heißungen zurufen, und unter dem Jubel der Menge abfahren. Die Soldaten sangen muntre Lieder, freuten sich, daß es endlich in's Feld ging, und überall war es lebhaft von Nachzüglern und sonstigen Leuten, die sich dem Kriegswesen anschlossen. Ueber Potsdam hin¬ aus verklang allmählig dieser bunte Lärm, alles lag in ungewöhnlicher Stille, und bei heiterem Sommerwetter durfte ich meine wärmsten Empfindungen wieder unge¬ theilt den Erwartungen zuwenden, die mich persönlich angingen. --
(Inzwischen war der Krieg ausgebrochen, und die Schlachten von Auerstädt und Jena verloren worden. Halle selbst wurde der Schauplatz eines unglücklichen Gefechts, ein strenger Befehl des Kaisers Napoleon hieß alle Studirenden die Universität ungesäumt verlassen, und nur unter Verläugnueg meiner Eigenschaft konnte ich noch im Winter dahin zurückkehren, um wenigstens an dem ruhigen Orte der Studien die gehoffte Wieder¬ aufnahme derselben abzuwarten.)
1807.
Der Anblick Halle's war freilich ganz verändert. Die Abwesenheit der Studenten machte die Straßen leer und die Häuser öde, alles hatte ein trauerndes Ansehn, nicht einmal durch französische Einquartierung belebt, denn außer den nöthigsten Verwaltungsbeamten und wenigen dienstfähigen Kriegsleuten waren hauptsächlich nur
II. 9
heißungen zurufen, und unter dem Jubel der Menge abfahren. Die Soldaten ſangen muntre Lieder, freuten ſich, daß es endlich in’s Feld ging, und uͤberall war es lebhaft von Nachzuͤglern und ſonſtigen Leuten, die ſich dem Kriegsweſen anſchloſſen. Ueber Potsdam hin¬ aus verklang allmaͤhlig dieſer bunte Laͤrm, alles lag in ungewoͤhnlicher Stille, und bei heiterem Sommerwetter durfte ich meine waͤrmſten Empfindungen wieder unge¬ theilt den Erwartungen zuwenden, die mich perſoͤnlich angingen. —
(Inzwiſchen war der Krieg ausgebrochen, und die Schlachten von Auerſtaͤdt und Jena verloren worden. Halle ſelbſt wurde der Schauplatz eines ungluͤcklichen Gefechts, ein ſtrenger Befehl des Kaiſers Napoleon hieß alle Studirenden die Univerſitaͤt ungeſaͤumt verlaſſen, und nur unter Verlaͤugnueg meiner Eigenſchaft konnte ich noch im Winter dahin zuruͤckkehren, um wenigſtens an dem ruhigen Orte der Studien die gehoffte Wieder¬ aufnahme derſelben abzuwarten.)
1807.
Der Anblick Halle’s war freilich ganz veraͤndert. Die Abweſenheit der Studenten machte die Straßen leer und die Haͤuſer oͤde, alles hatte ein trauerndes Anſehn, nicht einmal durch franzoͤſiſche Einquartierung belebt, denn außer den noͤthigſten Verwaltungsbeamten und wenigen dienſtfaͤhigen Kriegsleuten waren hauptſaͤchlich nur
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heißungen zurufen, und unter dem Jubel der Menge
abfahren. Die Soldaten ſangen muntre Lieder, freuten
ſich, daß es endlich in’s Feld ging, und uͤberall war
es lebhaft von Nachzuͤglern und ſonſtigen Leuten, die
ſich dem Kriegsweſen anſchloſſen. Ueber Potsdam hin¬
aus verklang allmaͤhlig dieſer bunte Laͤrm, alles lag in
ungewoͤhnlicher Stille, und bei heiterem Sommerwetter
durfte ich meine waͤrmſten Empfindungen wieder unge¬
theilt den Erwartungen zuwenden, die mich perſoͤnlich
angingen. —
(Inzwiſchen war der Krieg ausgebrochen, und die
Schlachten von Auerſtaͤdt und Jena verloren worden.
Halle ſelbſt wurde der Schauplatz eines ungluͤcklichen
Gefechts, ein ſtrenger Befehl des Kaiſers Napoleon
hieß alle Studirenden die Univerſitaͤt ungeſaͤumt verlaſſen,
und nur unter Verlaͤugnueg meiner Eigenſchaft konnte
ich noch im Winter dahin zuruͤckkehren, um wenigſtens
an dem ruhigen Orte der Studien die gehoffte Wieder¬
aufnahme derſelben abzuwarten.)
1807.
Der Anblick Halle’s war freilich ganz veraͤndert.
Die Abweſenheit der Studenten machte die Straßen leer
und die Haͤuſer oͤde, alles hatte ein trauerndes Anſehn,
nicht einmal durch franzoͤſiſche Einquartierung belebt,
denn außer den noͤthigſten Verwaltungsbeamten und
wenigen dienſtfaͤhigen Kriegsleuten waren hauptſaͤchlich nur
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/143>, abgerufen am 22.11.2024.
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