schwierigsten Anfänge dieses Studiums weit hinweg¬ setzten.
Nach der Einschreibung begaben wir uns zuförderst zum Geheimen Rath Wolf, an den uns Gurlitt und Nolte Empfehlungsschreiben gegeben hatten, und meldeten uns zu seinen Vorlesungen; leider las er diesmal nicht über den Homer, noch sonst über einen alten Schrift¬ steller, doch waren wir auf seine Geschichte der alten Völker sehr begierig. Friedrich August Wolf erschien unter den Gelehrten wie ein König, umgeben von solchem geistigen Ansehn, von solcher Macht und Größe der Gegenwart. Seine hohe, behagliche Gestalt, seine gro߬ artige Ruhe und alles wie durch Gebot leicht beherr¬ schende Thätigkeit, gaben ihm den Glanz einer Würde, deren er nicht einmal zu bedürfen schien, denn er stellte sich bereitwillig den Andern gleich, und liebte, nach Art eines Friedrich, auch ohne den Prunk seiner Macht blos als Mensch, in freiem Witz, in Laune und Scherz, noch immer herrscherlich zu wirken. Er besaß alle Güter und Hülfsmittel der Pedanterie, aber alle hatte er durch¬ geistet, und schaltete frei mit ihnen, so daß er wie über seinem Wissen auch über allen seinen Wissensge¬ nossen stand, und hinwieder durch sein Wissen jedem andern Gelehrten eine beneidenswerthe Grundlage aller Geistesbildung zu schauen gab. Sein freundlicher Empfang, seine Fragen und Rathschläge, ließen uns gleich die scharf¬ geistige Munterkeit empfinden, auf die man uns schon
ſchwierigſten Anfaͤnge dieſes Studiums weit hinweg¬ ſetzten.
Nach der Einſchreibung begaben wir uns zufoͤrderſt zum Geheimen Rath Wolf, an den uns Gurlitt und Nolte Empfehlungsſchreiben gegeben hatten, und meldeten uns zu ſeinen Vorleſungen; leider las er diesmal nicht uͤber den Homer, noch ſonſt uͤber einen alten Schrift¬ ſteller, doch waren wir auf ſeine Geſchichte der alten Voͤlker ſehr begierig. Friedrich Auguſt Wolf erſchien unter den Gelehrten wie ein Koͤnig, umgeben von ſolchem geiſtigen Anſehn, von ſolcher Macht und Groͤße der Gegenwart. Seine hohe, behagliche Geſtalt, ſeine gro߬ artige Ruhe und alles wie durch Gebot leicht beherr¬ ſchende Thaͤtigkeit, gaben ihm den Glanz einer Wuͤrde, deren er nicht einmal zu beduͤrfen ſchien, denn er ſtellte ſich bereitwillig den Andern gleich, und liebte, nach Art eines Friedrich, auch ohne den Prunk ſeiner Macht blos als Menſch, in freiem Witz, in Laune und Scherz, noch immer herrſcherlich zu wirken. Er beſaß alle Guͤter und Huͤlfsmittel der Pedanterie, aber alle hatte er durch¬ geiſtet, und ſchaltete frei mit ihnen, ſo daß er wie uͤber ſeinem Wiſſen auch uͤber allen ſeinen Wiſſensge¬ noſſen ſtand, und hinwieder durch ſein Wiſſen jedem andern Gelehrten eine beneidenswerthe Grundlage aller Geiſtesbildung zu ſchauen gab. Sein freundlicher Empfang, ſeine Fragen und Rathſchlaͤge, ließen uns gleich die ſcharf¬ geiſtige Munterkeit empfinden, auf die man uns ſchon
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0104"n="90"/>ſchwierigſten Anfaͤnge dieſes Studiums weit hinweg¬<lb/>ſetzten.</p><lb/><p>Nach der Einſchreibung begaben wir uns zufoͤrderſt<lb/>
zum Geheimen Rath Wolf, an den uns Gurlitt und<lb/>
Nolte Empfehlungsſchreiben gegeben hatten, und meldeten<lb/>
uns zu ſeinen Vorleſungen; leider las er diesmal nicht<lb/>
uͤber den Homer, noch ſonſt uͤber einen alten Schrift¬<lb/>ſteller, doch waren wir auf ſeine Geſchichte der alten<lb/>
Voͤlker ſehr begierig. Friedrich Auguſt Wolf erſchien<lb/>
unter den Gelehrten wie ein Koͤnig, umgeben von ſolchem<lb/>
geiſtigen Anſehn, von ſolcher Macht und Groͤße der<lb/>
Gegenwart. Seine hohe, behagliche Geſtalt, ſeine gro߬<lb/>
artige Ruhe und alles wie durch Gebot leicht beherr¬<lb/>ſchende Thaͤtigkeit, gaben ihm den Glanz einer Wuͤrde,<lb/>
deren er nicht einmal zu beduͤrfen ſchien, denn er ſtellte<lb/>ſich bereitwillig den Andern gleich, und liebte, nach Art<lb/>
eines Friedrich, auch ohne den Prunk ſeiner Macht blos<lb/>
als Menſch, in freiem Witz, in Laune und Scherz,<lb/>
noch immer herrſcherlich zu wirken. Er beſaß alle Guͤter<lb/>
und Huͤlfsmittel der Pedanterie, aber alle hatte er durch¬<lb/>
geiſtet, und ſchaltete frei mit ihnen, ſo daß er wie<lb/>
uͤber ſeinem Wiſſen auch uͤber allen ſeinen Wiſſensge¬<lb/>
noſſen ſtand, und hinwieder durch ſein Wiſſen jedem<lb/>
andern Gelehrten eine beneidenswerthe Grundlage aller<lb/>
Geiſtesbildung zu ſchauen gab. Sein freundlicher Empfang,<lb/>ſeine Fragen und Rathſchlaͤge, ließen uns gleich die ſcharf¬<lb/>
geiſtige Munterkeit empfinden, auf die man uns ſchon<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[90/0104]
ſchwierigſten Anfaͤnge dieſes Studiums weit hinweg¬
ſetzten.
Nach der Einſchreibung begaben wir uns zufoͤrderſt
zum Geheimen Rath Wolf, an den uns Gurlitt und
Nolte Empfehlungsſchreiben gegeben hatten, und meldeten
uns zu ſeinen Vorleſungen; leider las er diesmal nicht
uͤber den Homer, noch ſonſt uͤber einen alten Schrift¬
ſteller, doch waren wir auf ſeine Geſchichte der alten
Voͤlker ſehr begierig. Friedrich Auguſt Wolf erſchien
unter den Gelehrten wie ein Koͤnig, umgeben von ſolchem
geiſtigen Anſehn, von ſolcher Macht und Groͤße der
Gegenwart. Seine hohe, behagliche Geſtalt, ſeine gro߬
artige Ruhe und alles wie durch Gebot leicht beherr¬
ſchende Thaͤtigkeit, gaben ihm den Glanz einer Wuͤrde,
deren er nicht einmal zu beduͤrfen ſchien, denn er ſtellte
ſich bereitwillig den Andern gleich, und liebte, nach Art
eines Friedrich, auch ohne den Prunk ſeiner Macht blos
als Menſch, in freiem Witz, in Laune und Scherz,
noch immer herrſcherlich zu wirken. Er beſaß alle Guͤter
und Huͤlfsmittel der Pedanterie, aber alle hatte er durch¬
geiſtet, und ſchaltete frei mit ihnen, ſo daß er wie
uͤber ſeinem Wiſſen auch uͤber allen ſeinen Wiſſensge¬
noſſen ſtand, und hinwieder durch ſein Wiſſen jedem
andern Gelehrten eine beneidenswerthe Grundlage aller
Geiſtesbildung zu ſchauen gab. Sein freundlicher Empfang,
ſeine Fragen und Rathſchlaͤge, ließen uns gleich die ſcharf¬
geiſtige Munterkeit empfinden, auf die man uns ſchon
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/104>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.