils mit sich selber als mächtiger Gegenwart erfüllt, theils zur unbestimmten Zukunft gewaltsam hin¬ ausstrebend, war die schöne Sommerzeit verflossen, und während der Ferien mußten die Entscheidungen ausge¬ führt werden, welche wir gefaßt hatten. Jemehr der Zeitpunkt der Trennung herannahte, desto inniger fühlten Rahel und ich den Werth und das Glück unsrer Ver¬ bindung. Wir suchten den Schmerz durch Geistesstärke
Abend mich nicht abhalten, die Stunde Weges zu Wagen oder zu Fuß eilig zu durchmeſſen, um den meiſt drangvollen Tag in der labendſten Erholung zu beſchließen. Die groͤßere Einſamkeit, in welcher ich die Freundin hier ſah, gab unſerm Geſpraͤch und ganzen Zuſammenſein einen freieren Gang und reicheren Ertrag; der heimliche Schattenplatz vor der Thuͤre des kleinen Hauſes in der abgelegenen Schloßſtraße, die kuͤhlen Spaziergaͤnge in den duftenden Gartenwegen, durch die breiten baͤumereichen Straßen des damals uͤberaus ſtillen Ortes, laͤngs des Ufers der Spree und uͤber die Bruͤcke, dieſe Reize der Oertlichkeit, oft noch erhoͤht durch die Pracht des Mond- und Sonnenhimmels, ſind mir in der Erinnerung unaufloͤslich verwebt mit den erhebendſten Geiſtesfluͤgen und den zarteſten Schwin¬ gungen des erregten Gemuͤths, welches denn doch zugleich leidenſchaftlichen Spannungen und geſelligem Widerſtreite genugſam eroͤffnet blieb, und daher von ſentimentaler Verweichlichung gar nicht bedroht war.
Theils mit ſich ſelber als maͤchtiger Gegenwart erfuͤllt, theils zur unbeſtimmten Zukunft gewaltſam hin¬ ausſtrebend, war die ſchoͤne Sommerzeit verfloſſen, und waͤhrend der Ferien mußten die Entſcheidungen ausge¬ fuͤhrt werden, welche wir gefaßt hatten. Jemehr der Zeitpunkt der Trennung herannahte, deſto inniger fuͤhlten Rahel und ich den Werth und das Gluͤck unſrer Ver¬ bindung. Wir ſuchten den Schmerz durch Geiſtesſtaͤrke
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Abend mich nicht abhalten, die Stunde Weges zu
Wagen oder zu Fuß eilig zu durchmeſſen, um den
meiſt drangvollen Tag in der labendſten Erholung zu
beſchließen. Die groͤßere Einſamkeit, in welcher ich die
Freundin hier ſah, gab unſerm Geſpraͤch und ganzen
Zuſammenſein einen freieren Gang und reicheren Ertrag;
der heimliche Schattenplatz vor der Thuͤre des kleinen
Hauſes in der abgelegenen Schloßſtraße, die kuͤhlen
Spaziergaͤnge in den duftenden Gartenwegen, durch
die breiten baͤumereichen Straßen des damals uͤberaus
ſtillen Ortes, laͤngs des Ufers der Spree und uͤber die
Bruͤcke, dieſe Reize der Oertlichkeit, oft noch erhoͤht
durch die Pracht des Mond- und Sonnenhimmels, ſind
mir in der Erinnerung unaufloͤslich verwebt mit den
erhebendſten Geiſtesfluͤgen und den zarteſten Schwin¬
gungen des erregten Gemuͤths, welches denn doch
zugleich leidenſchaftlichen Spannungen und geſelligem
Widerſtreite genugſam eroͤffnet blieb, und daher von
ſentimentaler Verweichlichung gar nicht bedroht war.
Theils mit ſich ſelber als maͤchtiger Gegenwart
erfuͤllt, theils zur unbeſtimmten Zukunft gewaltſam hin¬
ausſtrebend, war die ſchoͤne Sommerzeit verfloſſen, und
waͤhrend der Ferien mußten die Entſcheidungen ausge¬
fuͤhrt werden, welche wir gefaßt hatten. Jemehr der
Zeitpunkt der Trennung herannahte, deſto inniger fuͤhlten
Rahel und ich den Werth und das Gluͤck unſrer Ver¬
bindung. Wir ſuchten den Schmerz durch Geiſtesſtaͤrke
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/188>, abgerufen am 22.11.2024.
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