aufgefunden, und ein erster Ausflug nach Wohnung verschaffte uns gleich die entzückendste, außerhalb des Thores, in den sogenannten Pulverweiden, dicht an der Saale, die hier einen ihrer rauschenden Wasserfälle bildete; unsre Fenster zeigten uns üppige Wiesen, schöne Pappelreihen, dahinter die sich erhebende Stadt, auf der andern Seite den gebogenen Lauf der Saale, Feld und Wald jenseits, und über die hohe Brücke hinaus die Felsenwände eines großen Steinbruches. Mit welch seliger Befriedigung setzten wir uns hier fest, mit welchen herrlichen Aussichten auf den Vollgenuß des göttlichsten Studienlebens! Unsre Zimmer lagen in zweien Stock¬ werken, sie waren nicht dreifach abzutheilen, und Einer von uns mußte Neander'n bei sich aufnehmen, wir loosten, und er fiel mir zu, da wir uns denn in Stube und Kammer gemeinschaftlich zu behelfen suchten. Von einem kärglichen Mittagessen an einem Studententische, das unsrer Begeisterung nicht störend wurde, eilten wir in Stadt und Umgegend vorläufige Kenntniß der Oertlichkeit zu nehmen, und so für viele bedeutende Namen und Beziehungen, die wir schon wußten, nun auch die wirklichen Gegenstände zu erblicken. Besonders beglückte uns Gibichenstein, mit seinen traulichen Ufern, hohen Felsen, alten Sagen und frischen Erinnerungen, die sich uns dort aus Koreff's Erzählungen anknüpften. Zum erstenmal in einer Universitätsstadt von dem An¬ blicke des Studentenwesens getroffen, empfingen wir
aufgefunden, und ein erſter Ausflug nach Wohnung verſchaffte uns gleich die entzuͤckendſte, außerhalb des Thores, in den ſogenannten Pulverweiden, dicht an der Saale, die hier einen ihrer rauſchenden Waſſerfaͤlle bildete; unſre Fenſter zeigten uns uͤppige Wieſen, ſchoͤne Pappelreihen, dahinter die ſich erhebende Stadt, auf der andern Seite den gebogenen Lauf der Saale, Feld und Wald jenſeits, und uͤber die hohe Bruͤcke hinaus die Felſenwaͤnde eines großen Steinbruches. Mit welch ſeliger Befriedigung ſetzten wir uns hier feſt, mit welchen herrlichen Ausſichten auf den Vollgenuß des goͤttlichſten Studienlebens! Unſre Zimmer lagen in zweien Stock¬ werken, ſie waren nicht dreifach abzutheilen, und Einer von uns mußte Neander'n bei ſich aufnehmen, wir looſten, und er fiel mir zu, da wir uns denn in Stube und Kammer gemeinſchaftlich zu behelfen ſuchten. Von einem kaͤrglichen Mittageſſen an einem Studententiſche, das unſrer Begeiſterung nicht ſtoͤrend wurde, eilten wir in Stadt und Umgegend vorlaͤufige Kenntniß der Oertlichkeit zu nehmen, und ſo fuͤr viele bedeutende Namen und Beziehungen, die wir ſchon wußten, nun auch die wirklichen Gegenſtaͤnde zu erblicken. Beſonders begluͤckte uns Gibichenſtein, mit ſeinen traulichen Ufern, hohen Felſen, alten Sagen und friſchen Erinnerungen, die ſich uns dort aus Koreff's Erzaͤhlungen anknuͤpften. Zum erſtenmal in einer Univerſitaͤtsſtadt von dem An¬ blicke des Studentenweſens getroffen, empfingen wir
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[87/0101]
aufgefunden, und ein erſter Ausflug nach Wohnung
verſchaffte uns gleich die entzuͤckendſte, außerhalb des
Thores, in den ſogenannten Pulverweiden, dicht an
der Saale, die hier einen ihrer rauſchenden Waſſerfaͤlle
bildete; unſre Fenſter zeigten uns uͤppige Wieſen, ſchoͤne
Pappelreihen, dahinter die ſich erhebende Stadt, auf
der andern Seite den gebogenen Lauf der Saale, Feld
und Wald jenſeits, und uͤber die hohe Bruͤcke hinaus
die Felſenwaͤnde eines großen Steinbruches. Mit welch
ſeliger Befriedigung ſetzten wir uns hier feſt, mit welchen
herrlichen Ausſichten auf den Vollgenuß des goͤttlichſten
Studienlebens! Unſre Zimmer lagen in zweien Stock¬
werken, ſie waren nicht dreifach abzutheilen, und Einer
von uns mußte Neander'n bei ſich aufnehmen, wir
looſten, und er fiel mir zu, da wir uns denn in Stube
und Kammer gemeinſchaftlich zu behelfen ſuchten. Von
einem kaͤrglichen Mittageſſen an einem Studententiſche,
das unſrer Begeiſterung nicht ſtoͤrend wurde, eilten
wir in Stadt und Umgegend vorlaͤufige Kenntniß der
Oertlichkeit zu nehmen, und ſo fuͤr viele bedeutende
Namen und Beziehungen, die wir ſchon wußten, nun
auch die wirklichen Gegenſtaͤnde zu erblicken. Beſonders
begluͤckte uns Gibichenſtein, mit ſeinen traulichen Ufern,
hohen Felſen, alten Sagen und friſchen Erinnerungen,
die ſich uns dort aus Koreff's Erzaͤhlungen anknuͤpften.
Zum erſtenmal in einer Univerſitaͤtsſtadt von dem An¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/101>, abgerufen am 24.11.2024.
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